Kastell Ad Militare
Das Kastell Ad Militare war ein römisches Militärlager, dessen Besatzung für Sicherungs- und Überwachungsaufgaben am Limes Pannonicus zuständig war. Die Anlage befand sich in der Antike auf einem über dem rechten Donauhochufer gelegenen Höhenzug. Der Strom bildete in weiten Abschnitten die römische Reichsgrenze. Die weitgehend unbekannten Reste des Kastells befinden sich auf den Gemarkungen der kroatischen Ortschaft Batina (Kiskőszeg) in der Gespanschaft Osijek-Baranja. Lage![]() ![]() ![]() Auf der Lößhochebene des Gradac-Hügels, der in seiner Verlängerung nach Südwesten die Hügelkette der Banska kosa bildet, die von den Römern Aureus Mons (Goldener Berg) genannt wurde, lassen sich für die Forschung wichtige vorgeschichtlichen Spuren von Höhensiedlungen der Bronze- und Eisenzeit nachweisen. Das römische Militär wählte die Anhöhe aus strategischen Überlegungen. Das Kastell lag mit seinem Stabsgebäude (Principia) auf der leicht abschüssigen, gerundeten Hügelkuppe bei rund 162 Höhenmetern. Von dieser Stelle aus fällt das Land nach Westen, Norden und Osten um rund 70 Meter ab. Richtung Südwesten setzt sich der länglich ausgeformte Hügel zunächst fort, um anschließend sanft abzuflachen. Auch nach Nordosten, zum nahegelegenen Siegesdenkmal über der Donau, senkt sich die Kuppe um fast 30 Meter. An der nun folgenden Abbruchkante des Hügels stürzt eine steile Klippe 50 Meter tief zum Hochufer in Unterhanglage ab. Vom Gradac-Plateau aus konnte ein weites Umland, darunter auch das weitgehend flache, am anderen Ufer der Donau gelegene Barbaricum in nördlicher, östlicher und südöstlicher Richtung eingesehen werden. Dort lebten seit dem ersten Jahrhundert n. Chr. die sarmatischen Jazygen, ein über Jahrhunderte hinweg gefährlicher Gegner Roms.[1] Durch seine weit erhöhte Lage war die Fortifikation vor Hochwässern sicher, die das in der Antike von vielen Altarmen und Auen durchzogene Land überschwemmen konnten. ForschungsgeschichteDer Kastellort wurde bereits im 19. Jahrhundert von ungarischen Forschern erstmals untersucht. Der Heimatforscher Elek Fényes (1807–1876) berichtete, dass er auf dem Hügel noch aufrecht stehende Ruinen des Kastells gesehen habe. Nach seiner Beschreibung lag der als alte Burg bekannte Ort südwestlich des damaligen Dorfes Kiskőszeg, dem heutigen Batina. Auch der ungarische Archäologiepionier Flóris Rómer (1815–1889) stellte in der Folge noch Baureste an dieser Stelle fest und barg einige gestempelte Ziegel.[2] Nachdem Ungarn aufgrund des Vertrags von Trianon 1920 seine südlichen Gebiete an den neugegründeten SHS-Staat abtreten musste, wurden zuerst jugoslawische und seit den 1990er Jahren kroatische Behörden für die Fundstelle verantwortlich. Die durch ungarische Archäologen auch an der Nordspitze des Gradac-Plateaus entdeckten römischen Baureste wurden 1947 während der Errichtung eines monumentalen sowjetisch-jugoslawischen Freiheitsmonumentes vernichtet.[3] Im Herbst 1970 fand die bis heute umfangreichste Grabung, ein amerikanisch-jugoslawisches Projekt unter Beteiligung der Smithsonian Institution, Washington, D.C.[4] auf der Anhöhe statt, das von den Archäologen Stephan Foltiny und Ksenija Vinski-Gasparini geleitet wurde. Diese Grabung blieb bislang unpubliziert. Noch im Herbst desselben Jahres wurden unter der Leitung der Archäologin Danica Pinterović an zwei Punkten entlang der nordöstlich zum Freiheitsdenkmal verlaufenden Straße insgesamt 20 Sondagen vorgenommen, die über prähistorischen Schichten der Hallstatt- und Latènezeit römische Mauerfundamente sowie dazugehöriges Fundmaterial lieferten[3] und sich wie die nachfolgende Grabung 1971 – gleichfalls unter Pinterović – auf einen Eckbereich des Kastells konzentrierten.[5] Im Frühjahr und Sommer 1989 fanden zwei Feldbegehungen auf dem Hügel statt,[3] denen aber erst im Herbst 2008 und im Frühjahr 2009 zwei weitere Prospektionen folgten.[6] 2010 fand neben einer Probegrabung auf einer Fläche von 13.000 Quadratmetern auch eine vom Archäologischen Museum in Osijek initiierte geophysikalische Feldmessung mit einem Bodenradar statt, um weitere Erkenntnisse über das Kastell zu gewinnen. Eine weitere, die Ergebnisse von 2010 ergänzende geophysikalische Untersuchung wurde 2012 vorgenommen. Die Messergebnisse konzentrierten sich dabei weitgehend auf das Kastellzentrum.[7] Die archäologischen Forschungen haben sich in der Vergangenheit verstärkt auf die reichlich vorhandenen vorrömischen Befunde konzentriert. Heute ist von dem Kastell Ad Militare nichts mehr zu sehen. Die im 19. Jahrhundert noch erhaltenen oberirdischen Baureste sind noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollständig abgetragen worden. BaugeschichteAusführungen zu den wenigen Grabungen fanden nur marginalen Eingang in die Literatur, weshalb deren weiterführende Beschreibung derzeit nicht möglich ist. Der rund 220 × 200 Meter[8] große Garnisonsort wurde im ersten Jahrhundert n. Chr. eingerichtet.[5] Zum Fundgut aus der Frühphase gehören wohl drei während der Regierungszeit des Kaisers Augustus (31 v. Chr.–14 n. Chr.) entstandene Asse, die während der Herrschaft des Kaisers Tiberius (14–37 n. Chr.) mit der Marke AVG gegengestempelt wurden.[9] StabsgebäudeEine erste Klärung der erhaltenen Strukturen brachten die geophysikalischen Untersuchungen von 2010 und 2012. Dabei wurden die Umrisse der mit ihrer Längsseite nordwestlich-südöstlich orientierten Principia in vielen Einzelheiten geklärt. Diese besitzt den typischen mittelkaiserzeitlichen Grundriss mit einem rechteckigen offenen Innenhof, um den sich verschiedene Dienstzimmer gruppieren. Am Nordwestende des Atriumhofes schließt sich eine die gesamte Schmalseite des Bauwerks einnehmende Basilika an. Der mächtige Baukörper umfasst eine Fläche von rund 20 × 40 Metern. Aus der Mitte der rückwärtigen Wand des Stabsgebäudes wölbt sich die knapp fünf Meter tiefe halbrunde Apsis des Fahnenheiligtums (Aedes principiorum) hervor.[7] Die Ausgestaltung des Heiligtums mit dieser Form von Apsiden lässt sich ab der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. beobachten.[10] Das Heiligtum war von der Basilika aus betretbar. An der südwestlichen Flanke des Fahnenheiligtums schließen sich zwei fast quadratische, nebeneinanderliegende Verwaltungsräume an, die ihren Zugang ebenfalls von der Basilika aus hatten. Ein ähnlicher Aufbau darf an der geophysikalisch nicht geklärten Nordostflanke angenommen werden.[7] BauinschriftDas bedeutendste und aufgrund seiner spätantiken Entstehung sehr seltene epigraphische Zeugnis aus Ad Militare ist eine 1909 geborgene und in das Museum nach Pécs gebrachte steinerne Bauinschrift der Legio VI Herculia aus dem Jahr 307 n. Chr., die Kaiser Galerius (305–311) gewidmet ist.[11] […] Der ungarische Historiker Péter Kovács stellte die Überlegung auf, dass aufgrund dieser für die Legio VI Herculia sehr frühen Inschrift das Kastell Ad Militare möglicherweise deren erster Garnisonsort gewesen ist.[12] Zwei silberne Fibeln, die wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts stammen, könnten vielleicht westgotischen Offizieren gehört haben und markieren die Spät- und Endzeit des Kastells.[9] Truppe
Vicus und GräberfelderDie in der Sammlung Dr. Imre Frey im Städtischen Museum von Sombor aufbewahrten Funde lassen auf einen gewissen Wohlstand in der Zivilsiedlung, dem Vicus von Ad Militare schließen. Bemerkenswert war ein 1876 auf dem damaligen Grund der Familie Csáki geborgener reicher Grabfund, den die Grundstückseigentümer dem Ungarischen Nationalmuseum in Budapest stifteten. Er enthielt neben Knochenresten zwei gläserne Gefäße, eine aus feinem Golddraht gearbeitete Halskette mit Perlen sowie zwei größeren und 14 kleineren Smaragden, zwei Paar Ohrgehänge – das eine mit Amethysten – einen Ring aus Golddraht und einen nicht mehr bestimmbaren Gegenstand aus Silber. Aufgrund einer ebenfalls im Grab abgelegten singulären Münze des Kaisers Gallienus (253–268) war eine Datierung in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. möglich.[28][9] Wie die 2008 durchgeführte Prospektion zeigte, lag auf der Hochebene südlich des Kastells im Bereich der heutigen Schule ein römisches Gräberfeld. Um dieses Ergebnis genauer zu sondieren, fand 2010 eine erste Probegrabung statt, welche die Mutmaßung bestätigte.[29] Weitere wichtige Funde1870 fand sich an diesem Kastellort ein Meilenstein, der die Entfernung von Ad Militare in die Provinzhauptstadt Aquincum mit 176 römischen Meilen angibt.[30] Als wichtige militärische Hinterlassenschaft ist eine heute in Mainz aufbewahrte Bürgerrechtskonstitution zu nennen.[31] Diese bezieht sich auf die in der Provinz Moesia superior (Obermösien) stationierten Einheiten und wird nach Meinung des Althistorikers Karl Strobel wohl noch in der ersten Hälfte des Jahres 105 n. Chr. – vor dem Ausbruch des Zweiten Dakerkriegs – zu datieren sein.[32] Ähnlich äußerten sich Pferdehirt, der Althistoriker und Epigraphiker Werner Eck und andere Wissenschaftler. Sie sahen den Entstehungszeitraum der Konstitution in den Jahren 104 bis 105[33] beziehungsweise 103 bis 105.[34] Nennenswert ist auch ein bronzenes Bruchstück aus Ad Militare dem der Archäologe Aladár Radnóti (1913–1972) aufgrund seiner Verzierungen eine Ähnlichkeit mit einer höchstwahrscheinlich in Gallien entstandenen Kasserolle zuschrieb.[35] In der Literatur fand auch eine bronzene Schale mit widderförmigem Griff Erwähnung.[36] Die mit einer Bleiglasur überzogene kaiserzeitliche Gefäßkeramik wurde durch ein Stück bekannt, auf dem laufende, friesartig angeordnete Tiere zu sehen sind.[37] FundverbleibDas Fundgut aus den Altgrabungen ist heute im Naturhistorischen Museum in Wien (vorrömische Funde), im Städtischen Museum von Sombor (vorrömische[38] und römische Funde) sowie im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz (Funde der Hallstatt-[39] und Römerzeit) zu finden. Weitere römische Funde lagern sowohl im Ungarischen Nationalmuseum in Budapest,[35] im Janus-Pannonius-Muzeum in Pécs, als auch im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, das schon früh vorrömische und römische Stücke aus Ad Militare von dem Sammler H. Bator erwarb.[40] Weiteres Fundgut ist in kroatischen Museen deponiert. DenkmalschutzArchäologische Funde und Stätten sowie archäologische Zonen, Landschaften und Teile davon sind Kulturgüter der Republik Kroatien und genießen besonderen Schutz. Zuständig ist die Kroatische Verwaltungsbehörde für Denkmalschutz im Ministerium für Kultur in Zagreb. Den Schutz regelt das auf Artikel 89 der kroatischen Verfassung erlassene Gesetz Nr. 01-081-99-1280/2 vom 18. Juni 1999 mit seinen nachfolgenden Ergänzungen und Änderungen. Beschädigung, Zerstörung und der Diebstahl von Kulturgütern ist sofort, aber spätestens am nächsten Tag der zuständigen Behörde zu melden. Unangemeldete Grabungen sind verboten, Verstöße gegen die Ausfuhrregelungen werden im schwersten Fall als Verbrechen, im leichtesten Fall als Vergehen im Sinne der kroatischen Gesetzgebung gerichtlich geahndet.[41] Siehe auchLiteratur
Weblinks
Anmerkungen
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