Kolonialgeschichte der Stadt Köln![]() Köln war zu Zeiten des Imperialismus eine der wichtigen Handelsstädte des Deutschen Kaiserreichs, als solche war sie das rheinische Zentrum für Expeditionen und wissenschaftlichen Kolonialismus. Der „wissenschaftliche Kolonialismus“ und seine Kölner Akteure![]() ![]() Seit 1905 war die Stadt Köln mit einem Beitrag von jährlich 100 Mark Mitglied des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees (K.W.K.).[1] Im geschäftsführenden Ausschuss des K.W.K. waren unter anderen Richard Hindorf, Direktor der Rheinischen Handeï-Plantagen-Gesellschaft, und Max Esser, Gründer der Westafrikanischen Pflanzungsgesellschaft Victoria vertreten.[2] 1914 zählte das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee 1231 körperschaftliche Mitglieder. Auch folgende Kölner Unternehmen sind in einer Auflistung zu finden[1]:
Bedeutung für den Kolonialismus in Köln hatten vor allem August Reichensperger, Viktor C. Eduard Schnitzler, Gustav Michels, Eugen und Hans Langen und die Familie Leverkus. Konrad Adenauer, damals Oberbürgermeister Kölns und zusätzlich Geschäftsführender Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft von 1931 bis 1933, später Bundeskanzler, meinte einst:
Institutionen und Örtlichkeiten![]() Im Jahr 1884, zu Beginn der aktiven reichsdeutschen Kolonialpolitik, entstand die Kölner Ortsgruppe des Westdeutschen Vereins für Colonisation und Export mit anfänglich rund 100 Mitgliedern.[4] Die Jahrhundertwende brachte viele Neugründungen im Bereich der Handelshochschulen und Technischen Hochschulen mit sich, in Köln beispielsweise das heutige Hansagymnasium, die Handelshochschule und die Handelskammer, die alle Mitglieder der Deutschen Kolonialgesellschaft waren. Um das allgemeine Interesse der Bevölkerung an kolonialen Themen zu befriedigen, wurden diese an den Hochschulen als ergänzende Pflichtveranstaltungen eingeführt.[5] Die Verbindung zwischen Kölner Wissenschaft und deutschem Kolonialismus wurde weiter durch Verträge gesichert. Auch weite Teile des Lehrpersonals der Handelskammer, der Handelshochschule und anderer Einrichtungen gehörten der Deutschen Kolonialgesellschaft an, z. B. Christian Eckert, Kurt Wiedenfeld, Paul Moldenhauer, Oskar Jäger, Heinrich Geffcken, Otto Wilhelm Thomé und Richard Hindorf. Im „Oberen Gesellschaftssal“ des „Römergang“ fanden sich am Abend des 19. Oktober 1888 zahlreiche Bürger unterschiedlichster sozialer Herkunft ein, um die Gründung der Kölner Unterabteilung der Deutschen Kolonialgesellschaft zu vollziehen.[6] Die prokoloniale Propaganda der Kölnischen Zeitung![]() Die Kölnische Zeitung existierte zu Beginn des deutschen Kolonialismus bereits annähernd hundert Jahre und war als Informationsquelle fest im bürgerlichen bzw. nationalkonservativen Lager verankert. Wie der allgemeine Tenor in der westlichen Gesellschaft zur Jahrhundertwende waren auch die Artikel der Kölnischen Zeitung aus heutiger Sicht rassistisch, nationalistisch und euphemistisch. Der Redakteur der Zeitung, Prosper Müllendorf begleitete die Handelshochschule Köln auf der Ostafrika-Expedition von 1908 und referierte über „Das französische Kolonialreich in Westafrika“, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika, den „Geschädigten in DSW“, „Deutschlands nächste Pflichten in Südwest“, „Deutsch-Südwestafrika zur Zeit des Herero-Aufstandes“, „den Verkehrsmitteln des Kongostaats“, „Überblick über Entwicklung der afrikanischen Kolonien“, „Die neueste Entwicklung DOAs“, „Technik und Waren in DOA“ und „die Entwicklung in Britisch-Ostafrika“. Hugo Zöller hielt Vorträge für die Prokolonialen im Gürzenich zu „Land und Leuten von Samoa“; von Mach, ebenfalls Redakteur des Blattes trug über „eine deutsche Aufgabe in Transvaal“ vor.[7] Die Kölnische Zeitung konnte es sich mit ihrem Redakteur Hugo Zöller als eine der wenigen deutschen Zeitungen leisten, einen Korrespondenten in die Kolonien zu entsenden. Der damalige „koloniale Journalismus“ bestand in der Regel aus reinen Kopien von Artikeln aus führenden Zeitungen oder wurde aus zweiter Hand, etwa über Reisende, Händler oder Missionare, akquiriert.[8] In Anbetracht dessen, war der enthusiastische Kolonialfreund Zöller ein Glücksfall für die Kölnische Zeitung. Sie schickte ihren Redakteur 1879 auf kolonialwissenschaftliche Studienreise und 1884 bis 1885 nach Westafrika, um an der Seite des Reichskommissars Gustav Nachtigall aktiv an der Aneignung neuer Gebiete teilnehmen zu können. Zöller selbst beschrieb seinen Stil offen als „colonialpolitische Agitation“[9] die man als intensive Form politischer Propaganda verstehen kann. Die Art der Zöller‘schen Propaganda unterschied sich dabei je nach politischer Situation. Naturgemäß musste er sich vor der aktiven Expansion des Deutschen Kaiserreichs anderer propagandistischer Mittel bedienen als während der deutschen Kolonialzeit, während des Ersten Weltkriegs und der darauf folgenden Zeit des kolonialen Revisionismus. Köln als Ursprung der Mission![]() Die Stadt Köln war schon seit der Antike ein katholisches Zentrum nördlich der Alpen. Es liegt daher nahe, dass sich Missionare auch von dieser Stadt ins koloniale Afrika aufmachten. So wurde dort im Jahre 1888 der Afrika-Verein deutscher Katholiken (AVdK) gegründet. Den Vorsitz des Vereins hatte über Jahre hinweg der Kölner Domkapitular Franz Karl Hespers inne, welcher ebenfalls Mitglied der Deutschen Kolonialgesellschaft war. Der AVdK stand unter dem Schutz des Kölner Erzbischofs und war angeregt durch die von Kardinal Lavigerie in Frankreich ins Leben gerufene „Antisklavereibewegung“.[10] Das Ziel des AVdK war „die Civilisation der Neger durch Bekehrung zum Christenthum“. Zunächst beschränkte man sich auf Deutsch-Ostafrika, später weitete man das Engagement auf die anderen Kolonien aus.[10] Paul zu Lukuledi aus der Missionarsstation von St. Peter vermerkte:
Der von der katholischen Kirche seit 2003 als heilig verehrte Daniele Comboni warb in Köln für die Afrikamission und erfuhr hierfür von der AVdK direkte Unterstützung.[11] Am 18. Mai 1920 wurde der AVdK aufgelöst. Die neokolonialen Gedanken zur Erneuerung des Vereins fast vierzig Jahre darauf wurden jedoch nie umgesetzt.[10] Neben dem AVdK bestanden auch ein Evangelischer Afrikaverein und die Rheinische Missionsgesellschaft. Ostafrika-Expedition der Kölner Handelshochschule 1908![]() Die drei Professoren Paul Moldenhauer (Versicherungswissenschaften), Heinrich Geffcken (öffentliches Recht) und Kurt Wiedenfeld (Staatswissenschaften) machten sich in der vorlesungsfreien Zeit 1908 (2. August. bis 15. Oktober 1908) mit 25 Studenten, einem Arzt und ihrem Expeditionsleiter, dem Studiendirektor der Handelshochschule, Christian Eckert und dessen Frau auf, Afrika, als erste akademische Institutionen Deutschlands, wissenschaftlich zu „erobern“. Als Berichterstatter für die mit dem Reichskolonialamt geplante „Kolonialfahrt“ war Prosper Müllendorff für die Kölnische Zeitung, das wichtigste prokoloniale Blatt Deutschlands, Teil der Expedition.[5] Christian Eckert begründete die Fahrt wie folgt:
Der erste Abschnitt der Expedition war Britisch-Ostafrika einschl. Uganda, zu ihm wurde von Neapel aus losgezogen; es ging mit dem Dampfer Markgraf der Deutschen Ost-Afrika-Linie nach Mombasa und von dort mit der Ugandabahn nach Kisumu zu einer 10-tägigen Rundreise um den Viktoriasee. Von dort ging es dann über Nairobi zurück nach Mombasa, um dann mit dem Regierungsdampfer Kaiser Wilhelm II nach Tanga, wo der Abschnitt Deutsch-Ostafrika begann, abzulegen. Zusätzlich standen noch Usambara, Sansibar und Morogoro auf dem Programm, bevor von Dar es Salaam aus die Rückreise angetreten wurde. Es wurde also ein Vergleich der Kolonien angestrebt.[5] Besichtigt wurden Pflanzungen, Plantagen und Wirtschaftsbetriebe.[5] Afrikaner aus den Kolonien in KölnDie „Amazonen von Dahomey“![]() 1890 wurden die „Dahomey-Amazonen“, ein Corps aus Männern und Frauen aus dem deutschen Togo, das in exotischen Kostümen aufzutreten pflegte, in Köln zur Schau gestellt. Das Corps war bis 1908 insgesamt viermal in unterschiedlicher Besetzung in Köln zu sehen. Der Kölner Stadt-Anzeiger schrieb über die „Soldaten im Unterrock“:„Die Kriegerinnen sind schlaue, zumeist wohlgebildete kastanienbraune Gestalten, nur eine oder zwei haben eine lichtere, einige auch dunklere Farbe. Sie tragen eine Art Mieder, welches die Brust bedeckt und mit kleinen weißen Kauri-Muscheln verziert, Amulette, die am Halse und auf der Brust getragen werden, gehören mit zu dem Schmuck der schwarzbraunen Damen.“[13] Eine sechzehnjährige „Amazone“ starb 1898 an einer Lungenentzündung im Kölner Bürgerhospital in der Cäcilienstraße. Sie wurde unter großer Aufmerksamkeit der lokalen Presse auf dem Melatenfriedhof beigesetzt: „Gestern nach Allerseelen fand auf dem Friedhof zu Melaten ein seltenes Begräbnis statt. Eine Amazone der Truppe, die in Castans Panopticum ihre Vorstellung gibt, war vorige Woche plötzlich an Lungenentzündung erkrankt. Der behandelnde Arzt ordnete Unterbringung in das hiesige Bürgerhospital an. Die Krankheit verschlimmerte sich und am Samstag raffte der Tod das sonst kräftige Mädchen dahin. [...] Auf Montag war die Beerdigung angesetzt.“[14] Samoaner im Kölner ZooIm Juli 1901 fand im Zoologischen Garten zu Köln eine Völkerschau von 26 Samoanern einschl. des Häuptlings Tamasese Le Alofi II. und von Mitgliedern seiner Familie sowie anderer Adelsfamilien der Inseln statt. Der Aufsichtsrat und der Vorstand gaben hierzu bekannt:
Mehrfach am Tag mussten die menschlichen Exponate Tänze und Waffenspiele vorführen, zweimal wöchentlich ein ganzes Schwein in einer mit Blättern und heißen Steinen gefüllten Bratgrube zubereiten und das Publikum mit Kostproben erfreuen. Obendrein war als zusätzliche Attraktion eine Rutsche installiert worden, auf der die leicht mit Bastrock und Blumenkette bekleideten Samoaner in ein Wasserbecken glitten und herum schwammen oder in Kanus ruderten.[15] Das Ausstellungskonzept stammte von Carl Marquardt und seinem Bruder Fritz, der als ehemaliger Polizeipräsident von Apia auf Samoa beste Beziehungen zur deutschen Kolonie besaß. Ausstellungen exotischer Menschen waren seit ihrer Einführung auf den Weltausstellungen schon länger bekannt und popularisierten im Zeitalter des europäischen Kolonialismus das Bild des „gezähmten Wilden“ oder auch der neuen „Landsleute“.[15] Zu Beginn der Ausstellung hob der Kölner Stadt-Anzeiger (6. Juli 1910) die Vorzüge von Ausstellung und Ausstellern hervor:
Darüber hinaus lobte der anonyme Verfasser des Artikels den ethnologischen Wert der Veranstaltung:
Aufnahme des reichsdeutschen Kolonialismus im Kölner Karneval![]() Die prokoloniale Kölnische Zeitung hatte kurz vor der Karnevalssession 1884/1885 die Reiseberichte des Geografen und Ethnologen Wilhelm Joest herausgebracht, diese erfreuten sich großer Aufmerksamkeit unter der Kölner Bürgerschaft. Joest hatte über den Zeitraum eines Jahres das südöstliche Afrika bereist; zusätzlich fallen in das Jahr viele bedeutende Ereignisse der deutschen Kolonialpolitik (Deutsch-Südwest-Afrika wird gegründet, Carl Peters begründet die Gesellschaft für deutsche Kolonisation, die Kongo-Konferenz findet statt). Das Zugmotto der Session lautete: „Held Carneval als Colonisator“; sämtliche Rosenmontagsteilnehmer waren mit schwarzer Schuhcreme als „Neger“ verkleidet. Auf dem Titelblatt der Session wird die „Colonia Agrippina“ mit der neu gewonnenen „Colonia Anna Bequema“ in Bezug gesetzt, hinter „Anna Bequema“ verbirgt sich „Angra Pequeña“, der alte portugiesische Name der Küstenregion in Südwest-Afrika, der späteren „Lüderitzbucht“.[16] Zu dem mit Pickelhauben bekleideten „Amazonen-Musikkorps“ schrieb die Kölnische Zeitung:
Orte, die an den Kolonialismus Deutschlands in Köln erinnernIm Nippeser Norden liegt das sogenannte „Afrika-Viertel“ (auch Klein Afrika, Heia Safari-Viertel oder Neger-Viertel), in der in Köln stark vertretenen neokolonialen Bewegung der 1930er Jahre wurde es so (mitsamt den Straßennamen) getauft. Die Gustav-Nachtigal-Straße, die Namibiastraße (ehemals Carl-Peters-Straße), die Usambarastraße (ehemals Lüderitzstraße), die Togostraße, die Kamerunstraße und die Tangastraße sind entsprechende Reminiszenzen.[17] In (Neu)ehrenfeld erinnern die Gravenreuthstraße, die Lansstraße, die Iltisstraße, die Takustraße, der Takuplatz, das Takufeld und die Wißmannstraße an die imperialistischen Zeiten des Deutschen Reiches.[18] 2024 beschloss die Bezirksvertretung Ehrenfeld die Umbenennung von Wißmannstraße und Gravenreuthstraße, wozu Vorschläge aus der Bevölkerung gesammelt wurden.[19] Andere Orte in Köln mit vergleichbaren Namen sind die Heinrich-von-Stephan-Straße (Bilderstöckchen), das Konrad-Adenauer-Ufer (Altstadt/Nord), die Mohrenstraße (Altstadt/Nord), die Moltkestraße (Neustadt/Süd und Rodenkirchen), die Robert-Koch-Straße (Lindenthal und Pesch), die Wilhelmstraße (Nippes) und die Geschwister-Scholl-Realschule (ehemals nach Karl Freiherr von Gravenreuth benannt).[18] (Weiterführende) Literatur
Mitgliederverzeichnisse
Fußnoten
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