Die kontinentale, fränkische Illustrationskunst der zweiten Hälfte des siebten und des achten Jahrhunderts wird als merowingischeBuchmalerei bezeichnet. Ornamental gestaltete, an die Buchmalerei der Spätantike anknüpfende Initialen, die mit Lineal und Zirkel konstruiert wurden, und Titelbilder mit Arkaden sowie eingestelltem Kreuz sind fast die einzige Illustrationsform, figürliche Darstellungen fehlen beinahe völlig. Seit dem achten Jahrhundert treten zunehmend zoomorphe Ornamente auf, die so dominant werden, dass etwa in Handschriften aus dem Frauenkloster Chelles ganze Zeilen ausschließlich aus Buchstaben bestehen, die aus Tieren gebildet sind. Im Gegensatz zur zeitgleichen insularen Buchmalerei mit dessen wuchernder Ornamentik strebte die merowingische nach einer klaren Ordnung des Blattes.
Eines der ältesten und produktivsten Skriptorien war das des 590 von dem irischen Mönch Columban gegründeten Klosters Luxeuil, das 732 zerstört wurde. Die 662 gegründete Abtei Corbie entwickelte einen ausgeprägten eigenen Illustrationsstil, Chelles und Laon waren weitere Zentren der merowingischen Buchillustration. Ab der Mitte des achten Jahrhunderts wurde diese stark von der insularen Buchmalerei beeinflusst. Ein Evangeliar aus Echternach (Trier, Dombibliothek, Cod. 61 olim 134.) beweist, dass es in diesem Kloster zu einer Zusammenarbeit irischer und merowingischer Schreiber und Buchmaler gekommen ist. Die Klostergründung Willibrords beeinflusste die kontinentale Buchmalerei stark und trug die irische Kultur in das Merowingerreich.
Ernst Heinrich Zimmermann: Vorkarolingische Miniaturen (= Denkmäler deutscher Kunst. III. Sektion: Malerei 1). Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, Berlin 1916 (Digitalisat).
Arthur Haseloff: Die vorkarolingische Buchmalerei im Lichte der großen Veröffentlichung des Deutschen Vereins. In: Repertorium für Kunstwissenschaft 42, 1920, S. 164–219.
Otto Pächt: Buchmalerei des Mittelalters. Eine Einführung. Hrsg. von Dagmar Thoss. Prestel, München 1984, ISBN 978-3-7913-2455-5.
Ernst Günther Grimme: Die Geschichte der abendländischen Buchmalerei. 3. Auflage. Köln, DuMont 1988. ISBN 3-7701-1076-5.
Christine Jakobi-Mirwald: Das mittelalterliche Buch. Funktion und Ausstattung. Stuttgart, Reclam 2004. ISBN 978-3-15-018315-1, (Reclams Universal-Bibliothek 18315), (besonders Kapitel Geschichte der europäischen Buchmalerei S. 222–278).
Buchmalerei. In: Severin Corsten / Günther Pflug / Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller (Hrsg.): Lexikon des Mittelalters Band 2: Bettlerwesen bis Codex von Valencia. Lizenzausgabe. Unveränderter Nachdruck der Studienausgabe 1999. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-22804-1, Sp. 837–893, (Beiträge von K. Bierbrauer, Ø. Hjort, Otto Mazal, Dagmar Thoss, G. Dogaer, J. Backhouse, G. Dalli Regoli, H. Künzl).
Ingo F. Walther / Norbert Wolf: Codices illustres. Die schönsten illuminierten Handschriften der Welt. Meisterwerke der Buchmalerei. 400 bis 1600. Taschen, Köln u. a. 2005, ISBN 3-8228-4747-X.