Gumbrecht bewarb sich vergeblich um die Konstanzer Lehrstuhlnachfolge seines akademischen Lehrers Jauß. Er wurde 1989 auf den Lehrstuhl für Komparatistik an der Stanford University berufen, wo er Albert-Guérard-Professor für romanische Literatur am Department of Comparative Literature war. Seit März 2000 besitzt Gumbrecht die amerikanische Staatsbürgerschaft.[3] Sein 1997 zuerst auf Englisch erschienenes Werk In 1926: Living at the Edge of Time prägte ein seit den 2000er Jahren populäres Genre von Sachbüchern über einzelne Jahre.[4]
2009 trat er eine Gastprofessur an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen an, die später zu einer „ständigen Gastprofessur“ umgewandelt wurde, so dass der Literaturwissenschaftler regelmäßig für kurze Zeiträume an den Bodensee kommt, um Lehrveranstaltungen zu geben.[5] 2012 und 2013 war Gumbrecht Fellow des Kollegs Friedrich Nietzsche in Weimar, wo er unter dem Vorlesungstitel „Riskantes Denken“ seine Entwürfe einer „Genealogie des westlichen Intellektuellen“ vorstellte. 2018 wurde er in Stanford emeritiert.[6]
Gumbrecht hatte zahlreiche Gastprofessuren u. a. in[7][8]
Gumbrecht ist in zweiter Ehe verheiratet und Vater von vier Kindern.
Publizistische Positionen
Regelmäßig schreibt er für die Zeitungen NZZ, FAZ, Die Zeit und Die Welt. So schrieb er 2017 einen Artikel für die NZZ mit der Überschrift: „Schöner, softer Sozialdemokratismus“ und dem Zusatz „Überlegungen eines amerikanisierten Alteuropäers“.[12] Die „Mainstream-Intellektuellen“ bezeichnete er als „gebildete Halbgebildete“.[13] Seit 2012 schrieb er auf FAZ.net einen Blog Digital/Pausen, in dem er regelmäßig zu gesellschaftspolitischen Themen Stellung bezog. Im März 2018 trennte sich FAZ.net nach 273 Blogs überraschend aufgrund einer Neuausrichtung ihrer Blogseite von Gumbrecht und anderen Autoren wie Rainer Meyer („Don Alphonso“) und Carsten Knop.[14] Thomas Ribi hat Gumbrecht in der NZZ „einen der prägenden Intellektuellen unserer Zeit“ genannt.[15] Die NZZ bezeichnete ihn in einem Artikel anlässlich der Emeritierung als „antiakademischen Akademiker“.[16] Gumbrecht kritisiert den zeitgemäßen Moralismus als Verabsolutierung einer Hochmoral in den Bereichen der Gleichheit und Nachhaltigkeit: Die einen wollen „Ergebnisgleichheit in allen gesellschaftlichen Belangen um jeden Preis“, die anderen „die Erhaltung der Natur, ebenfalls um jeden Preis“.[17]
Ehrungen
1995: Stanford University Dean's Award for Distinguished Teaching in the School of Humanities and Sciences[8]
Nach 1945. Latenz als Ursprung der Gegenwart. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Frank Born. Suhrkamp, Berlin 2012, ISBN 978-3-518-42304-2.
Weltgeist im Silicon Valley: Leben und Denken im Zukunftsmodus. Hrsg. von René Scheu. NZZ Libro, Zürich 2018.
Brüchige Gegenwart. Reflexionen und Reaktionen. Hrsg. von René Scheu. Reclam-Verlag, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-15-019604-5.
Crowds. Das Stadion als Ritual von Intensität. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-465-04385-0.
Prosa der Welt. Denis Diderot und die Peripherie der Aufklärung. Aus dem Englischen von Michael Bischoff. Suhrkamp, Berlin 2020, ISBN 978-3-518-58757-7.[21]
Provinz. Von Orten des Denkens und der Leidenschaft. zu Klampen, Springe 2021, ISBN 978-3-86674-814-9.
Denk-Profile. Sechzehn Intellektuelle des langen 20. Jahrhunderts. Herausgegeben von René Scheu. Turia + Kant, Wien/Berlin 2022.
Das Ende von allem. Neun Betrachtungen und ein Essay Herausgegeben von René Scheu. Reclam, Stuttgart 2023.
mit Karl Ludwig Pfeiffer: Paradoxien, Dissonanzen, Zusammenbrüche. Situationen offener Epistemologie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-518-28525-4
mit Bernhard Siegert und Friedrich Kittler: Der Dichter als Kommandant. D’Annunzio erobert Fiume. München 1996.
Warum soll man die Geisteswissenschaften reformieren?: Eine etwas amerikanische Frage. Osnabrücker Universitätsreden, V&R unipress 2010, ISBN 978-3-89971-799-0.
„Wir sind von Vergangenheit überschwemmt.“ Zeitgeschichte. „Wie wir wurden, was wir sind.“ Interview Elke Dauk mit Hans Ulrich Gumbrecht zu seinem Buch: Nach 1945 – Latenz als Ursprung der Gegenwart. TAZ vom 17. Oktober 2012, S. 15, Online-Fassung: Historiker über deutsche Gegenwart, taz.de, 17. Oktober 2012.
Blog auf FAZ.net: Porträt, Artikelliste; etwa 120 Artikel seit Juni 2011, zum Beispiel:
Thomas Wirtz: Schwermut war es, nicht die scharfglänzende Schminke. In: FAZ. 20. März 2001 (faz.net – Rezension zu: H. U. Gumbrecht: 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit. Frankfurt am Main 2001).
Christoph von Wolzogen: Rezension zu: H. U. Gumbrecht: 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit. Frankfurt am Main 2001. In: Die Welt. 4. April 2001.
Manuel J. Hartung: Das Spiel mit Sepp. Er provoziert und polarisiert: Hans Ulrich Gumbrecht ist einer der wenigen deutschen Geisteswissenschaftler, die weltweit Gehör finden. In: Die Zeit. Nr.13/2007, 2007 (zeit.de – Porträt über Gumbrecht).
Rembert Hüser: „Etiketten aufkleben.“ In: Das Populäre der Gesellschaft: Systemtheorie und Populärkultur. Hg. v. Christian Huck und Carsten Zorn. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007, 239–260. Link
Trivia
Gumbrecht beschäftigt sich in seinen Beiträgen immer wieder mit der Rolle des Sports, er ist Anhänger des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund.[22]
Im Zuge der #metoo-Debatte berichtete er, auf eine missverständliche Signatur in seinen E-Mails hingewiesen worden zu sein: Eine Ombudsperson seiner Universität machte ihn darauf aufmerksam, dass seine Initialen HUG als „hug“ („Umarmung“) missverstanden werden könnten.[23]
↑René Scheu: Hans Ulrich Gumbrecht: «Ich arbeite so viel, dass es mir gelingt, die wirklich Begabten aus dem Feld zu schlagen» | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. 22. September 2018 (nzz.ch [abgerufen am 14. Dezember 2019]).
↑ abVita Hans Ulrich Gumbrecht. (PDF) Stiftung zur Förderung der Hochschulrektorenkonferenz, 28. März 2019, archiviert vom Original am 28. März 2019; abgerufen am 28. März 2019.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.hrk.de