Leo Roth (Kantor)Leo Roth (* 1921 in Graz; † 2004 in Baden-Baden) war ein österreichischer Chasan. Jugend und ExilLeo Roth wurde 1921 in Graz geboren. Seine Familie war polnisch-jüdischer Herkunft. Nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich Mitte März 1938 verschärften sich die zuvor schon bestehenden antisemitischen Anfeindungen, Benachteiligungen, Ausgrenzungen und gewalttätigen Vorfälle in seiner Heimat: Die Diskriminierung von Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Herkunft wurde in der sog. Ostmark offen zum Ziel staatlichen Handelns. Roth gehörte 1938 zu denjenigen, die durch einen Kindertransport nach Großbritannien vor weiterer Verfolgung geschützt werden konnten. Nach kurzem Aufenthalt wurde er allerdings wie einige andere exilierte Kinder mit dem Ziel Kanada erneut eingeschifft. Es folgte eine Irrfahrt, die stattdessen zunächst in Australien endete. Roth wurde in einem Lager interniert, konnte dann aber zu seinen inzwischen nach Shanghai emigrierten Eltern weiterreisen. Roths Freund Kurt Rudolf Fischer, der mit seinen Eltern nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ebenfalls noch nach Shanghai emigrieren konnte, schilderte später:[1]
Roths Familie gehörte zu denjenigen, die es sich wirtschaftlich leisten konnten, in der extraterritorialen Zone zu wohnen. Leo Roth schrieb sich als Student der Biologie ein. Ab Mitte 1943 ließ die japanische Besatzungsmacht allerdings alle nach 1937 nach Shanghai gekommenen Juden in ein eigenes Ghetto zusammenziehen.[2] Seit 1944 kam das Ghetto ungewollt auch unter Beschuss der US-amerikanischen Truppen. Als es am 3. September 1945 befreit wurde, kehrte Familie Roth über Großbritannien nach Österreich zurück. ChasanVerfolgung und Exil hatten bei Leo Roth dazu beigetragen, dass er sich der jüdischen Religion zuwandte. So versah er zunächst in seiner Geburtsstadt Graz den Gottesdienst. Noch in Shanghai war Kurt Rudolf Fischer aufgefallen, dass Leo Roth „eine ausgezeichnete Gesangsstimme besaß“. Roth wurde daher bald von Graz weg als Erster Kantor der jüdischen Gemeinde nach Wien berufen. 1957 wechselte er auf Werben von Heinz Galinski nach Berlin. Es war für ihn als Österreicher einfacher als für Deutsche, die damalige Grenze zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin einerseits und der Deutschen Demokratischen Republik und Ost-Berlin andererseits zu passieren. Daher war er ähnlich wie Estrongo Nachama bald in Synagogen beidseits der Grenze als Chasan tätig, so in der Synagoge Rykestraße in Prenzlauer Berg und in der Synagoge Pestalozzistraße in Berlin-Charlottenburg[3] sowie in der Synagoge Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg.[4] Pflege der synagogalen MusikLeo Roth erwarb sich mit seiner Tenor-Stimme allmählich ein umfangreiches Repertoire solistischer und konzertanter synagogaler Musik. Seine Darbietungen waren über Jahre hinweg fester Bestandteil der Sendungen zum Sabbat sowohl des (West-Berliner) Senders Freies Berlin als auch des (Ost-Berliner) Berliner Rundfunks. Außerdem schuf er auf den damaligen Medien ein umfangreiches Archiv synagogaler Musik, das nicht nur von west- und ostdeutschen Verlagen für den deutschen Sprachraum veröffentlicht wurde, sondern vereinzelt auch in Südeuropa, Latein- und Nordamerika. Besonders häufig trat er in der Synagoge Pestalozzistraße zusammen mit deren Chorleiter und Organisten Harry Foß[5][6] auf. Gemeinsam mit dem von Oberkantor Werner Sander[7] gegründeten, später von Helmut Klotz[8] geleiteten Leipziger Synagogalchor[9] sowie mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig hatte er viele Auftritte und machte Schallplattenaufnahmen. 1978 beteiligte Roth sich an der erneuten Ausgabe einer Studie des Berliner Chasans Aron Friedmann zu synagogalen Gesängen.[10] LebensabendLeo Roth verlebte seine letzten Jahre in Baden-Baden, wo er 2004 verstarb. Diskografie (Auswahl)Von und mit Leo Roth sind bisher mehr als 50 Werke in über 100 Veröffentlichungen und acht Sprachen verfügbar[11], darunter:
Filmografie
EhrenämterLeo Roth war Gründungsmitglied und bis zu seinem Tod Mitglied des Orpheus Trust, einer Stiftung mit einer bedeutenden Sammlung an Informationen zu vom NS-Regime verfolgten und vertriebenen Musikschaffenden mit Bezug zu Österreich.[12] MedienTondateien von Teilen oder ganzen Darbietungen Leon Roths sind gratis u. a. hier verfügbar: Weblinks
Einzelnachweise
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