Er ist der Sohn von Wilhelm Spitzer (1848–1919), einem Forstbesitzer und Holzindindustriellen aus Mähren und seiner Mutter Adele Wolf. Die Mutter starb früh und so wurde er vorwiegend von der Lebensgefährtin des Vaters, der Schauspielerin Antonie Janisch, auch kurz Tony genannt, erzogen.[3]
Spitzer besuchte zunächst die Volksschule und später das k.k. Franz Joseph-Gymnasium in Wien. Nach der Matura begann er im Jahre 1906 mit dem Studium der romanischen Philologie.
Als Schüler von Wilhelm Meyer-Lübke promovierte Leo Spitzer 1910 mit seiner Arbeit „Die Wortbildung als stilistisches Mittel exemplifiziert an Rabelais“. Spitzer lehrte zunächst als Privatdozent an der Universität Wien (1913) und war während des Ersten Weltkriegs bei der österreichischen Zensurbehörde tätig, wo er ab 1915 seine Zuständigkeit für die Briefe italienischer Kriegsgefangener für ausgiebige Analysen der Redensarten und Stilverfahren nutzte und somit die Diskursanalyse begründete. 1920 ging er nach Bonn und wurde 1925 ordentlicher Professor für romanische Sprachwissenschaft, zunächst an der Universität Marburg, dann (als Nachfolger von Etienne Lorck) an der Kölner Universität (1930). Dort war er auch an der Gründung des Portugiesisch-Brasilianischen Instituts (1932) beteiligt, das heute zu einem der wichtigen Zentren der deutschsprachigen Lusitanistik zählt.[4]
Entgegen seiner positivistisch geprägten Ausbildung schloss er sich in der Literaturforschung dem idealistischen Ansatz von Benedetto Croce und Karl Vossler an. Seine Methode geht von einer aufmerksamen, am Detail orientierten Lektüre aus, bei der das literaturwissenschaftliche und das sprachanalytische (linguistische) Textverständnis ineinander greifen bzw. sich zu einer stilistischen Auslegung der Literatur vereinen. Auf der Grundlage eines Vergleichs der formalen und sprachlichen Charakteristiken von Schriftstellern unterschiedlicher Epochen gelangt er so zu einer einheitlichen, allgemeingültigen Darstellung einzelner Autorenstile. Seine mehr intuitiv als empirisch vorgehende Textanalyse, die den kreativen Aspekt der Sprache hervorhebt, bezeichnet er selber als „Zirkel im Verstehen“.
Als sein Hauptwerk sind die beiden Bände der Stilstudien (1928) anzusehen.
Leo-Spitzer-Preis
Seit 2013 verleiht die Universität zu Köln im Rahmen des Förderkonzeptes Zukunftspreise den Leo-Spitzer-Preis sowie den Leo-Spitzer-Preis für Nachwuchswissenschaftler*innen im Bereich Geistes- und Humanwissenschaften. Die Fördersummen betragen 80.000 bzw. 40.000 €.[8]
Schriften (Auswahl)
Die Wortbildung als stilistisches Mittel exemplifiziert an Rabelais. Max Niemeyer, Halle 1910.
Interpretationen zur Geschichte der französischen Lyrik. Hrsg. von Helga Jauß-Meyer u. Peter Schunk. Selbstverlag des Romanischen Seminars der Universität Heidelberg 1961. (Aus Tonbandaufnahmen erstelltes Skriptum einer Gastvorlesung im Sommersemester 1958 an der Universität Heidelberg)
Der Stil Diderots (1948). In Jochen Schlobach (Hrsg.): Denis Diderot. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-09097-7.
E. Kristina Baer & Daisy E. Shenholm (Hrsg.): Leo Spitzer on Language and Literature. A Descriptive Bibliography. Modern Language Association, New York 1991
Wolfgang Bandhauer: Ideologiekritische Anmerkungen zu Elise Richter (in Konfrontation mit Leo Spitzer). In: Deutsche und österreichische Romanisten als Verfolgte des Nationalsozialismus. Hrsg. von Hans Helmut Christmann & Frank-Rutger Hausmann. Stauffenburg, Tübingen 1989, ISBN 3-923721-60-9, S. 231ff. (und passim, siehe Register, mit 37 Fundorten) Reihe: Romanica et comparatistica Bd. 10
James V. Catano: Language, history, style. Leo Spitzer and the critical tradition. Routledge, London 1988
Helmut Hatzfeld: Leo Spitzer (1887–1960). In: Hispanic Review. Band29, Nr.1, Januar 1961, ISSN0018-2176, S.54–57, JSTOR:471125 (englisch).
Frank-Rutger Hausmann: „Vom Strudel der Ereignisse verschlungen“. Deutsche Romanistik im „Dritten Reich“. 2. Auflage. Klostermann, Frankfurt am Main 2008, S. 309–336 ISBN 978-3-465-03584-8
Utz Maas: Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933–1945.Eintrag zu Leo Spitzer (abgerufen: 15. April 2018)
René Wellek: Leo Spitzer (1887–1960). In: Comparative Literature. Band12, Nr.4, 1960, S.310–334, JSTOR:1768560 (Nachruf).
↑Mitglieder der HAdW seit ihrer Gründung im Jahr 1909. Leo Spitzer. Heidelberger Akademie der Wissenschaften. In den fünfziger Jahren hielt er an verschiedenen deutschen Universitäten (z. B. Heidelberg und Freiburg) Gastvorlesungen., abgerufen am 13. Juni 2016.