GauGau ist ein mehrdeutiger und letztlich unscharfer Begriff für Region, Landschaft oder Verwaltungseinheit. EtymologieDie Herkunft des althochdeutschen Wortes geuui (gewi), gouwi ,Landstrich‘ ist unsicher. Das Wort ist im Gotischen, im Althochdeutschen, im Altfriesischen und im Altenglischen als Neutrum bezeugt. Erklärungsmöglichkeiten sind:[1]
Die Lautvarianten Gau und Gäu richteten sich ursprünglich danach, ob ein /i/ oder ein das /w/ verdoppelndes /j/ folgte. Die umgelautete Variante, althochdeutsch geuui, stand damit ursprünglich im Nominativ, die nicht umgelautete, althochdeutsch gouwi, ursprünglich im Obliquus.[2] Allerdings haben sich die beiden Lautungen schon in althochdeutscher Zeit zu vermischen begonnen. Die schon im 12. Jahrhundert außer Gebrauch gekommene Bezeichnung Gau für eine bestimmte Landschaft beziehungsweise Region lebt regional in Kantonsnamen, in Landschaftsnamen und in Ortsnamenzusätzen fort. Von Historikern des 17. bis 19. Jahrhunderts wurde das Wort fachsprachlich wiederbelebt, als sie über mittelalterliche Zustände schrieben. Damals setzte sich auch das männliche Genus (der Gau) anstelle des ursprünglich sächlichen (das im Fall von das Gäu immer noch gilt) durch, vielleicht in Anlehnung an lateinisch pāgus ,Gau, Distrikt‘.[3] Durch die Aufnahme in die Terminologie des Dritten Reiches wurde das Wort Gau in der Partei-, Amts- und Alltagssprache verwendet. Dieser politische Gebrauch endete 1945 mit dem Kriegsende abrupt. BegriffsgeschichteGaue im MittelalterDer „Gau“ (pagus) als Bezeichnung einer Landschaft reicht mit den Belegen in die merowingische Zeit zurück. Es fehlen jedoch Hinweise für die Annahme, dass das Wort Gau in germanischer Zeit einer Verwaltungsgliederung entsprochen hätte. Hierbei dürfte es sich um eine Fehldeutung der historischen Forschung des 18. und 19. Jahrhunderts handeln.[4] In karolingischer Zeit trat mit einzelnen Belegen am Ende des 8. Jahrhunderts und verbreitet im 9. Jahrhundert der Begriff der „Grafschaft“ (comitatus) als Verwaltungsbezirk auf, dem ein „Graf“ (comes) vorstand.[5] Das Amt des Grafen selbst ist bereits in merowingischer Zeit bezeugt, doch ohne Hinweise auf feste Amtsbezirke. Es gibt Hinweise darauf, dass die Grafschaften (comitatus) auf Grundlage der Gaue (pagi) errichtet wurden, allerdings auch Hinweise dafür, dass innerhalb eines Gaus mehrere Grafschaften bestanden oder dass Grafschaften sich über Gaugrenzen oder mehrere Gaue hinweg ausdehnten. So wird die Einführung und Verwendung der Begriffe Gaugraf und Gaugrafschaft durch Historiker des 18. und 19. Jahrhunderts heute als Konstrukt ohne Quellengrundlage verworfen. Karl der Große etablierte nach der Niederwerfung der einheimischen Bevölkerung des Südostens seines Reiches dort das Grafschaftsprinzip. Der neue Zentralherrscher setzte Grafen als seine Stellvertreter vor Ort ein. Zentralgewalt und zentrale Gerichtsbarkeit standen mittelbar in der Tradition der rechtlichen Fundierung der kaiserlichen Herrschaftsgewalt im Römischen Reich und beruhten außer gegenüber den Franken und Langobarden, deren König Karl der Große war, zunächst auf dem Recht des Eroberers und wurden durch Kapitulariengesetzgebung und das Institut der Königsboten zur Geltung gebracht. Im Fränkischen Reich bezeichnete der comitatus seit dem Ende des 8. Jahrhunderts den Amtsbezirk eines Grafen (comes, grafio). Dieser war gleichzeitig oberster Richter und Führer eines Heerbanns im Auftrag des Herrschers. Ihm zugeordnet waren Zentmarken oder Hundertschaften, die oft durch Zentgrafen verwaltet wurden. Im Zent(grafen)gericht fungierten diese als Schöffen. Den süddeutschen Zentgerichten entsprachen in Norddeutschland die Gogerichte. Auch die lateinische Bezeichnung pagus, die spätestens mit der Spätantike zu einem festen Bestandteil der römischen Regionalverwaltung geworden ist, wird traditionell und schon zeitgenössisch mit Gau wiedergegeben (z. B. 768 der pagus Aregaua, der heutige Kanton Aargau). Der Gau-Begriff in der Weimarer RepublikDie in der Weimarer Republik, speziell ab Mitte der 1920er Jahre aktiven politischen Kampfverbände, verwendeten den Begriff Gau zur Bezeichnung der obersten territorialen Gliederungsebene nach der Bundes- bzw. Reichsebene. So sah das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold bereits seit seiner Gründung am 22. Februar 1924 eine Einteilung in Gaue vor.[6] Die als Roter Frontkämpferbund (RFB) bekannte Wehrformation der KPD führte auf Beschluss der Zweiten Reichskonferenz ab dem Mai 1925 ebenfalls eine Gliederung nach Gauen ein.[7] Gaue als Bezirke der NSDAPDie NSDAP war von 1925 bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 territorial gleichfalls in Gaue gegliedert, geführt von einem Gauleiter, siehe Struktur der NSDAP#Die 43 Gaue (1941) inkl. Gauleiter. Davon leiteten sich die Gauligen im Fußball und im Handball ab. Die dem Deutschen Reich zwischen 1938 und 1939 eingegliederten Gebiete Österreichs (→ Ostmarkgesetz), des Sudetenlandes und Westpolens wurden als Reichsgaue verwaltet. Heutige Verwendung des BegriffsOrtsnamensbestandteile
In Flur- und Siedlungsnamen ist die Etymologie eines Wortendes …gau unklar, weil es sich auch um eine Zusammensetzung mit -au (Aue) handeln kann:
LandschaftsnamenDas Badnerlied beginnt mit den Worten Das schönste Land in Deutschlands Gau'n. Auch die Bayernhymne wird eingeleitet mit Gott mit dir, du Land der Bayern, deutsche Erde, Vaterland! Über deinen weiten Gauen ruhe Seine Segenshand! In folgenden Staaten hat sich -gau, -gäu als Teil von Bezeichnungen für Landschaften erhalten:
Historische Gaunamen:
Regionalgruppen von VereinenTurnerbünde (siehe Turngau), Gruppen der Bündischen Jugend und der Pfadfinderbewegung, Trachtenverbände und Schützenbünde (zum Beispiel bei Gaumeisterschaften) verwenden den Begriff. Auch der ADAC verwendete bis 2014 für die Regionalclubs die Bezeichnung Gaue.[10][11] In Österreich hat der Österreichische Turnerbund (ÖTB) teilweise eine Gliederung in Turngaue, der Deutsche Turner-Bund spricht von Gau. Der Schwäbische Albverein ist seit 1894 in Gaue aufgeteilt.[12] BezirkeDie Bezirke des Bundeslandes Salzburg heißen zwar offiziell nach ihrem Verwaltungssitz, allgemein werden sie aber nach ihrer alten Bezeichnung Gaue genannt, etwa Gebirgsgaue für das Innergebirg (Pongau, Pinzgau, Lungau, außergebirg den Flachgau, Tennengau). Früher gab es z. B. außergebirg nur den Salzburggau, der Gebiete des damals Salzburg zugehörigen, nun bayerischen Rupertiwinkels mitumfasste. Diese Bezeichnungen werden auch als Unterscheidungszusatz im offiziellen Ortsnamen für mehrfach vorkommende Namen verwendet, wie beispielsweise bei St. Johann im Pongau. Gau für fremdsprachliche BegriffeDas Wort wird auch für folgende fremdsprachliche Begriffe verwendet:
Für Margaret Carroux, die den Herrn der Ringe 1969–1972 erstmals ins Deutsche übersetzte, war der „Gau“ zwar die eheste Übersetzung von The Shire, der Heimat der Hobbits, aufgrund der Verwendung von „Gau“ im Nationalsozialismus wählte sie jedoch „Auenland“. Siehe auch
Wiktionary: Gau – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
WeblinksWiktionary: Gau – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Einzelnachweise
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