Phimose
Die Phimose (von altgriechisch φῑμός phīmós „Maulkorb, Knebel“) oder Vorhautverengung ist eine Verengung der Öffnung der Vorhaut des Penis. Dadurch lässt sich die Vorhaut nicht oder nur mit Schmerzen hinter die Eichel zurückziehen. Dies ist zunächst kein krankhafter Zustand, sondern eine anatomische Gegebenheit, die einer physiologischen Entwicklung bis zum Abschluss der Pubertät unterliegt. Bei Jungen kann es bis zum Abschluss der Pubertät normal sein, dass sich die Vorhaut nicht über die Eichel zurückziehen lässt. Erst etwa die Hälfte der 7-Jährigen und zwei Drittel der 10-Jährigen haben eine weitgehend zurückziehbare Vorhaut. Daher soll gemäß aktueller medizinischer Leitlinie eine Behandlung der Phimose nicht per se aufgrund des Vorliegens einer Enge oder fehlender Zurückziehbarkeit erfolgen, sondern nur dann, wenn die Phimose Beschwerden verursacht.[1] Hinsichtlich der Ursache werden zwei Arten der Phimose unterschieden:
Auch bei der Frau wird eine Verengung der Klitorisvorhaut als Phimose bezeichnet (engl. clitoral phimosis - „Klitorisphimose“).[3] Physiologische PhimoseWährend der Embryonalentwicklung bilden das Innenblatt der Vorhaut und das Gewebe der Eichel ein Gewebe.[1] Bei der Geburt ist die Vorhaut daher mit der Eichel verklebt und die Vorhautöffnung ist noch so verengt, dass die Eichel nicht hindurch passt. Vom Vorliegen dieser physiologischen Vorhautverklebung und -enge, oder auch physiologischen Phimose genannt, kann bei 96 % der neugeborenen Jungen ausgegangen werden. Sie ist harmlos und bedarf primär keiner Behandlung.[1][4] Die physiologische Phimose löst sich in der Regel von allein bis zum Abschluss der Pubertät.[1] Dies ist ein spontaner Prozess, der sich individuell sehr unterschiedlich vollzieht: Laut den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie und anderer Fachgesellschaften hat sich im Alter von 7 Jahren etwa bei der Hälfte und im Alter von 10 Jahren bei zwei Dritteln der Jungen die physiologische Phimose „weitgehend“ gelöst, sie ist aber auch bei 8 % der 13-Jährigen noch anzutreffen.[1] Mehrere Studien wurden in den letzten Jahrzehnten zur Vorhautentwicklung publiziert, die zeigen, dass die Ablösung der physiologischen Phimose bis zum Abschluss der Pubertät dauern kann. Bei einem hohen Anteil an Jungen (je nach Studie bis 58 %[5]) wird die Vorhaut erst im Verlauf der Pubertät (etwa 11. bis 17. Lebensjahr[6]) vollständig zurückziehbar:
Im Rahmen der Lösung der physiologischen Phimose kommt es häufig zu gelblich schimmernden Epithel-Talg-Retentionen (sog. Smegma-Retentionszysten oder Smegma-Perlen) als natürliches Entwicklungsphänomen. Diese bestehen aus Talgdrüsensekret und Abbauprodukten der Schleimhautzellen. Sie sind harmlos und nicht behandlungsbedürftig.[1] Ebenso kann die physiologische Phimose mit einer Ballonierung der Vorhaut bei der Miktion einhergehen. Dabei handelt es sich um ein harmloses Phänomen.[4][11] Die Ballonierung bei physiologischer Phimose führt zu keinen Beeinträchtigungen der Harnblase oder der Blasenentleerung. Patienten mit physiologischer Phimose und ballonierender Vorhaut weisen normale Harnwege, eine normale Blasenwanddicke, sowie normale maximale Harnflussraten auf.[11] Primäre PhimoseEine physiologische Phimose, die sich bis zum Abschluss der Pubertät nicht vollständig zurückgebildet hat, wird als primäre Phimose bezeichnet.[1][4] Die Ursache (Ätiologie) dieser Störung ist unbekannt.[1] Sekundäre PhimoseEine sekundäre Phimose, auch pathologische Phimose genannt, entsteht infolge einer Vernarbung der Penisvorhaut-Öffnung. Diese Vernarbung wiederum ist häufig die Folge von lokalen Entzündungen, traumatischen Retraktionsversuchen, oder von Lichen sclerosus, einer entzündlichen, nicht ansteckenden Hauterkrankung, die zu einer weißlich-derben Veränderung der Vorhaut führt.[1] Die sekundäre Phimose kennzeichnet sich durch einen narbigen Schnürring. Bei durch Lichen sclerosus verursachten sekundären Phimosen sind häufig weißliche Narben- und Plaquebildungen vorhanden.[1] Die Diagnostik besteht im Wesentlichen aus der Anamnese und der klinischen Untersuchung: Bei der klinischen Untersuchung muss ein narbiger Schnürring von einer narbenfreien, engen Vorhaut unterschieden werden. Ausgeprägte weißliche Narben- und Plaquebildungen sprechen für das Vorliegen eines Lichen sclerosus. Dieser kann auch die Epithel der Eichel (Glans penis) und die Harnröhre betreffen. Die Anamnese soll unter anderem Fragen nach Vorerkrankungen wie Harntransportstörungen, Harnwegsinfekten, Paraphimose, oder lokalen Entzündungen sowie klinischen Symptomen wie Schmerzen oder Auffälligkeiten des Harnstrahles umfassen.[1] ParaphimoseParaphimose, auch „spanischer Kragen“ genannt, bezeichnet einen urologischen Notfall, bei dem die gewaltsam zurückgezogene, verengte Vorhaut die Eichel (Glans penis) einklemmt. Es kommt zur Störung des Blutabflusses und schmerzhaftem Anschwellen von Vorhaut und Eichel. Wenn sich das Ödem nicht durch Druck und vorsichtige Massage beseitigen lässt, sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden. Dieser kann unter örtlicher Betäubung entweder die eingeklemmte Vorhaut oft erfolgreich wieder unblutig über die Eichel in die Normalposition vorziehen oder sie andernfalls operativ spalten (dorsale Inzision), um eine akute Schädigung der Eichel durch Mangeldurchblutung zu verhindern. Bei Nichtbehandlung droht neben starken Schmerzen auch durch Gangränbildung der Verlust der Eichel. BehandlungFür die Behandlung der Phimose stehen nach heutigem medizinischen Stand zwei Hauptverfahren offen: konservative (nichtoperative) und operative Behandlungen. Forschungsbemühungen der letzten Jahre machen deutlich, dass konservative Maßnahmen sehr kostengünstig und effektiv sein können.[12][13][14][15] IndikationLaut den aktuellen Phimose-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie und anderer Fachgesellschaften sollen Phimosen nicht allein aufgrund des Vorliegens einer Enge per se, sondern nur bei bestehenden oder unmittelbar zu erwartenden Beschwerden behandelt werden.[1] Der Behandlungsverlauf gemäß der Leitlinien lautet wie folgt:[1]
Lichen sclerosus bedingte sekundäre Phimosen stellen hinsichtlich des Behandlungsverlaufs einen Sonderfall dar. Gemäß den aktuellen Phimose-Leitlinien kann bei vorliegendem Lichen sclerosus entweder eine konservative Corticoidtherapie oder auch eine primäre operative Therapie vorgenommen werden. Die konservative Behandlung bei Lichen sclerosus sollte generell mittels hochpotenten Corticoiden (Clobetasolpropionat 0,05 %) erfolgen.[1] Die Erfolgsquoten der konservativen Behandlung sind bei einem Lichen sclerosus generell geringer.[16][17][18] Die operative Behandlung beschränkt sich auf die Zirkumzision, da vorhauterhaltende Verfahren (Vorhautplastiken) bei Lichen sclerosus aufgrund des erheblichen Rückfallrisikos nicht möglich sind.[1] Bei Jungen im Säuglingsalter, die rezidivierende Harnwegsinfekte und höhergradige angeborene Harntraktfehlbildungen (vesikorenaler Reflux Grad III oder höher) aufweisen, kann eine Zirkumzision als prophylaktische Maßnahme gegen Harnwegsinfekte sinnvoll sein. Eine Corticoidbehandlung hat in diesen Fällen vermutlich eine ähnliche Wirkung wie die Zirkumzision.[1] Konservative BehandlungDie sogenannte konservative, d. h. nicht operative Behandlung umfasst die Dehnung der Phimose oder das Lösen der Verklebung durch vorsichtiges Verschieben der Vorhaut, – soweit dies schmerzfrei und ohne Widerstand möglich ist – unter Aufbringung steroidhaltiger bzw. corticoidhaltiger Salbenpräparate. Diese Maßnahme wird über einen längeren Zeitraum durchgeführt und hat bei sachgerechter Durchführung keine Nebenwirkungen;[12] insbesondere stellt sie keinen schwer reversiblen Eingriff dar. Die Erfolgsquote bei der konservativen Behandlung von Phimosen mit Salbenpräparaten liegt laut Deutscher Gesellschaft für Kinderchirurgie und anderer Fachgesellschaften bei bis zu 90 Prozent.[1] Aufgrund ihrer Kosten-Nutzen-Bilanz werden konservative Verfahren heutzutage als Methode der Wahl zur Behandlung von Phimosen vorgeschlagen.[19] Operative BehandlungOperative Behandlungen bei Kindern sollten gemäß der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie unter Allgemeinanästhesie (Narkose) erfolgen, ergänzt durch regionalanästhetische Verfahren zur Reduktion der benötigten Narkosegase und zur Verminderung des postoperativen Wundschmerzes.[1] Technisch unterscheidet man zwischen verschiedenen Operationsprinzipien, bei denen die Vorhaut entweder operativ geweitet (Vorhautplastik) oder aber vollständig oder teilweise entfernt wird (Zirkumzision). PräputiumplastikEine Präputiumplastik oder Vorhautplastik bezeichnet eine Operationsmethode, bei der die Vorhaut vollständig erhalten bleibt. Hierbei werden ein kosmetisch gutes Operationsergebnis und eine vollständige Erhaltung der Vorhaut erreicht. Das Grundprinzip vieler dieser Vorhautplastiken besteht in einem oder mehreren kleinen Längsschnitten (Inzisionen) und der anschließenden Quervernähung der Wunddefekte. Man unterscheidet zwischen verschiedenen Operationsverfahren:
Bei durch Lichen sclerosus verursachten sekundären Phimosen können vorhauterhaltende Verfahren allerdings nicht zur Anwendung kommen, weil diese die ursächliche Hauterkrankung nicht beseitigen und somit ein erhebliches Rückfallrisiko besteht.[1] Wenn nach einer erfolglosen Dehnungstherapie mit corticoidhaltiger Salbe ein operativer Eingriff unumgänglich wird, ist eine Präputiumplastik aufgrund ihrer geringeren Morbidität, geringeren Komplikationsrate und niedrigeren Kosten der klassischen Zirkumzision immer vorzuziehen.[20][21]
ZirkumzisionBei der Zirkumzision wird die Vorhaut, je nach medizinischer Notwendigkeit, gegebenenfalls unter Einbeziehung kosmetischer Aspekte oder dem Wunsch des Patienten oder seiner Sorgeberechtigten, entweder ganz entfernt (radikale Zirkumzision) oder aber nur der vordere verengte Teil der Vorhaut reseziert (partielle Zirkumzision). Die Zirkumzision ist indiziert bei schweren Fällen von sekundärer Phimose, bei denen eine konservative Therapie mit steroid-haltiger Salbe zuvor keinen Heilungserfolg brachte und eine vorhauterhaltende Präputiumplastik primär nicht erfolgversprechend ist (beispielsweise bei Lichen sclerosus). Komplikationen operativer VerfahrenDas spezifische Risiko partiell resezierender bzw. vorhauterhaltender Verfahren liegt in der Möglichkeit des Auftretens narbiger Rezidiv-Phimosen.[1] Zirkumzisionen sind mit einer signifikanten Komplikationsrate behaftet. Auch unter optimalen Bedingungen in einem qualifizierten chirurgischen Zentrum ist mit einer Komplikationsrate von etwa 5 % zu rechnen.[1] Diese umfassen Nachblutungen, Wundinfektionen, sowie Penisdeviationen/-torsionen. Weitere Komplikationen sind Verletzungen der Eichel bis hin zu Amputationen oder Urethralfisteln. Besondere Beachtung verlangt die Meatusstenose (Verengung der Harnröhrenöffnung). Die Häufigkeit dieser Komplikation ist besonders bei Zirkumzisionen im Neugeborenenalter erhöht.[1] Die Vorhaut, die bei einer korrekt durchgeführten Zirkumzision entfernt wird, entspricht bis zu 50 % der am Penis befindlichen Haut. Sie besitzt eine große Anzahl an spezialisierten Nervenendigungen wie Merkel-Zellen, Vater-Pacini-Körperchen und Meissner-Tastkörperchen und ist aufgrund ihrer nervalen Ausstattung sehr sensibel. Ihre Entfernung hat einen messbaren Sensibilitätsverlust zur Folge. Dadurch lassen sich negative Auswirkungen der Zirkumzision auf das sexuelle Erleben als Komplikation erklären.[1] Laut Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie soll daher vor Durchführung einer Zirkumzision darüber aufgeklärt werden, dass es durch den bei der Beschneidung resultierenden Hautverlust zu einem Sensibilitätsverlust kommen kann, der wiederum möglicherweise das spätere Sexualleben beeinflusst.[1] Eingriffe am Genitale bei Kindern können auch psychische Langzeitfolgen haben. Entwicklungsbedingte psychosexuelle Konflikte von Kindern können verstärkt werden und die Entwicklung von Angst- und Verhaltensstörungen bedingen.[1] Verkürztes Vorhautbändchen (Frenulum breve)Neben der Vorhautverengung kann auch ein verkürztes Vorhautbändchen Grund für Schwierigkeiten beim Zurückziehen der Vorhaut sein. Man spricht dann vom Frenulum breve. Literatur
Dokumentationen
WeblinksCommons: Phimose – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Phimose – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Einzelnachweise
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