Der Hypocras oder Ypocras, in anderen Schreibweisen auch Hipocras, Hippocrass, Ypocrasse, Hyppocras, Ipocras, Ippocras oder üpikraz, war ein mit Honig, später auch mit Zucker, stark gesüßter roter Gewürzwein (Würzwein bzw. Kräuterwein[1]), dem man im Mittelalter medizinische Eigenschaften zuschrieb. Das Getränk war wegen der damals sehr teuren Gewürze nur an den Höfen von Königen und reichen Adligen üblich. Die weiße Sorte des Hypocras, früher auch lûtertranc[2] oder claret[3][A 1] genannt, heißt in angelsächsischen Wein- und Winzerbüchern clarrey.[4]
Der Name des als Arznei angesehenen Gewürzweines ist vom Namen des griechischen Arztes Hippokrates abgeleitet, der im Mittelalter auch als Appellativ für angesehene Ärzte[5] sowie als werbewirksames Aushängeschild von Heilmitteln oder Wunderdrogen handelnden Verkäufern.[6] auftaucht. Die Bezeichnung „Hippokrates“ findet sich auch in der Sachbezeichnung Manica Hippocratis („Hippocras-Sack“[7]) einem damals von Apothekern genutzten textilen Filtersack aus Filz, der zur Zubereitung des „Hypocras“ verwendet wurde.
Geschichte
Gewürzweine kannten schon die Römer. Sie verbreiteten Weine als Nahrungs- und Heilmittel in ihre Provinzen. So sind drei Rezepte in der NaturgeschichtePlinius des Älteren verzeichnet. Genannt wurden diese Weine in Rom Conditum Paradoxum.
Der Tempelritter und Mediziner Arnau de Vilanova erwähnte in seinen Schriften Hippokrates, im alten Katalanisch Ipocras, und gab ein Rezept an, das Zimt verwendete. Die Gewürzweine erinnern an die heute getrunkenen Glühweine und Feuerzangenbowlen.
Der Brauch, am Neujahrstag Hypokras zu trinken, wurde 1996 im öffentlichen Raum von der Zunft zum Goldenen Sternen wiederbelebt. In traditionsreichen Basler Familien lebt der Brauch ebenso weiter.
„Claret ist eben der art und natur des Yppocras aber in hoch Teutschland nit als seer im brauch / als in Sachsen / und den Seestetten / hat solchen underscheyd mit dem Yppocras / daß der selbig von rotem Wein mit Zucker / dieser von weissen Wein mit Honig bereydt / unnd mit Safran gelb geferbet wirt.“
– Walther Hermann Ryff: Confect Büchlin, und Hauß Apoteck. Franckfort: Egenolff 1544, S. 112.
André Dominé: Die Kunst des Aperitif. Rezepte, Getränke, Philosophie. Kunstverlag Weingarten, 1989, ISBN 3-8170-0013-8, S. 21.
Willem Frans Daems: Die Clareit- und Ypocrasrezepte in Thomas van der Noots „Notabel boecxken van cokeryen“ (um 1510). In: Gundolf Keil, Rainer Rudolf, Wolfram Schmitt, Hans J. Vermeer (Hrsg.): Fachliteratur des Mittelalters. Festschrift für Gerhard Eis. Metzler, Stuttgart 1968, S. 205–224.
Kurt Lussi: Liebestrünke Mythen, Riten und Rezepte. AT Verlag, Aarau 2006, ISBN 978-3-03800-271-0
Amalie Schneider-Schlöth: Basler Kochschule – eine leichtfassliche Anleitung zur bürgerlichen und feineren Kochkunst. 14. Auflage, vollständig neu bearbeitet von Andreas Morel. Basel 1983, ISBN 3-7245-0529-9, S. 70 (Nr. 56).
↑Gundolf Keil: Einleitung. In: Gundolf Keil (Hrsg.): Das Lorscher Arzneibuch. (Handschrift Msc. Med. 1 der Staatsbibliothek Bamberg); Band 2: Übersetzung von Ulrich Stoll und Gundolf Keil unter Mitwirkung von Altabt Albert Ohlmeyer. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1989, S. 7–14, hier: S. 10.
↑Gundolf Keil: Ipokras. Personalautoritative Legitimation in der mittelalterlichen Medizin. In: Peter Wunderli (Hrsg.): Herkunft und Ursprung. Historische und mythische Formen der Legitimation. Akten des Gerda-Henkel-Kolloquiums, veranstaltet vom Forschungsinstitut für Mittelalter und Renaissance der […] Universität Düsseldorf, 13. bis 15. Oktober 1991. Jan Thorbecke, Sigmaringen 1994, S. 157–177, hier: S. 165 und 168.
↑H. G. Schwieger, Gottfried Zöbl: Die alte Apotheke. Hrsg. anlässlich des Deutschen Apothekertages 1954. Verbandstoff-Fabriken Paul Hartmann AG, Heidenheim 1954, S. 12–13.
↑Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste … Hrsg. von Carl Günther Ludovici, 1739 (Manica Hippocratis)