Mastigamoeba balamuthi
Mastigamoeba balamuthi (früher auch Phreatamoeba balamuthi, einschl. Amoeba sp. ATCC 30984) ist eine Spezies (Art) der Gattung Mastigamoeba.[1][2][3][4][5] Die Organismen von Mastigamoeba balamuthi sind freilebende amöboide, aber begeißelte Einzeller (Amöboflagellaten).[6] Sie sind die vermutlich am besten untersuchte Spezies der Gattung Mastigamoeba, da sie als Modellorganismus für Studien und Forschungen über amitochondriale (Mitochondrien-freie) Organismen dient.[7] Entdeckung und VorkommenMastigamoeba balamuthi wurde durch Chavez et al. 1986 aus einem öffentlichen Brunnen in Gambia isoliert.[5] BeschreibungM. balamuthi hat im Lebenszyklus mehrkernige amöboide Stadien mit einer Geißel sowie Zysten auf.[5] Die vorherrschende trophische Form ist die eines mehrkernigen Organismus, der bis zu 46 Kerne haben kann.[8] Die Vermehrung erfolgt durch Mitose und anschließende Knospung. Bei der mehrkernigen Form führt dies in der Regel zu einer ungleichen Anzahl von Kernen in den Tochterzellen.[8] Die Anpassung an eine Lebensweise unter anaeroben (sauerstofffreien) Bedingungen zeigt sich in der entwicklungsgeschichtlichen Umwandlung des Mitochondriums in ein Hydrogenosom, das typische Enzyme des anaeroben Energiestoffwechsels enthält;[7][5] zudem gibt es ein ebenfalls anaerobes Peroxisom.[5] Solche, von Mitochondrien (oder einem gemeinsamen Organell-Vorfahren) abgeleiteten Organellen, zu denen auch die sog. Mitosomen (die am stärksten reduzierten Form der Mitochondrien[5]) gehören, werden englisch als mitochondria-related organelles, MROs bezeichnet. Diese und weitere ungewöhnliche Merkmale teilt M. balamuthi mit der unbegeißelten Amöbe Entamoeba histolytica, die ebenfalls zu den Archamoebae klassifiziert wird. Man nimmt daher an, dass diese Merkmale höchstwahrscheinlich in der Stammlinie der Archamoebae oder bereits im letzten gemeinsamen anaeroben Vorfahren derselben (en. last common anaerobic ancestor of Archamoebae, LCAA) vorhanden waren.[9][5] Beispiele solcher Merkmale sind der Verlust des mitochondrialen Systems zum Aufbau von Eisen-Schwefel-Cluster (ISC, englisch mitochondrial iron–sulfur cluster assembly system). Dieses wurde durch ein nicht verwandtes System zur Stickstofffixierung (en. nitrogen fixation, NIF) ersetzt, das offenbar von ε-Proteobakterien durch horizontalen Gentransfer (HGT) erworben wurde (Gill et al. 2007; Nývltová et al. 2013).[10][5] Zudem kam es in der Evolution dieser Organismen allem Anschein nach auch zu einer Übernahme von Komponenten des Sulfataktivierungswegs (en. sulfate activation pathway), die sowohl in den Hydrogenosomen von M. balamuthi, als auch in den Mitosomen von E. histolytica, wirken (Mi-ichi et al. 2009; Nývltová et al. 2015).[5][11][12] Die Hydrogenosomen von M. balamuthi haben ihr früheres Genom und die Elektronentransportkette im Lauf der Evolution verloren. Sie dienen aber weiter der ATP-Produktion durch teilweise anaerobe Oxidation von Pyruvat und produzieren Wasserstoffgas als Nebenprodukt.[11][12] Einige Merkmale von M. balamuthi hängen mit ihrer freilebenden Lebensweise zusammen und fehlen daher bei E. histolytica aufgrund ihrer parasitischen Lebensweise. Ein Beispiel dafür ist der Erwerb von Enzymen (per HGT), welche die Produktion von bakterizidem p-Kresol. Diese stammen vermutlich von Bakterien der Ordnung Clostridiales und erlauben das Wachstum von Konkurrenten in der mikrobiellen Gemeinschaft zu unterdrücken (Nývltová et al. 2017). Die Unterschiede zwischen parasitären und freilebenden Archamoebae sind jedoch noch nicht systematisch untersucht worden (Stand 2021).[5] M. balamuthi fehlt ein identifizierbarer gestapelter Golgi-Apparat (englisch stacked Golgi), weshalb man früher annahm, dass dieses Organell fehlt. Mithilfe von Genomik und Immunmikroskopie konnten aber 2018 von Barlow et al. nicht-gestapelte Golgi identifiziert werden.[6] SystematikOneZoom gibt für die Spezies der Gattung Mastigamoeba und nahe verwandter Gattungen (11 Spezies der Familie Mastigamoebidae) folgende Phylogenie an (Stand 7. April 2022):[13]
Beim Vergleich mit den von Ptáčková et al. 2013 definierten Kladen Mastigamoebidae A und B ergibt sich eine beste Übereinstimmung, wenn man diese mit den oben mit „A“ und „B“ gekennzeichneten Zweigen identifiziert. Bei OneZoom steht die Spezies M. longifilum basal im Stammbaum der ganzen Gruppe (Familie),[13] und die Spezies M. errans wird abweichend an ganz anderer Stelle als nächster Verwandter der Gattung Vexillifera (Ordnung Dactylopodida) lokalisiert.[14] Einzelnachweise
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