Felix Paul Greve wurde am 14. Februar 1879 in Radomno (damals Westpreußen) als Sohn von Eduard und Bertha Greve (geb. Reichentrog) geboren. Nach einem Aufenthalt als Gutsverwalter in Pommern nahm die Familie ab 1881 ihren Wohnsitz in Hamburg. Nach der Trennung der Eltern im Jahre 1892 lebte Greve mit seiner älteren Schwester (die bald danach in die USA auswanderte) bei seiner Mutter, die eine Pension führte. Er besuchte die Volksschule und die Realschule in St. Pauli, danach das Realgymnasium und schließlich die „Gelehrtenschule“ des Johanneums, wo sich seine besondere Begabung für Sprachen zeigte. Er legte 1898 sein Abitur ab. Anschließend studierte er mit Hilfe mehrerer Stipendien an den Universitäten in Bonn und Münchenklassische Philologie und Archäologie, unterbrochen durch einen Aufenthalt am Deutschen Archäologischen Institut in Rom 1900/1901. Während das Studium in Bonn von seiner Aktivität in einem akademischen Ruderclub geprägt gewesen war, suchte Greve in München, wo er eine ausgedehnte übersetzerische Tätigkeit entfaltete, als Autor und Übersetzer Anschluss an den Kreis um Stefan George; zeitweise bestand eine enge Freundschaft zu Karl Wolfskehl. In diese Zeit fällt Greves extensive Beschäftigung mit Oscar Wilde. In München veröffentlichte er einen ersten Gedichtband und ein Monodrama.
Von München aus ging Greve 1902 nach Berlin, wo er ein Verhältnis mit Else Endell geb. Ploetz, der Frau des Architekten August Endell, begann, die er in München kennengelernt hatte. Er brannte mit ihr nach Palermo durch. Auf der Rückreise wurde Greve 1903 in Bonn verhaftet; ein früherer, homosexuell orientierter Studienfreund hatte ihn, vermutlich aus Eifersucht, zur Rückzahlung eines Privatdarlehens gedrängt und bei Zahlungsunfähigkeit angezeigt. Greve wurde wegen Betrugs zu einem Jahr Gefängnis verurteilt; während der Verbüßung seiner Haft im Bonner Gefängnis war er als produktiver Autor, Herausgeber und Übersetzer tätig und nahm Kontakt zu André Gide und H. G. Wells auf. Anschließend lebte Greve mit Endell in der Schweiz, in Frankreich und wieder in Berlin. Sie heirateten im Frühjahr 1907. Er übersetzte weiterhin aus dem Englischen und Französischen und verfasste neben zwei Romanen auch Essays und ein (zur Aufführung von der Deutschen Bühne angenommenes, aber verschollenes) Theaterstück. Im Jahre 1909 sah Greve, der ständig mit großen Schulden zu kämpfen hatte und zuletzt seine Übersetzung von Jonathan Swifts Prosaschriften gleichzeitig an zwei verschiedene Verlage verkauft hatte, keinen anderen Ausweg, als einen Selbstmord vorzutäuschen und Europa im Juni 1909 an Bord der Megantic zu verlassen.
Von Liverpool aus reiste Greve nach Montréal, dann nach Toronto und New York. In Amerika nahm er unter dem Namen „Frederick Philip Grove“ eine neue Identität an. Seine Frau Else folgte ihm 1910 nach Pittsburgh; sie lebten bis zu ihrer Trennung im Jahre 1911 oder 1912 in Kentucky. Else wird als von Freytag-Loringhoven, dadaistische Gräfin, Künstlermodell und Dichterin in New York bekannt. 1912 ging Grove in die kanadische Provinz Manitoba. In den folgenden Jahren unterrichtete er als Lehrer und Rektor in verschiedenen kleineren Orten auf dem Lande. 1914 heiratete er seine Lehrerkollegin Catherine Wiens. 1921 erhielt er die kanadische Staatsbürgerschaft. 1922 legte er die Externenprüfung zum Bachelor of Arts in den Fächern Französisch und Deutsch an der University of Manitoba in Winnipeg ab. Groves erste Werke in englischer Sprache erschienen ab 1922; 1924 gab er seinen Lehrerberuf aus Gesundheitsgründen auf. 1928/29 unternahm der Autor Grove drei ausgedehnte Lese- und Vortragsreisen durch Kanada, die ihn landesweit bekannt machen. 1929 zog die Familie nach Ontario. 1931 ließ sie sich in Simcoe nieder. Grove übte dort neben seiner schriftstellerischen Arbeit verschiedene Tätigkeiten aus, unter anderem als Verlagslektor; seine wirtschaftliche Lage blieb bis zu seinem Tode trotz wachsenden literarischen Ruhms kritisch, so dass er immer wieder auf finanzielle Unterstützung durch die Canadian Authors’ Association angewiesen war. 1934 erhielt er die Lorne Pierce Medal für Literatur der Royal Society of Canada. 1941 wurde er zum Mitglied der Royal Society of Canada gewählt, 1946 erhielt er den Ehrendoktor der University of Manitoba in Winnipeg und der Mount Allison University, 1947 wurde ihm für sein partiell autobiographisches Werk In Search of Myself ein renommierter kanadischer Literaturpreis, Governor General’s Award, verliehen.
Groves englischsprachige Werke, die mehrfach eigene Erfahrungen während seiner Jahre im amerikanischen und kanadischen mittleren Westen verarbeiten, gelten heute als Klassiker der kanadischen Literatur. In seinen semi-autobiografischen Werken verbreitete Grove die durch den Ersten Weltkrieg und die Gefahr der Internierung notwendig gewordene Legende, er entstamme einer britisch-schwedischen Familie und habe als Sohn wohlhabender Eltern in seiner Jugend halb Europa bereist. Seine deutsche Herkunft wurde erst 1973 von dem kanadischen Literaturwissenschaftler Spettigue aufgedeckt. Grove und sein Kreis in Winnipeg und Ontario gelten als Pioniere in der Entwicklung der kanadischen Literatur zwischen den Weltkriegen. Sein Einfluss auf den realistischen Prärieroman sowie spätere Autoren wie Sinclair Ross und Hugh MacLennan ist sehr hoch einzuschätzen. Grove ist zudem ein großer Anteil an der Internationalisierung und Professionalisierung kanadischer Literatur zuzuschreiben.
Sammlungen und Archivalien in Deutschland
Die Sammlung F. P. Greve / Grove in der „Sammlung Klaus Martens“ im „Literaturarchiv Saar-Lor-Lux, Saarländische Universitäts- und Landesbibliothek“ enthält neben Greves Werken in verschiedenen Ausgaben eine Reihe von Manuskripten, eine Fülle von Briefen von und an Greve sowie Gedichte. Es gibt dort Forschungsunterlagen von Martens zu Greve 1987–2009 sowie die Materialien zu seinen fünf Büchern über Grove von 1996–2007 und zu Aufsätzen. Die Sammlung ist bibliothekarisch erschlossen.
Ein zweiter Teil von Martens’ Sammlung enthält Bücher und Material (Korrespondenz, Geschäftsunterlagen, Tagebücher, Notizen) zu Max und Margarete Bruns und zum Verlag J.C.C. Bruns um die Jahrhundertwende 1900, dem ersten Verleger Greves.
Tales from the Margin. Hrsg. Desmond Pacey. Toronto 1971
The Letters of Frederick Philip Grove. Hrsg. Desmond Pacey. Toronto [u. a.]1976
Poems / Gedichte - by/von Frederick Philip Grove, Felix Paul Greve & Fanny Essler. Hrsg. Gaby Divay. Winnipeg, University of Manitoba Archives, c2007. (E-Edition)
A Dirge for My Daughter. Selected Poems. Hrsg. Klaus Martens. Würzburg 2006
Gaby Divay, Abrechnung und Aufarbeitung im Gedicht: Else Baroness von Freytag-Loringhoven über drei Männer: Ernst Hardt, August Endell, Felix Paul Greve/Grove. [mit sechs Gedichten] In: Trans-Lit VII (1998), 24-37. - (E-Edition, c2005)
Gaby Divay, Aspekte der Verlagspolitik des Insel-Verlages, 1900-1910. [presented at the 1990 German Studies Association (GSA), Buffalo, N.Y.] - (E-Edition, c2005)
Gaby Divay, Felix Paul Greve's & Else von Freytag-Loringhoven's 1904/5 'Fanny Essler' Poems: His or Hers? In: Arachne: An Interdisciplinary Journal of Language and Literature, v. 1 (1994), 165-197. - (E-Edition, c2005)
Gaby Divay, FPG (Felix Paul Greve/Frederick Philip Grove)'s Passage to America in 1909: Its Oct. 1998 Discovery. In: New Worlds: Discovering & Constructing the Unknown in Anglophone Literature. (Festschrift für Walter Pache). München: Verlag Ernst Vögel, 2000, 111-132. - (E-Edition, c2006)
Jutta Ernst, Klaus Martens (Hrsg.): Felix Paul Greve - André Gide: Korrespondenz und Dokumentation. St. Ingbert 1999
Irene Gammel: Sexualizing Power in Naturalism. Calgary 1994
The Grove Symposium. ed. John Nause. Ottawa 1974
Beate Hermes: Felix Paul Greve als Übersetzer von Gide und Wilde. Frankfurt 1997
Paul Hjartarson (Hrsg.): A Stranger to My Time. Edmonton 1986
Horst Immel: Literarische Gestaltungsvarianten des Einwandererromans in der amerikanischen und anglo-kanadischen Literatur. Grove, Abraham Cahan, Rölvaag, Henry Roth. Peter Lang, Bern 1987 (Mainzer Studien zur Amerikanistik, 21) Zugl.: Diss. phil., Universität Mainz 1986
Axel Knönagel: Nietzschean Philosophy in the Works of Frederick Philip Grove. Frankfurt 1990
Klaus Martens: Over Canadian Trails. F.P. Grove in New Letters and Documents Würzburg 2007
Klaus Martens: F.P. Grove in Europe and Canada. Edmonton 2001
Klaus Martens: Felix Paul Greve - André Gide. Korrespondenz und Dokumentation. St. Ingbert 1999
Klaus Martens: Felix Paul Greves Karriere. St. Ingbert 1997
Markus M. Müller: Felix Paul Greve, alias Frederick Philip Grove: Some observations on his personal process of palimpsest. in Müller, Robert C. Thomsen, David Parris Hgg.: Passages to Canada: Eighteen Essayistic Routes Proceedings of the European Student Seminars on Graduate Work in Canadian Studies, 1. Brno University Press, 2002. S. 86–95 (Zugl. Diss. phil. Universität Trier, Auszug) Volltext siehe unten Weblinks
dsb.: Frederick Philip Grove - Felix Paul Greve, in Länderbericht Kanada. Hg. Ursula Lehmkuhl. Bundeszentrale für politische Bildung BpB, Bonn 2018, S. 164f. (mit Bild: Umschlag der Erstausgabe von „A search for America“)
Reingard M. Nischik, Konrad Groß, Wolfgang Klooß Hgg.: Kanadische Literaturgeschichte. J. B. Metzler, Stuttgart 2005; ab unveränd. 8. Aufl. und als E-Book: Springer Nature, S. 131 – 134 (Darstellung seiner engl. Hauptwerke; Foto)
Desmond Pacey: Frederick Philip Grove. Toronto 1945
Desmond Pacey, J.C. Mahanti: Felix Paul Greve / Frederick Philip Grove: ein internationaler Romanschriftsteller, in: Jahrbuch „Der Bär von Berlin“, Hg. Verein für die Geschichte Berlins, 23. Jg. Berlin 1978
Walter Pache: Der Fall Grove, in Degeneration, Regeneration. Würzburg 2000
Walter Pache: Der Fall Grove. Vorleben und Nachleben des Schriftstellers Felix Paul Grove, in Deutsch-kanadisches Jahrbuch – German-Canadian Yearbook, 5, 1979, Hgg. Hartmut Froeschle u. a. Historical Society of Mecklenburg, Upper Canada ISSN0316-8603 S. 121–136
Alice J. Pitt: Interferenzphänomene in der Sprache von Frederick Philip Grove. Fredericton 1977
Julia Reinike: Frederick Philip Groves „A Search for America“ und „In Search of Myself“. Kiel 2000
Marita Roehl: Frederick Philip Grove (1879–1948). Berlin 1988
Douglas O. Spettigue: Frederick Philip Grove. Toronto 1969
dsb.: FPG: the European Years. Ottawa 1973
Margaret R. Stobie: Frederick Philip Grove. New York 1973
Ronald Sutherland: Frederick Philip Grove. Toronto 1969
Frederick Philip Grove's German Heritage - The Evidence in the University of Manitoba's Archival Collections / by Gaby Divay. In: German-Canadian Studies in the Nineties, Toronto: German-Canadian Historical Association, 1993, 37-58. [E-Edition]