Litwinschuh-Barthel verbrachte seine Kindheit im Landkreis Merzig-Wadern im Saarland und legte 1988 sein Abitur am Hochwald-Gymnasium in Wadern ab. 1995 schloss er den Studiengang Medienmanagement an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover ab.[1] Es folgten berufliche Stationen in den Bereichen Handel, E-Commerce-Consulting und im Ticketing/Live Entertainment in jeweils leitenden Positionen.[2] Von 2002 bis 2005 war er Geschäftsführer des LSVD Landesverband Berlin-Brandenburg und übernahm die Leitung dessen Zentrums für Migranten MILES.[3] 2005 begründete Litwinschuh-Barthel gemeinsam mit Jan Feddersen die Initiative Queer Nations e.V. mit dem Ziel, das von Magnus Hirschfeld gegründete Institut für Sexualwissenschaft in zeitgemäßer Form wieder zu errichten.[4][5] 2007 wurde er Fundraiser und Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe.
Nach einer Tätigkeit als Unternehmensberater mit den Schwerpunkten Public Health und Antidiskriminierung ernannte die damalige BundesjustizministerinSabine Leutheusser-Schnarrenberger Litwinschuh-Barthel am 10. November 2011 zum Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.[6][7][8] Litwinschuh-Barthel brachte sein 2009 gegründetes Projekt „Fußball gegen Homophobie“ in die Stiftung ein, wo es gemeinsam mit Martin Schweer von der Universität Vechta als Projekt „Fußball für Vielfalt – Fußball gegen Homofeindlichkeit und gegen Sexismus“ weiterentwickelt wurde.[9][10][11] Zum 10-jährigen Bestehen der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld erfuhr Litwinschuh-Barthels langjährige Arbeit als Vorstand eine breite mediale Würdigung.[12] Für eine dritte Amtszeit bewarb er sich nicht und schied im November 2021 nach zwei Amtszeiten aus der Stiftung aus.[13] Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die Vorsitzende des Kuratoriums ist, setzte laut dem Magazin queer.de die Ausschreibung der Vorstandsstelle persönlich durch.[14][15]
Für sein langjähriges Engagement für LGBTI-Rechte wurde Jörg Liwinschuh-Barthel im Oktober 2022 mit der Goldenen Ehrennadel des Völklinger Kreises ausgezeichnet.[16]
Seit 2022 ist Litwinschuh-Barthel in der Bestattungsbranche tätig.[17][18] Seit 2023 ist er Mitglied des Vorstands der Schachtsiek Familien Stiftung, die Kulturprojekte in den Bereichen LSBTIQ und Musiktheater fördert.[19]
Litwinschuh-Barthel ist langjährig ehrenamtlich engagiert in der Evangelischen Kirche und Mitglied im Kreiskirchenrat (KKR) Berlin Stadtmitte.[20] Er ist verheiratet und lebt mit seinem Mann in Berlin.[21]
Haltungen und Kontroversen
Als Geschäftsführer des LSVD Landesverband Berlin-Brandenburg und Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe äußerte sich Litwinschuh-Barthel regelmäßig zu kontrovers diskutierten Themen. 2002 erstattete er Strafanzeige gegen Norbert Geis aufgrund dessen Äußerungen gegenüber Homosexuellen.[22] Über viele Jahre kritisierte Litwinschuh-Barthel Haltungen der Katholischen Kirche – insbesondere deren Sexualmoral.[23][24][25][26]
Zum Welt-AIDS-Tag äußert sich Litwinschuh-Barthel regelmäßig zur Sichtbarkeit des Lebens mit HIV/Aids und fordert Solidarität mit den Betroffenen ein. So stellte er 2020 Bildung und Teilhabe als wirksamste Form der Prävention in den Mittelpunkt.[27] Die Verhaftung der Sängerin Nadja Benaissa und den Umgang der Behörden mit ihrer HIV-Infektion bezeichnete er 2009 als „moderne Form der Hexenjagd“.[28]
Als Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld war Litwinschuh-Barthel auch Kritik von rechts ausgesetzt: So griffen im Oktober 2016 Politiker der AfD von der Stiftung geförderte sexualpädagogische Workshops in Thüringen an.[29] Litwinschuh-Barthel entgegnete, die Rechtspopulisten würden versuchen, Vielfaltspädagogik und Anti-Diskriminierungsarbeit durch haltlose Vorwürfe zu diskreditieren.[30][31] Im Sommer 2018 traf Litwinschuh-Barthel den rechtspopulistischen und damaligen US-amerikanischen Botschafter Richard Grenell auf dessen CSD-Empfang in seiner privaten Residenz in Berlin-Dahlem.[32] Daraufhin kam es zu einer vor allem in Social-Media-Kanälen ausgetragenen Kontroverse, als Litwinschuh-Barthel ein gemeinsames Foto mit Grenell, veröffentlichte.[33] Hierfür entschuldigte sich Litwinschuh-Barthel einen Tag später mit dem Hinweis, dass er dennoch im Dialog mit dem US-Botschafter bleiben werde.[34][35]
Litwinschuh-Barthel ist ein „flammender Befürworter der Ehe für alle“ (Saarbrücker Zeitung).[36] Gemeinsam mit der damaligen Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des BundesChristine Lüders engagierte er sich für die Aufhebung der Urteile nach § 175 StGB und die Rehabilitierung sowie Entschädigung der Opfer.[37][38][39] 2019 setzte sich Litwinschuh-Barthel maßgeblich als Projektleiter der wissenschaftlichen Bestandsaufnahme zu Konversionsbehandlungen gemeinsam mit BundesgesundheitsministerJens Spahn für das geplante gesetzliche Verbot sogenannter „Konversionstherapien“ ein.[40][41] Während der Coronakrise 2020 machte Litwinschuh-Barthel auf die erschwerte Situation von LGBT-Personen in den Zeiten der Pandemie aufmerksam und warnte vor gravierenden Folgen für die Community.[42][43] Gemeinsam mit mehr als 100 Organisationen und Prominenten forderte Litwinschuh-Barthel im Februar 2021 in der Initiative „Grundgesetz für alle“ die Ergänzung des Art. 3 GG um den Schutz von LGBT-Personen vor Diskriminierung.[44]
Anlässlich des islamistischen Messerangriffs am 4. Oktober 2020 auf zwei schwule Touristen in Dresden forderte Litwinschuh-Barthel die Polizeibehörden auf, homofeindliche Hasskriminalität zu benennen und bundesweit statistisch zu erfassen. Außerdem forderte er den Islam in Deutschland auf, sich wie die christlichen Kirchen mit Homofeindlichkeit auseinanderzusetzen.[45][46][47][48] Im Mai 2021 plädierte Litwinschuh-Barthel als Botschafter der Akzeptanzkampagne „Liebe ist halal“ für einen „religiösen Brückenschlag“ zwischen Islam und LSBTIQ und eine zeitgemäße Interpretation der Heiligen Schrift des Koran durch Imame in Deutschland.[49]
Veröffentlichungen
Geleitwort zur S3-Trans*-Leitlinie. In: Nieder, Strauß (Hg.): Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit. Psychosozial, Berlin 2021.[50]
Hirschfeld antworten – für Emanzipation und Teilhabe von LSBTTIQ. In: Liebe und Gerechtigkeit. Sonderausgabe der Hirschfeld Lectures zum 150. Geburtstag von Magnus Hirschfeld. Wallstein, Göttingen 2020.
Wissen fordern – Gerechtigkeit stärken. Zu Geschichte, Gründung und Aufgaben der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. In: Jahrbuch Sexualitäten. Wallstein, Göttingen 2018.
Der Hirschfeld kommt! In: Siegessäule. Mai 2018 (PDF auf docdroid.net).
mit Janine Dieckmann: Die interdisziplinäre Zusammenführung der LSBTI*-Forschung als Experiment – eine Einführung in dieses Buch. In: Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (Hg.): Forschung im Queerformat. Aktuelle Beiträge der LSBTI*-, Queer- und Geschlechterforschung. transcript, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8394-2702-6
↑Peter-Philipp Schmitt: Magnus-Hirschfeld-Institut: „Es war seiner Zeit um Jahrzehnte voraus“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. Januar 2006 (faz.net).
↑Gay City News: The Einstein of Sex at 150. 10. Mai 2018, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Juni 2019; abgerufen am 26. Februar 2024.
↑Frederik Eikmanns: Der Berliner CSD, ein Foto und die Folgen: Zu nah am US-Botschafter. In: Die Tageszeitung: taz. 31. Juli 2018, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 9. Januar 2019]).