Referendum in der Republik China (Taiwan) 2018Am 24. November 2018 fand ein Referendum in der Republik China (Taiwan) statt, bei dem sich die Wähler zu verschiedenen Fragen äußern konnten. Insgesamt konnten 10 Fragen beantwortet werden. Fünf davon befassten sich mit der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe und verwandten Themen, drei Fragen betrafen die Energiepolitik, eine das Auftreten Taiwans bei internationalen Sportveranstaltungen und eine den Import von Nahrungsmitteln aus Japan. Das Referendum fand parallel zu den Bürgermeisterwahlen, Landratswahlen und Wahlen zu den Kreistagen der Landkreise, sowie Kommunalwahlen statt, die als wichtiger Stimmungstest für die DPP-Regierung unter Präsidentin Tsai Ing-wen gesehen wurden. HintergrundSeit dem Jahr 2003 existiert in der Republik China (Taiwan) die gesetzliche Grundlage zur Durchführung von Referenden über Gesetzesvorlagen. Nach dem ursprünglichen Referendumsgesetz (公民投票法) aus dem Jahr 2003 konnten Referenden dann angesetzt werden, wenn entweder der Legislativ-Yuan (das gewählte Parlament) oder mindestens 5 Prozent der Stimmberechtigten sie in Form einer Petition forderten. Vor der Durchführung musste das Referendum noch durch eine Kommission, die paritätisch aus Mitgliedern der im Legislativ-Yuan vertretenen Parteien zusammengesetzt war, begutachtet und genehmigt werden.[1] Bis zum Jahr 2016 besetzte die Kuomintang (KMT), die der plebiszitären Demokratie eher reserviert gegenüberstand, durchgehend die Mehrheit der Parlamentsmandate im Legislativ-Yuan. Dies änderte sich mit der Wahl 2016, bei der erstmals die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) die absolute Mandatsmehrheit gewann. Die DPP-Regierung zeigte sich offen gegenüber Bestrebungen, kontroverse Fragen mittels direktem Volksentscheid zu klären. Am 12. Dezember 2017 verabschiedete der Legislativ-Yuan ein Gesetz, das die Schwelle für die Durchführung von Referenden deutlich erniedrigte. Das Wahlalter bei Referenden wurde von 20 auf 18 Jahre herabgesetzt. Der Schwellenwert für die erste Phase der Initiierung eines Referendums wurde von bisher 0,5 Prozent der Wahlberechtigten (entsprechend etwa 70.000 Unterschriften) auf 0,01 Prozent (entsprechend etwa 1800 Unterschriften) herabgesetzt. Für die zweite Phase waren nicht mehr wie bisher 5 Prozent (ca. 900.000), sondern nur noch 1,5 Prozent der Stimmberechtigten (280.000 Unterschriften) erforderlich. Damit ein Referendum Gültigkeit erlangte, mussten 25 Prozent der Wahlberechtigten (nicht der Wähler) mit „Ja“ stimmen. Das Gesetz enthielt auch Bestimmungen, wie Unterschriften online gesammelt werden konnten. Die Entscheidungsbefugnis, ob eine Frage für ein Referendum zugelassen werden konnte, erhielt die Zentrale Wahlkommission.[2][3] ReferendumsinitiativenInfolge der erleichterten Möglichkeiten für die Durchführung von Referenden wurden durch die Zentrale Wahlkommission insgesamt 10 Fragen für einen Volksentscheid zugelassen (offiziell als „Fall 7“ bis „Fall 16“ bezeichnet).[4][5] Drei Referenden wurden durch die Kuomintang initiiert. Zwei befassten sich mit der Eindämmung der Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke (Fall 7 und Fall 8). Dazu sollte ein Baustopp für Kohlekraftwerke ausgesprochen werden – darunter insbesondere auch für das umstrittene Kohlekraftwerk Shen’ao (深澳電廠) in Neu-Taipeh[6][7] – und die Stromerzeugung aus Kohle jährlich zurückgefahren werden. Das dritte Referendum verlangte die Aufrechterhaltung des Importverbots für Nahrungsmittel aus Regionen Japans, die von der Nuklearkatastrophe von Fukushima betroffen waren.[8] Drei Referenden (Fall 10, Fall 11, Fall 13) wurden durch die Allianz für das Glück unserer kommenden Generationen (下一代幸福聯盟, englisch Coalition for the Happiness of our Next Generation), kurz „Glücksallianz“ (幸福盟), ein Zusammenschluss verschiedener christlicher und konservativer Gruppierungen, darunter die Liga des Glaubens und der Hoffnung und die Stabilitätskraft-Allianz, veranlasst. Die drei Referenden richteten sich gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe und gegen Themen wie Homosexualität und Sexualkunde im Unterricht an Schulen. Für gleichgeschlechtliche Partner wurde effektiv eine Art Eingetragene Partnerschaft vorgeschlagen. Zwei Referenden (Fall 14 und Fall 15) wurden durch LBTG-Interessengruppen initiiert und hatten die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe zum Ziel. Ein Referendum (Fall 13), das von der Formosa-Allianz initiiert wurde, zielte darauf, dass sich Taiwan bei künftigen internationalen Sportveranstaltungen nicht mehr wie bisher unter dem Namen „Chinesisch Taipeh“, sondern unter dem Namen „Taiwan“ bewerben solle. Dieses Referendum wurde durch die offizielle Organisation taiwanischer Olympioniken (Chinese Taipei Olympians Association, CTOA) explizit abgelehnt, da befürchtet wurde, dass Taiwan in diesem Fall auf Betreiben der Volksrepublik China vollständig von internationalen Sportveranstaltungen ausgeschlossen werden könnte.[9][10] Ein Referendum (Fall 16) richtete sich gegen den von der Regierung mit Stichdatum 2025 beschlossenen Atomausstieg. Hinsichtlich der Rechtsverbindlichkeit der Referenden merkte der taiwanische Rechtsanwalt Lu Chiou-yuan (呂秋遠) kritisch an, dass von den 10 Fragen 9 keine bindende Wirkung hätten. Die Regierung sei in diesen Fällen nicht gezwungen, dem Referendumsvotum zu folgen. Die Referenden seien daher für ihn im Wesentlichen eine 1,5 Milliarden NT$ (42,8 Mio. Euro) teure Meinungsumfrage. Das einzige rechtlich bindende Referendum sei Fall 16, die Frage nach der Aufhebung des Stichdatums zum Atomausstieg, bei dem die Wähler konkret nach der Aufhebung eines Gesetzesartikels gefragt würden.[11] Die 10 gestellten FragenDie gestellten Fragen waren die folgenden:[4]
ErgebnisseBei der Abstimmung waren 19.757.067 Personen abstimmungsberechtigt.
Bei allen 10 Referendumsfragen stimmten jeweils mehr als 25 % der Wahlberechtigten entweder mit „Ja“ oder „Nein“, so dass alle Referenden formal gültig waren. Die Wähler stimmten für die weitere Reduktion von thermischen Kraftwerken und gegen den zwingenden Atomausstieg im Jahr 2025. Sie stimmten gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, gegen die Sexualerziehung und Unterricht über Homosexualität als verpflichtendes Unterrichtsthema an Schulen, sowie für eine eingetragene Partnerschaft anstelle einer Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Die Bewerbung unter dem Namen „Taiwan“ bei internationalen Sportveranstaltungen wurde abgelehnt. Einzelnachweise
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