RCH 155
RCH 155 (Remote Controlled Howitzer 155 mm) ist ein selbstfahrendes Artilleriegeschütz im Kaliber 155 mm des deutsch-französischen Rüstungsunternehmens KNDS, das auf dem Fahrgestell des GTK Boxer aufbaut. Das automatisierte Artillerie-Geschütz-Modul (AGM) (englisch Artillery Gun Module) ist eine Weiterentwicklung der Panzerhaubitze 2000, nutzt die gleiche 155-mm-Waffenanlage mit Kaliberlänge L52 wie diese und hat keine eigene Besatzung. BeschreibungDie Fahrzeugbesatzung besteht aus einem Kommandanten und einem Militärkraftfahrer. Die Besatzung ist gegen Beschuss aus schweren Maschinengewehren bis zu 14,5 mm sowie gegen Artilleriesplitter geschützt. Zudem besteht Schutz gegen Panzerabwehrminen und Schützenabwehrminen. Das System verfügt über eine Nebelmittelwurfanlage sowie eine ABC-Schutz- und -Belüftungsanlage. Optional kann das System mit einer sekundären Waffenstation ausgestattet werden, z. B. mit einem Maschinengewehr. Die Haubitze ist in einem auf dem Fahrzeug angebrachten sogenannten Artillerie-Geschütz-Modul untergebracht. Die Kampfbeladung beträgt 30 Geschosse mit Zünder sowie 144 modulare Treibladungen. Die Zünderprogrammierung erfolgt induktiv während des Ladevorganges. Maximal 9 Schuss pro Minute sind möglich. RCH 155 kann grundsätzlich alle 155-mm-Geschosse verschießen, die kompatibel sind mit dem Joint Ballistics Memorandum of Understanding der NATO. Die bezünderten Geschosse und Treibladungen werden automatisiert geladen. Die Betriebsart Multiple Rounds Simultaneous Impacts (MRSI) ist möglich. Dabei werden durch Rohrerhöhung und Anzahl der Treibladungsmodule die Flugbahnen und -zeiten der Geschosse so kombiniert, dass mehrere nacheinander abgefeuerte Schüsse nahezu zeitgleich das Ziel treffen, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen, bevor der Gegner ausweichen kann. Der Richtbereich des Geschützturmes beträgt 360 Grad (maximal bis zum 6. Treibladungsmodul) und die Rohrerhöhung −2,5 bis + 65 Grad (−45 bis 1150 Strich). Die effektive Reichweite des Geschützes beträgt bis zu 40 Kilometer bei Base-Bleed-Geschossen, bis zu 54 Kilometer bei V-LAP-Geschossen und darüber hinaus etwa bei Vulcano und M982 Excalibur. Die Bodenfreiheit beträgt 0,5 Meter, der Wendekreis 21 Meter, die Kletterfähigkeit 0,7 Meter, die Grabenüberschreitfähigkeit 2,0 Meter, die maximale Wattiefe 1,2 Meter, die maximale Steigfähigkeit 60 Prozent und die höchste Querneigung 30 Prozent.[1] Motorisiert ist RCH 155 mit einem Dieselmotor des Typs 8V 199TE20/21 des Unternehmens MTU Friedrichshafen. Die Bordspannung beträgt 24 Volt bei maximal 540 Ampere.[2] Das Geschütz-Modul kann auch auf einen Lastkraftwagen montiert werden, beispielsweise vom Typ Iveco Trakker 8×8.[3] Es wird mit dem Rundumsichtsystem SETAS (See Through Armour System) von Hensoldt ausgestattet.[4] BesonderheitenDas RCH 155 verfügt über ein eigenes Feuerleitsystem mit oder ohne GPS-Unterstützung. Als erstes Artilleriegeschütz der Welt kann RCH 155 aus der Bewegung Ziele präzise beschießen.[5] Dies dient vor allem dazu, feindlichem Gegenartilleriefeuer zu entgehen, denn mit modernen Artillerieaufklärungsradaren wie zum Beispiel COBRA können Feuerstellungen nach dem Schuss nahezu in Echtzeit aufgeklärt werden. Das Fahrzeug ist deutlich leichter und beweglicher auf der Straße, aber weniger geländegängig als die Panzerhaubitze 2000, außerdem führt es nur die Hälfte der Munition mit. Für den Fall, dass RCH 155 durch andere Landfahrzeuge aufgeklärt und angegriffen werden sollte, beherrscht es zur Selbstverteidigung auch das direkte Richten. Eine Besonderheit ist, dass das Waffensystem für diese sekundäre Aufgabe auch über die sogenannte Hunter-Killer-Fähigkeit verfügt, zu der sonst nur Kampf- und Schützenpanzer in der Lage sind. Dabei können der Feuerauftrag und das Suchen des nächsten Zieles parallel ausgeführt werden, was die Überlebenschance im Feuergefecht signifikant erhöhen kann.[6] Die Radhaubitze RCH 155 ist hochautomatisiert und darauf ausgelegt, später ferngesteuert und besatzungslos zu fahren und zu schießen. Nutzer und Interessenten
DeutschlandDas Heer der Bundeswehr hat 2023 einen Bedarf von 168 Radhaubitzen RCH 155 angemeldet.[7] Diese sollen in den drei radgestützten Artilleriebataillonen der mittleren Kräfte sowie in den Rohrartilleriebatterien der aufzustellenden Verbänden der Divisions- und Korpsartillerie zum Einsatz kommen, die im Zielbild Heer vorgesehen sind.[8][9] Am 24. April 2024 verkündeten der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der damalige britische Premierminister Rishi Sunak, dass Deutschland und das Vereinigte Königreich gemeinsam RCH 155 kaufen, bewerten und optimieren wollen.[10] 80 Systeme für Deutschland sollen aus dem Sondervermögen Bundeswehr finanziert werden.[11] SchweizDas Bundesamt für Rüstung armasuisse gab am 5. November 2024 seine Absicht bekannt, die Beschaffung des Systems AGM Artillery Gun Module – allerdings auf der Trägerplattform Mowag Piranha IV 10×10 – zu beantragen. Das AGM auf Piranha IV soll in der Schweizer Armee die Panzerhaubitze M109 ablösen und setzte sich im Evaluationsverfahren gegen die RCH 155 auf GTK Boxer und das schwedische Artilleriesystem Archer des Herstellers BAE Systems Bofors AB durch. Die Beschaffung soll mit der Armeebotschaft 2025 dem Parlament zur Bewilligung vorgelegt werden.[12] UkraineIm September 2022 wurde bekannt, dass die deutsche Bundesregierung die Lieferung von 18 RCH 155 im Wert von 216 Millionen Euro an die ukrainischen Streitkräfte genehmigt hat. Die Lieferung ist zweieinhalb Jahre später geplant.[13] Eine weitere Lieferung von 18 weiteren RCH 155 wurde im Februar 2024 von der Bundesregierung angekündigt.[14] Der Lieferzeitraum des zweiten Loses erstreckt sich von Ende 2025 bis ins Jahr 2027.[15] Im Juni 2024 gab KNDS Deutschland bekannt, dass die Ukraine insgesamt 54 RCH 155 erhalten wird. Das erste Exemplar wurde am 13. Januar 2025 am KNDS-Standort Kassel durch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius an den ukrainischen Botschafter in Deutschland Oleksii Makeiev übergeben. Bei der Haubitze handelte es sich um das erste System, welches aus der Serienfertigung stammt. Es verbleibt zur Schulung der ukrainischen Streitkräfte zunächst in Deutschland. Sechs weitere RCH 155 sollen noch 2025 folgen.[16][17] Vereinigtes KönigreichIm April 2024 teilte das Verteidigungsministerium des Vereinigten Königreichs mit, im Rahmen des Programms Mobile Fires Platform die Radhaubitze RCH 155 zu beschaffen.[18] KatarIm September 2024 wurde bekannt, dass die deutsche Regierung den Export von zwölf RCH 155 an Katar genehmigt hat. Grundlage dafür ist die Rückführung von zwölf Panzerhaubitzen 2000 nach Deutschland, die an die Ukraine weitergeliefert werden sollen.[19] WeblinksCommons: RCH 155 – Sammlung von Bildern
Einzelnachweise
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