Palatin (Kragen)Als Palatin oder Palatine[1] wurde im 17. bis 19. Jahrhundert ein zu der Zeit viel getragener tuchartiger Umhängekragen bezeichnet.[2][3] Der Begriff ist nicht direkt aus dem lateinischen „palatinus“ entstanden, sondern geht auf die französische Zwischenform „palatine“, „Pelzkragen“, „Kragentuch“ zurück. Die Kragenform ist eigentlich der altpfälzischen Tracht entnommen. Lieselotte von der Pfalz (* 1652; † 1722) hat bei ihrer Heirat mit Herzog Philipp I. von Orléans diese Pelzkragen aus ihrer Heimat mitgebracht und am französischen Hof populär gemacht. Gemäß seiner pfälzischen Herkunft wurde er dort als „palatines“ bezeichnet (Palatinat = Pfalz).[4] Eigentlich in Europa als Pelzaccessoire längst bekannt, kehrte er, um einige Verfeinerungen ergänzt, als Modekragen unter dem Namen Palatin dann nach Deutschland zurück.[5][6] Francis Weiss, ein englischer Pelzhändler und Autor, vermutet, dass der Pelzkragen der Lieselotte von der Pfalz eigentlich ein Pelzkollier, ein in Tierform gearbeiteter Kragen, aus Zobelfell gewesen ist. Die oftmals kunstvoll garnierten Fellkolliers bis zu dieser Zeit sind auch als Flohpelze bekannt. Lieselotte schrieb am 14. Dezember 1697 an ihre Tante Sophie, Kurfürstin von Hannover:
Der Kragen wird im Deutschen 1715 erstmals unter dem Namen Palatin erwähnt, im „Nutzbaren, galanten und curiösen Frauenzimmer-Lexikon“ von Gottlieb Siegmund Corvinus, herausgegeben in Leipzig. 1776 veröffentlichte Heinrich Leopold Wagner das Trauerspiel Die Kindsmörderin. Darin kennzeichnet Frau Humbrecht ihren an Mode desinteressierten Gatten, den Metzger Martin Humbrecht mit folgenden Worten:
In den 1820er Jahren wurde es in Frankreich plötzlich Mode, dass sich die Damen mit Palatinen aus schwarzem Katzenfell schmückten, eine Mode, die sich schnell nach Osten ausbreitete, aber nicht lange anhielt. Zumindest im modebewussten Petersburg waren Palatinen aus so genannten Genottenkatzen bald darauf wieder verschwunden.[8] Im milderen Klima Frankreichs wurden bald auch leichte Hals- und Brusttücher aus Seide und durchsichtigen Geweben als palatines bezeichnet.[9] Friedrich Hottenroth bildete in seinem Handbuch der Deutschen Tracht eine schulterbreite Palatine ab, die vorn in zwei Schal-Enden übergeht. Sie war Mitte der 1920er Jahre aus dem neu für die Mode entdeckten, grauen südamerikanischen Chinchillafell gearbeitet.[10] Der im 18. Jahrhundert viel gelesene Schriftsteller Gottlieb Wilhelm Rabener (* 1714; † 1771) legt in einer seiner Satiren Wert darauf, dass die „Frauenzimmerseelen keine Halstücher, sondern wenn es hochkommt, nur flüchtige Palatinen tragen“. Bruno Schier versucht in seiner Arbeit Namen und Sachgeschichte des Kleidungsstück Palatin den Wandel von einem warmen Kleidungsstück zu etwas nunmehr Hauchdünnem, Luftigem mit einer „geschickten Andeutung“ von Rabener in einem Zitat einer anderen Stelle zu erklären: „Er schielt nach dem Palatine und wird so heiß vor Liebe, daß er schmelzen möchte“.[11] Im Geiste des französischen A la Mode-Wesens war der Palatin zu einem Gegenstand modischer Koketterie geworden. Weitere Erwähnungen finden sich im komischen Heldengedicht des Justus Friedrich Wilhelm Zachariae (* 1726; † 1777), „ein zartes Palatin, zu dünn, etwas zu decken“[12] und 1771 bei Christoph Martin Wieland im Neuen Amadis, mit der „bösen Gewohnheit“, „nach Paladinen, die sich ein wenig verschoben, zu schielen“.[13] Jedoch hält der junge Goethe ein „gemalt neumodisch Band, die leichsten Palatinen“ selbst bei den kühnsten Kleiderausschnitten noch für ausreichend.[14] Mit dem Verschwinden des tiefen Dekolletés verschwand in den beiden letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts auch der Palatin. Er wurde zunehmend durch die Follette ersetzt, ein dreieckig gefaltetes, vorn übereinander geschlagenes Halstuch aus leichten Stoffen, und sein Name geriet allmählich weitgehend in Vergessenheit.[5] Weblinks
Belege
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