Josef Frank war jüdischer Herkunft, seine Eltern waren der aus dem Komitat Heves in Ungarn stammende Kaufmann Ignaz (Isak) Frank (17. Oktober 1851 – 27. Jänner 1921 in Wien) und die aus Wien stammende Kaufmannstochter[1] Jenny Feilendorf (3. September 1861 – 10. Februar 1941 in Wien), die am 3. Mai 1883 im Stadttempel Wien die Ehe eingegangen waren.[2] Für seine Eltern gestaltete er das Grab in der Alten israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs, 1. Tor, Gruppe 19, Reihe 58, Grab Nr. 52.[3] Sein Bruder war der österreichischePhilosoph, Physiker und MathematikerPhilipp Frank.[4]
Josef Frank studierte ab 1903 an der Technischen Hochschule Wien Architektur, absolvierte 1908 ein Praktikum bei Bruno Möhring in Berlin und wurde 1910 auf Basis seiner Dissertation über den Renaissance-Architekturtheoretiker Leon Battista Alberti zum Dr. techn. promoviert.[5][6][7][8][9] Ein erster Auslandsauftrag führte ihn nach Köln, wo er die Inneneinrichtung des Ostasiatischen Museums gestaltete. Anfang 1912 heiratete Frank in Köln Anna Sebenius, eine schwedische, in Berlin ausgebildete Pianistin.[10] Von 1919 bis 1925 war er Lehrer an der Wiener Kunstgewerbeschule.[6] Er war Gründungsmitglied des Wiener Werkbundes, Initiator und 1932 auch Leiter des von der städtischen Siedlungsgesellschaft Gesiba getragenen Baues der Werkbundsiedlung in Wien.
Nach 1945 blieb Frank in Schweden. Er war von 1964 an Ehrenmitglied von The Circle, einer Londoner Gesellschaft von geflüchteten Architekten, Planern und Designern.[16]
Josef Frank beschäftigte sich früh mit dem sozialen Wohnungsbau und mit Arbeitersiedlungen. Entgegen den meisten anderen Architekten der Zwischenkriegszeit in Wien vertrat er den Siedlungsgedanken und nicht die Schaffung von sogenannten Superblocks im kommunalen Wohnungsbau. Mit seinem Aufsatz Der Volkswohnungspalast. Eine Rede anläßlich der Grundsteinlegung, die nicht gehalten wurde in der Zeitschrift Der Aufbau, Nr. 7, 1926, polemisierte Frank gekonnt aber letztlich erfolglos gegen die von Hubert Gessner und anderen Schülern Otto Wagners vertretene Linie repräsentativer kommunaler Großbauten.
Er verzichtete auch auf Fassadendekor und bevorzugte klare funktionale Formen. Der Wiener Architekt und MöbeldesignerLuigi Blau bezeichnete ihn als eines seiner Vorbilder.
Neben seiner architektonischen Tätigkeit schuf Frank, speziell im Rahmen seiner Arbeit für Svenskt Tenn, hunderte Entwürfe für Möbel, Einrichtungsgegenstände, Stoffe, Tapeten und Teppiche. Weniger bekannt ist seine Tätigkeit als Maler.[19][20] Bekennender Frank-Anhänger und -Fan ist der Apple-Designer Marc Newson.[21][22] Viele von Franks Möbeln befinden sich heutzutage auch in den AuslandsvertretungenSchwedens, darunter in der schwedischen Botschaft in Algier sowie im Generalkonsulat in New York.[23][24][25]
Auf Auktionen erzielen erste Exemplare seiner Möbelentwürfe mittlerweile Höchstpreise und befinden sich zudem auch in den Sammlungen des MoMA und des Nationalmuseums in Stockholm.[26][27][28] Im Mai 2022 verkaufte das Stockholmer Auktionshaus Bukowskis einen mit einer Karte von Paris beklebten Schrank Josef Franks aus den späten 1930er Jahren für etwas mehr als 3,6 Millionen SEK, einschließlich Provision. Damit ist es das bis dato teuerste schwedische Möbelstück des 20. Jahrhunderts, das auf einer Auktion verkauft wurde.[29]
Haus Wien 19., Wilbrandtgasse 3 (1914; ehem. Haus Emil und Agnes Scholl), mit Oskar Wlach und Oskar Strnad
Haus Wien 19., Wilbrandtgasse 11 (1914; ehem. Haus Oskar und Hanny Strauss), mit Oskar Wlach und Oskar Strnad
Genossenschaftliche Siedlungsanlage Wien 12., Hoffingergasse, im Bezirksteil Altmannsdorf (1921–1924), gemeinsam mit Erich Faber; 284 Wohnungen in einfachen Reihenhäusern
Anbau an die Villa Hugo Blitz, Weilburgstraße 22 in Baden bei Wien, gemeinsam mit Oskar Wlach, „Terrassen- und Stockwerksbau“, vom Strandbad aus bis heute zu sehen (1928, Vorstudien ab 1926)[36]
Haus Beer, Wien 13., Wenzgasse 12, 1929 / 1930, mit Oskar Wlach;[37] das Haus soll als Museum zugänglich gemacht werden.[38]
Kommunale Wohnhausanlage Wien 11., Simmeringer Hauptstraße 142–150, 1931 / 1932, 286 Wohnungen, gemeinsam mit Oskar Wlach; 2013 Rosa-Jochmann-Hof benannt
Leitung der Planung und Errichtung der Werkbundsiedlung Wien der kommunalen Baugesellschaft Gesiba (Koordination mit rund 30 Architekten, darunter als einzige Frau Margarete Schütte-Lihotzky) im 13. Bezirk, Hietzing, Bezirksteil Lainz, und Entwurf Haus 13., Woinovichgasse 32 (bis 1932)
Villenbauten in Falsterbo, Südschweden: Villa Claesson (1927),[39], Villa Carlsten (1927)[39] Villa Seth (1934), Villa Låftman (1934), Villa Wehtje (1936)[40][41]
Arbeitersiedlung (1923) mit Kindertagesheim[42] und einer Villa[43] für den Fabriksdirektor Dr. Theo Herzberg-Fränkel[44][45] sowie ein Blockhaus / Landhaus für Hugo Bunzl im niederösterreichischen Ortmann bei Pernitz im Piestingtal.[46][47][44]
Schriften
Über die ursprüngliche Gestalt der kirchlichen Bauten des Leone Battista Alberti. Dissertation. Technische Hochschule Wien, Wien 1910, OBV.
Architektur als Symbol. Elemente deutschen neuen Bauens. Schroll, Wien 1931, OBV.
Hermann Czech (Hrsg.): Architektur als Symbol. Elemente deutschen neuen Bauens. Zweite Auflage (Nachdruck der Ausgabe von 1931). Löcker, Wien 2005, ISBN 3-85409-395-0.
— (Hrsg.): Die Internationale Werkbundsiedlung Wien 1932. 70 eingerichtete Einfamilienhäuser. Schroll, Wien 1932. – Volltext online (PDF; 32,7 MB).
Das Leben des Malers Lucien Sander. Roman (Fotokopie eines undatierten, unveröffentlichten Manuskripts). S.l. 1942, OBV.
Josef Frank. Schriften/Writings (Deutsch/Englisch); 2 Bände/2 Volumes; (Hrsg.): Tano Bojankin, Christopher Long und Iris Meder, Metroverlag, Wien 2012, ISBN 978-3-99300-086-8.
Träume. Komödie in fünf Akten. Typoskript. New York s. a., ÖNB.
Literatur
Johannes Spalt, Hermann Czech, Hochschule für Angewandte Kunst (Hrsg.): Josef Frank 1885–1967. (Möbel und Geräte und Theoretisches; Ausstellungskatalog). Löcker, Wien 1981, ISBN 3-85409-026-9.
Nina Stritzler-Levine, Leon Botstein (Hrsg.): Josef Frank, architect and designer. Yale University Press, New Haven (Conn.) 1996, ISBN 0-300-06901-4.
Mikael Bergquist (Hrsg.), Olof Michélsen (Hrsg.), Bärbel Kamphausen-Muser (Übers.): Josef Frank – Architektur (Ausstellungskatalog Stockholm/Wien). Birkhäuser, Basel / Boston / Berlin 1995, ISBN 3-7643-5095-4.
Maria Welzig, Hochschule für Angewandte Kunst, Archiv und Sammlung (Hrsg.): Josef Frank 1885–1967. Das architektonische Werk. Böhlau, Wien / Köln / Weimar 1998, ISBN 3-205-98407-2.
Christopher Long: Josef Frank. Life and work. University of Chicago Press, Chicago (Ill.) 2002, ISBN 0-226-49266-4.
Susanne Blumesberger, Michael Doppelhofer, Gabriele Mauthe: Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. bis 20. Jahrhundert. Band 1: A–I. Hrsg. von der Österreichischen Nationalbibliothek. Saur, München 2002, ISBN 3-598-11545-8, S. 348.
Frank, Josef. In: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,1. München : Saur, 1983, ISBN 3-598-10089-2, S. 317.
Stephen R. Taylor (Hrsg.): Who’s Who in Central and East-Europe 1933/34. A biographical dictionary containing about 10.000 biographies of prominent people from Albania, Austria, Bulgaria, Czechoslovakia, Danzig, Estonia, Finland, Greece, Hungary, Latvia, Liechtenstein, Lithuania, Poland, Rumania, Switzerland, Turkey and Yugoslavia The Central European Times Publication, Zürich 1935, OBV, S. 279.
Iris Meder (Hrsg.): Josef Frank 1885–1967 – eine Moderne der Unordnung. Pustet, Salzburg / Wien / München 2008, ISBN 978-3-7025-0581-3.
Marlene Ott-Wodni: Josef Frank 1885–1967. Raumgestaltung und Möbeldesign. Böhlau, Wien / Köln / Weimar 2015, ISBN 978-3-205-79647-3.
Christoph Thun-Hohenstein, Hermann Czech, Sebastian Hackenschmidt (Hrsg.): Josef Frank – against design. Das anti-formalistische Werk des Architekten/The Architect’s Anti-Formalist Oeuvre. (Katalog zur Ausstellung Josef Frank: Against design, MAK Wien, 16. Dezember 2015 – 3. April 2016). Birkhäuser, Basel 2016, ISBN 978-3-0356-0999-8. (2. Auflage, 2021, ISBN 978-3-0356-2472-4)
Mikael Bergquist, Olof Michélsen: Josef Frank: Falsterbovillorna. Arkitektur Förlag, Stockholm 2017, ISBN 978-91-86050-99-3.
↑Josef Frank: Über die ursprüngliche Gestalt der kirchlichen Bauten des Leone Battista Alberti. In: Tano Bojankin, Christopher Long und Iris Meder für das IPTS (Hrsg.): Josef Frank: Schriften/Writings, Metroverlag, Wien 2012, Band 1, S. 47–119.
↑Tano Bojankin: Josef Franks Wege und Plätze. In: Tano Bojankin, Caterina Cardamone, Hermann Czech, Christopher Long und Claudia Mazanek für das IPTS (Hrsg.): Josef Frank: Betrachtungen über die Kunst unserer Zeit, Park Books, Zürich 2023, S. 249.
↑Aufsatz. In: House & Garden. Band76, Nr.1. Condé Nast Publications, Juli 1939 (archive.org).
↑Aufsatz. In: The Bulletin of the National Retail Dry Goods Association. Band21, Nr.6. National Retail Federation, Juni 1939 (archive.org).
↑Christopher Long, Josef Frank: Josef Frank: Life and Work. University of Chicago Press, 2002, ISBN 0-226-49266-4 (google.com [abgerufen am 3. Oktober 2021]).
↑Aufsatz. In: Art index. H. W. Wilson, New York NY 1929 (archive.org).
↑Start of the Circle Collection. The Circle: Society of Refugee Architects, planners and designers in London. In: Leo Baeck Institut (Hrsg.): 000198607. AR7130, S.59; 62 (archive.org).
↑ abMarlene Ott: „Josef Frank (1885–1967) – Möbel und Raumgestaltung“. Hrsg.: Universität Wien. Wien 2009 (univie.ac.at [PDF]).
↑Christopher Long, Josef Frank: Josef Frank: Life and Work. University of Chicago Press, 2002, ISBN 0-226-49266-4 (google.de [abgerufen am 3. September 2021]).