Komor bereiste schon als Neunjähriger als „Wunderkind“ mit seiner Geige die österreich-ungarischen Städte.
Nach seinem Musikstudium am Konservatorium von Budapest bekam er, da ihm großes technisches Können und eine feine Einfühlungsgabe attestiert wurden, eine Anstellung bei der Budapester Oper.[1] Ab 1927 war er im Hotel Kaiserhof in Berlin engagiert. Dort leitete er ein kleines Orchester, in dem er die Geige spielte.
Zwischen 1928 und 1932 war er bei der Schallplattenfirma Tri-Ergon unter Vertrag[2] und spielte mit seinem „Künstler-Orchester vom Hotel Der Kaiserhof, Berlin“ live für die Gäste dieses Hauses zum Tanz auf; ebenso virtuos interpretierte er aber auch Konzert- und Salonstücke, Operetten- und Unterhaltungspotpourris.[3]
Es wurde behauptet, dass Komor auf Tri-Ergo außerdem auch als „Harry Jackson’s Tanz-Orchester“ firmierte,[4][5] wenn jazzige moderne Tanzmusik verlangt wurde. Allerdings ist durch zahlreiche Dokumente und Annoncen eindeutig bewiesen, dass der Name Harry Jackson ein Pseudonym für den in Wiesbaden, Berlin, Bonn und Düsseldorf musikalisch tätigen und in Wiesbaden lebenden Hermann Rechenbach war. Rechenbach/„Harry Jackson“ hatte neben seiner privaten Wiesbadener auch eine Düsseldorfer Adresse in der dortigen Pionierstr. 53.[6]
In Tangobesetzung spielte Komor als „Tango-Kapelle Komor“ und als „Tango-Kapelle Morello“. Diese Bezeichnung hatte jedoch nichts mit dem ebenfalls bei Tri-Ergon engagierten Banjospieler Tony Morello zu tun und wurde auch ohne sein Einverständnis verwendet.[7] Richtig aber ist, dass Tony Morello (* 1902) mit einer Gruppe von Musikern aus dem Umkreis von Bernard Etté, welcher ihn 1927 aus New York nach Berlin geholt hatte, unter dem Namen „Jazz-Kings“ bei Tri-Ergon im Oktober 1927 Aufnahmen machte (z. B. Tri-Ergon T.E.5045 – 5047 vom 23. Oktober 1927).[8]
Wie sein Erscheinen im Taschenalbum Künstler am Rundfunk von 1931[9] belegt, wurden Géza Komors Konzerte auch im Berliner Rundfunk übertragen „Seit Jahren“ – so heißt es dort – „schätzen die Hörer Berlins seine Tanzmusik“.
Im Sommer 1933 wurde er im Hotel „Kaiserhof“ durch das Orchester von Emanuel Rambour abgelöst.[10]
Im Sommer 1934 spielte Géza Komor mit seinem Orchester in Warnemünde. Am 1. September 1934 trat er ein Engagement im Hamburger „Boccaccio“ an, wo er bis Ende April 1935 blieb und dann dort vom Orchester Will Glahé abgelöst wurde.[11] Im Juli 1935 trat Géza Komor wiederum im Warnemünder Kurhaus auf, ehe er im Herbst 1935 im Hamburger „Trocadero“, Große Bleichen 32, gastierte.[12] Das „Trocadero“ war ein nobles Etablissement, in dem auch die wohlhabende Hamburger Swingjugend verkehrte. Von dort fand auch eine Rundfunkübertragung des Reichssenders Hamburg am Samstag, 19. Oktober 1935 von 24 bis 2 Uhr nachts statt.[13]
Als jüdischer Künstler[14] bekam Komor nach 1935 die Anwendung der Nürnberger Gesetze zu spüren und kehrte daher in seine ungarische Heimat zurück. Dort konnte er zunächst weiter als Musiker arbeiten.
Auf einer Patria-Schallplatte aus dem Jahre 1935 (Patria Ultravox 175 (MR 70)): Indian szerelmi dal (Indian Love Call) (Friml – Polgár) ist er als Interpret genannt (Szedö Miklos, Komor Géza Pátria Tanc-Zenekara).[15] Sein Orchester, das inzwischen den Namen der Schallplattenfirma Patria führt, was auf ein festes Engagement dort schließen lässt, begleitet den populären ungarischen Sänger der Zwischenkriegszeit Miklos (Nikolaus) Szedö.
Da sich nach 1935 auch in Ungarn die antisemitischen Tendenzen[16] verstärkt zeigten, konnte er sich nun auch in seinem Heimatland nicht mehr sicher fühlen. Er floh 1936 nach Skandinavien, zuerst nach Norwegen, dann nach Schweden. Dort musizierte er zwar noch, nahm aber kein Schallplatten mehr auf.
Komor ist 1950/51 in Schweden nach einer erfolglosen Krebsoperation gestorben.[17]
Achtung Achtung Wir senden Tanzmusik! Schlagerpotpourri (Nico Dostal) I. und II. Teil.
Tanzorchester Géza Komor mit Refraingesang. Aufgenommen im Juni 1929 in Berlin, die Refrains singt Willy Munny [d. i. Wilhelm Gombert]. Tri-Ergon T.E.5653 (mx 02914/15).[19][20]
Für einen Fliederstrauß darfst du mich küssen, Fox Trot (Will Meisel, Text von Willy Rosen u. Kurt Schwabach) Tanzorchester Géza Komor mit Refraingesang. Tri-Ergon T.E.5551 (mx. 02499)[21]
Avant de mourir / My Prayer (Georges Boulanger – Karl Satow) Künstler-Orchester Géza Komor vom Hotel „Der Kaiserhof“, Berlin, Tri-Ergon T.E.5441 (mx. 02057) aufgen. Berlin 1929[22]
Knecht Ruprecht kommt! Weihnachts-Fantasie (Léon Jessel) Künstler-Orchester Géza Komor vom Hotel „Der Kaiserhof“, Berlin, Tri-Ergon TE 5980 (Mx 03658 und 03659), aufgen. Ende 1930.[23]
Meine Mama war aus Yokohama, Fox Trot (Abrahám Pál, Text von Grünwald und Beda) aus Viktoria und ihr Husar: Harry Jacksons Tanz Orchester mit Gesang. Tri-Ergon T.E. 4947 (mx. 03643)[24]
Was ist los? (Where Can She Be ?) Fox Trot (Harry Weans, Text von Alexander Flessburg) Harry Jacksons Tanz Orchester mit Refraingesang Kurt Mühlhardt. Tri-Ergon T.E. 5782 (mx. 03211)[25]
Du bist mein Stern (Kié vagy / Madam Yvonne), Lied u. Tango (Eisemann Mihály, deutscher Text von Beda, ungarischer Text von Szilágy László) Tango-Kapelle Morello, mit Refraingesang Kurt Mühlhardt. Tri-Ergon T.E. 5804 (mx. 03295)[26]
Ich kenn’ einen schüchternen jungen Mann. Lied und Tango aus dem Tonfilm Zwei Welten (O. Stransky & M. Freudenberg) Tri-Ergon T.E.5955 (mx. 03296) Tango-Kapelle Morello
Kleine Mi Tsou. Japanischer [sic] Tango. (Willy Rosen & Marcel Lion) Tri-Ergon T.E.5955 (mx. 03696) Tango-Kapelle Morello
Nachweise über Abbildungen
Abbildung von Géza Komor mit Widmung im Taschenalbum Künstler am RundfunkPhoto
Photo der Kapelle Géza Komor im Hotel „Kaiserhof“ in Berlin – Veröffentlichung in Tempo vom 25. Januar 1930, Atelier Zander & Labisch (= Ullstein Bild ID 00082224).
Brillant Spezial Nr. 44 mit Komor-Aufnahme Potpourri aus der Operette »Die Lustige Witwe« (Lehár)Etikett
Tri-Ergon mit Bezeichnung Tango-Kapelle MorelloEtikett
Tri-Ergon mit Bezeichnung Harry Jackson’s Tanz-OrchesterEtikett
Literatur
Uwe Bahnsen: Swing-Jugend – Sie wollten doch nur tanzen. In: Die Welt v. 17. Juni 2012.
Uwe Henkhaus: Heil Hot’ler – Swingjugend im Nationalsozialismus. In: Musik in Hessen, 7. April 2014.
Künstler am Rundfunk, Taschenalbum auf das Jahr 1931, Verlag Rothgiesser & Diesing, Berlin 1931.
Horst H. Lange: Jazz in Deutschland. Die deutsche Jazz-Chronik 1900-1960. Berlin, Colloquium-Verlag, 1966 u. ö.
Rainer E. Lotz: Tony Morello. Published 1981 by Jazzfreund in Menden. Written in English (= Jazzfreund-Publikation Nr. 14), 74 S.
Stengel-Gerigk = Theo Stengel; Herbert Gerigk (Bearb.): Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen. Bernhard Hahnefeld, Berlin 1940. 9 S., Sp. 11–380, OLn.
Eva Weissweiler: Ausgemerzt!: das „Lexikon der Juden in der Musik“ und seine mörderischen Folgen. Unter Mitarb. von Lilli Weissweiler. Dittrich, Köln 1999. 444 S.; 21 cm. – Enthält S. 181–375 Reprint von: Lexikon der Juden in der Musik, Berlin 1940, ISBN 3-920862-25-2.
↑ vgl. Aufnahmen wie TE 1191 Fortissimo! Grosse Kálmán-Fantasie, TE 1189 Mosaik, Potpourri von Carl Zimmer, TE 5344 Potpourri aus Der Bettelstudent, TE 5467 Potpourri aus Die Geisha, TE 5211 Suite orientale, von Popý, TE 5103 Glühwürmchen-Idyll von Paul Lincke, u. a.
↑dismuke.org: Harry Jackson's Tanz Orchester is a recording pseudonym for the Géza Komor dance orchestra. (englisch)
↑Heribert Schröder, Tanz und Unterhaltungsmusik in Deutschland 1918-1933, Bonn 1980, S. 197, 205, vgl. Anzeigen in Der Artist 39, 1921, Nr. 1877 und Der Artist 39, 1921, Nr. 1908. Der in Nr. 1877 genannte J. Kempf hatte „(Harry) Jacksons Jazzband“ mehrfach in das Veranstaltungslokal Select/Taunuspalais in der Wiesbadener Taunusstr. 27 eingeladen. Dies geht aus Anzeigen im Wiesbadener Tagblatt vom 23. September 1920, 3. Oktober 1920, 18. Februar 1921 und 20. Juni 1923 hervor. Aus den Adressbüchern und der von Kempf 1921 veröffentlichten Anzeige geht weiterhin hervor, dass Rechenbach (Harry Jackson) in der Nähe des Select in der Emser Straße. 6 wohnte. Da sein Beruf als Kellner angegeben wird, ist davon auszugehen, dass er diesen Beruf im Select ausübte und als Musiker zunächst nebenberuflich tätig war.
↑ vgl. grammophon-platten.de : „Von 1927 bis 1933 war das Orchester Géza Komor die Hauskapelle des Hotels. 1933 wurde Emanuel Rambour der Nachfolger“. Dort auch weitere Abb. des Hotels.
↑ er erscheint im Stengel-Gerigk 1941 sp.152 (gibt den 5. Mai 1900 als Geburtsdatum an) und wird von Sarah Barth: Anmerkungen zum Jazz im „Dritten Reich“. In: Jazzbrief aus Darmstadt (Memento vom 4. Mai 2014 im Internet Archive), August 2008 erwähnt
↑vgl. Zsolt Vitári@1@2Vorlage:Toter Link/www.herder-institut.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im November 2022. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Ungarn in der Zwischenkriegszeit (1918–1939) : „In den 1930er Jahren gewannen die rechtsextremen Kräfte immer mehr an Boden ... Als führende Kraft kristallisierte sich die Pfeilkreuzler-Bewegung ... von Ferenc Szálasi heraus, die 1939 bereits 31 Mandate erhielt.“
↑Das Potpourri enthält Schlager wie I can't give you any thing but love, Einmal sagt man sich adieu, Fräulein Pardon, In einer kleinen Konditorei, Tränen weint jede Frau so gern, Der Duft der eine schöne Frau begleitet, Du lieber Herrgott, schick mir doch ein kleines Mädel, Wenn du einmal dein Herz verschenkst und Sonny Boy.