Als Pfeilgift werden Gifte bezeichnet, die von verschiedenen Wildbeutergruppen zur Jagd mit Bogen oder Blasrohr auf ihre Pfeilspitzen (Bogen- oder Blasrohrpfeile) aufgetragen werden. Viele Gifte sind Nervengifte, die ihre (muskellähmende) Wirkung nur dann entfalten, wenn die Substanz in die Blutbahn gerät. Bei enteraler Aufnahme (über den Magen-Darm-Trakt), z. B. bei Verzehr eines damit erlegten Tieres, sind diese Pfeilgifte in der Regel ohne toxische Auswirkungen. Andere Pfeilgifte führen zum Herzstillstand oder zu inneren Blutungen.[1]
Pfeilgifte umfassen sehr verschiedene chemische Stoffklassen und haben dadurch unterschiedliche Wirkungsweisen. Pfeilgiftpräparate sind meist Mischungen von verschiedenen Komponenten. Eine Auflistung von 28 pflanzlichen und tierischen Ausgangsmaterialien und ihre Toxinzusammensetzungen findet sich bei Justin Bradfield et al.[2]
Auf der Nordhalbkugel wurden aus Germer-Arten das Protoveratrin und Germerin gewonnen. Der Weiße Germer wächst im Alpenraum und in Osteuropa. Symptome der Vergiftung sind Muskelkrämpfe, Halluzinationen, Atemnot und schließlich der Kreislaufkollaps. Das stärkste pflanzliche Pfeilgift der Nordhalbkugel (Europa, China) ist das Aconitin aus dem Eisenhut. Typische Vergiftungserscheinungen des Blauen Eisenhuts sind Kreislauf- und Atemlähmung.
In der Odyssee, die vom griechischen Dichter Homer im 8. Jahrhundert v. Chr. verfasst wurde, beschreibt dieser, dass der Held Odysseus seine Pfeile mit pflanzlichem Gift versetzt habe. Nach neuzeitlicher Interpretation wird dafür die Orientalische Nieswurz (Helleborus orientalis) wahrscheinlich gemacht.[5] Aus der griechischen Bezeichnung τοξικόν φάρμακονtoxikón phármakon für das Pfeilgift (altgriechischτόξονtoxon „Bogen“, im Plural verallgemeinert meist „Pfeil und Bogen“) wurde später für Gifte im Allgemeinen das Wort „Toxikon“ gebildet, das den Wortstamm der Toxikologie bildet.[6]
In Westafrika (Togo) wurde Pflanzengift zusammen mit Schlangengift gemischt. Bei den San in Südwestafrika wurden die zerdrückten Larven des Gefleckten Pfeilgiftkäfers verwendet, zum Teil gemischt mit den gerösteten Samen der Swartzia.
In Afrika wird auch ein Extrakt aus der Krokodilgalle verwendet.
Literatur
N. G. Bisset: Arrow and dart poisons. In: J Ethnopharmacol, Band 25(1), 1989, S. 1–41. Review. PMID 2654488 (eine Übersicht zu Geschichte, Chemie und Ethnopharmakologie von tierischen und pflanzlichen Pfeilgiften, mit umfangreicher Literatursammlung).
Louis Lewin: Die Pfeilgifte – Nach eigenen toxikologischen und ethnologischen Untersuchungen. Gerstenberg, Hildesheim 1984 (Reprint der Ausgabe von 1923), ISBN 3-8067-2021-5.
Hans Dieter Neuwinger: Afrikanische Arzneipflanzen und Jagdgifte. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1994, ISBN 3-8047-1314-9.
Bernhard Witkop: Neuere Arbeiten über Pfeilgifte. In: Die Chemie (Angewandte Chemie, neue Folge), 55 (11/12), S. 85–90 (1942).
↑H. Orth, I. Kis: Schmerzbekämpfung und Narkose. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 1–32, hier: S. 23 und 26.
↑Curare. Pfeilgift. In: Henriette’s Herbal Homepage. Abgerufen am 7. Januar 2020.
↑Oswald Schmiedeberg: Über die Pharmaka in der Ilias und Odyssee. (Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg, 36. Heft). Straßburg, Verlag Karl J. Trübner, 1918, 29 S.
↑Die Pfeilgifte. In: Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medicin. Volume 136, Issue 1, April 1894, S.83–126.