An der Spitzes jeden Reichsgaues stand ein Gauleiter. Diese wurden nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges besonders mächtig, als sie zusätzlich Reichsverteidigungskommissare wurden. Die Gauleiter waren für Propaganda, Überwachung, die Zwangsarbeiter und ab September 1944 für den neu aufgestellten Volkssturm verantwortlich. Die Gauleitung hatte ihren Sitz erst in Krems an der Donau, dann ab 1938 in WienIX im Gebäude des Gymnasiums Wasagasse, das zuvor besonders viele jüdische Schüler besucht hatten. Der geplante Ausbau von Krems scheiterte kriegsbedingt.
Am 31. Mai 1938 wird im Rahmen der „Gau- und Kreiseinteilung der NSDAP“ verkündet, dass sich der Gau Niederdonau grundsätzlich mit dem Gebiet des ehemaligen Landes Niederösterreich deckt. 97 Gemeinden wurden von Niederösterreich abgetrennt und mit Wien zur damit zweitgrößten deutschen Stadt vereinigt (Groß-Wien). Dafür kamen die Bezirke Eisenstadt, Neusiedl am See, Mattersburg und Oberpullendorf des aufgelösten Burgenlands zu Niederösterreich. Am 15. Oktober 1938 wurden die Grenzen der staatlichen Verwaltung mit denen der NSDAP gleichgezogen. Am 9. Januar 1939 wurde der Gau Niederdonau um fünf bis Oktober 1938 zur Tschechoslowakischen Republik und danach für einige Monate zum Reichsgau Sudetenland gehörende südmährische Bezirke (Znaim, Nikolsburg, Mährisch Krumau, Auspitz und Neubistritz) zuzüglich Gmünd und Theben (Devín bei Pressburg) vergrößert.
Noch 1937 war Roman Jäger im Gau Niederösterreich illegaler Gauleiter. Im 1938 so genannten Gau Niederdonau und am 1. Mai 1939 gebildeten Reichsgau Niederdonau fungierte Hugo Jury während der gesamten Zeit als Gauleiter und in Personalunion als Reichsstatthalter seit 1940, seit 1942 auch als Reichsverteidigungskommissar. Sein Stellvertreter als Gauleiter war Karl Gerland, als Reichsstatthalter der Regierungspräsident Erich Gruber.
Ab April 1939 wurden sechs Gauräte als Berater für den Gauleiter berufen: Alois Forst (Gauobmann der DAF), Franz Rehling (Gauamtsleiter NSV), Ludwig Uhl (Kreisleiter Lilienfeld), Ferdinand Ulz (Kreisleiter Wiener Neustadt) und Walter Wolf (Gauamtsleiter für Agrarpolitik).[3]
Verwaltungseinheiten
Ende 1938 gliederte sich der Gau Niederdonau in 21 Kreise, 633 Ortsgruppen, 2119 Zellen und 8085 Blocks.[4]
1939 bestand nach mehreren Änderungen der Gau schließlich aus folgenden Kreisen[5]:
NS-Fliegerkorps: Gruppe 17 (Ostmark): Niederdonau-Nord (Standarte 114), Niederdonau-Süd (Standarte 116)
Hitlerjugend (HJ): Gebiet Niederdonau (28)
NS-Frauenschaft Niederdonau
DAF-Niederdonau: Hauptarbeitsgebiete I, II, III
NS-Volkswohlfahrt Niederdonau (NSV)
Reichsbund der deutschen Beamten Niederdonau (RDB)
NS-Lehrerbund Niederdonau (NSLB)
NS-Rechtswahrerbund Niederdonau (NSRB)
NS-Kriegsopferversorgung Niederdonau (NSKOV)
NS-Bund Deutscher Technik Niederdonau (NSBDT)
NSD-Ärztebund Niederdonau
Nach 1945
Nach dem Ende des Nationalsozialismus wurden in Niederösterreich von den neugebildeten staatlichen Behörden aufgrund des Verbotsgesetzes 1945 84795 Nationalsozialisten registriert, davon wurden ca. 2000 NSDAP-Funktionäre verhaftet. Aufgrund der geänderten Bestimmungen im Verbotsgesetz 1947 wurden 6920 Personen als belastet eingestuft, 76400 als minderbelastet.[10]
Dokumentarfilm
2021 erschien die bislang erste Dokumentarfilmproduktion, die sich explizit mit den Gauleitern der Alpen- und Donau-Reichsgaue auseinandersetzt und die Entwicklungsgeschichte dieser nationalsozialistischen Verwaltungseinheiten aufzeigt. Der Doku-Zweiteiler des österreichischen Regisseurs Christian Hager wurde im Hauptabendprogramm von ORF III ausgestrahlt und thematisiert auch den Reichsgau Niederdonau unter der Gauleitung von Hugo Jury.
Hitlers österreichische Helfer. Die Gauleiter der Ostmark. Doku-Zweiteiler (2 × 45 Min.), A 2021, Buch und Regie: Christian Hager.
Literatur
Heinz Arnberger, Christa Mitterrutzner: Widerstand und Verfolgung in Niederösterreich 1934–1945. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1988.
Klaus-Dieter Mulley: Nationalsozialismus im politischen Bezirk Scheibbs 1930–1945 (= Heimatkunde des Bezirkes Scheibbs. Band8). Scheibbs 1988.
Christoph Lind: Der letzte Jude hat den Tempel verlassen. Juden in Niederösterreich 1938–1945. Wien 2004.
Hans Schafranek: Söldner für den Anschluss. Die österreichische Legion 1933 - 1938. Wien 2011.
Johannes Kammerstätter: Tragbares Vaterland. Wieselburg 2012.
Franz Wiesenhofer: Verdrängt, nicht vergessen – Zeitzeugenberichte über den Bezirk Scheibbs 1926–1955 (Band 1). Purgstall 2013.
Franz Wiesenhofer: Verdrängt, nicht vergessen – Zeitzeugenberichte über den Bezirk Scheibbs 1926–1955 (Band 2). Purgstall 2015.
Margarethe Kainig-Huber, Franz Vonwald: Schreckensherrschaft in Niederösterreich 1938 - 1945. Berndorf 2018.
Hans Schafranek: Wer waren die niederösterreichischen Nationalsozialisten? St. Pölten 2020.
Stefan Eminger, Ernst Langthaler, Klaus-Dieter Mulley: Nationalsozialismus in Niederösterreich. Opfer. Täter. Gegner. StudienVerlag, Innsbruck 2021, ISBN 978-3-7065-5571-5.
↑Klaus-Dieter Mulley: Niederdonau: Niederösterreich im Dritten Reich 1938-1945. In: Stefan Eminger,Ernst Langthaler (Hrsg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band1: Politik. Böhlau, Wien 2008, ISBN 978-3-205-78197-4, S.82f.
↑Klaus-Dieter Mulley: Niederdonau: Niederösterreich im Dritten Reich 1938-1945. In: Stefan Eminger,Ernst Langthaler (Hrsg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band1: Politik. Böhlau, Wien 2008, ISBN 978-3-205-78197-4, S.82.
↑Michael Rademacher: Reichsgau Niederdonau. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com. Abgerufen am 1. Januar 1900
↑Gauorganisationsamt der NSDAP und Behörde des Reichsstatthalters in Wien (Hrsg.): Ostmark Jahrbuch 1941. Carl Ueberreuter Verlag, Wien 1941.
↑Michael Buddrus: Totale Erziehung für den totalen Krieg: Hitlerjugend und nationalsozialistische Jugendpolitik. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2015, ISBN 978-3-11-096795-1.
↑Hans Schafranek: Wer waren die niederösterreichischen Nationalsozialisten? St. Pölten 2020, S.50ff.
↑Gauorganisationsamt der NSDAP und Behörde des Reichsstatthalters in Wien (Hrsg.): Ostmark Jahrbuch 1941. Carl Ueberreuter Verlag, Wien 1941.
↑Christian Klösch: Das nationale Lager in Niederösterreich 1918–1938 und 1945-1996. In: Stefan Eminger, Ernst Langthaler (Hrsg.): Niederösterreich im 20. Jahrhundert. Band1: Politik. Böhlau, Wien 2008, ISBN 978-3-205-78197-4.