Faramondo
Faramondo (HWV 39) ist eine Oper (Dramma per musica) in drei Akten von Georg Friedrich Händel und die erste Oper nach dem Zusammenbruch der dritten Opernakademie im Jahre 1737. Mit ihr kehrte Händel an das King’s Theatre am Haymarket zurück. EntstehungDie vorangegangenen Spielzeiten seiner dritten Opernakademie am Theatre Royal in Covent Garden waren so angespannt, hektisch und ausgefüllt gewesen, dass Händel kaum Zeit blieb, über seine persönliche Lage und die der italienischen Oper in London nachzudenken. Diese Gelegenheit bot sich nun unerwartet: Mitte April 1737, nur einen Monat vor der geplanten Premiere der Berenice, erlitt Händel als Folge seiner körperlichen und geistigen Anspannungen einen katastrophalen Zusammenbruch: Schlaganfall![1] Er wollte in diesen Tagen das von ihm zusammengestellte und bearbeitete Pasticcio Didone abbandonata nach Pietro Metastasios gleichnamigen Erstlingswerk mit Musik von Leonardo Vinci, Johann Adolph Hasse, Geminiano Giacomelli und Antonio Vivaldi leiten, doch durch die eingetretene Lähmung seines rechten Arms und der geistigen Trübungen musste wohl möglicherweise Händels zweiter Cembalist Johann Christoph Schmidt jun. die Abendleitung übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt war völlig unklar, ob dieser Schicksalsschlag seine Tätigkeit als Komponist und Dirigent nicht für immer beenden würde. Seine Freunde und Anhänger jedenfalls waren sich keineswegs sicher, wie der Gelehrte James Harris an seinen Vetter, den Earl of Shaftesbury schrieb:
In seinen Memoirs of Handel (1760) berichtete der Earl of Shaftesbury:
Nach der letzten Vorstellung der Spielzeit, dem Alexander-Fest am 25. Juni, die Händel wahrscheinlich unter Aufbietung aller Kräfte wieder selbst leitete, beschlossen seine Freunde, er habe nunmehr genug eingesteckt, und drängten ihn, die Heilbäder von Aix-la-Chapelle (Aachen) aufzusuchen. Im September ging er also für sechs Wochen dorthin. Über vieles konnte er sich hier Gedanken machen: das Scheitern der Oper; die Unbeständigkeit des Publikums und der Mäzene, seine eigene Position gegenüber der Öffentlichkeit und den ausführenden Künstlern, die neuen Möglichkeiten, die sich durch den Erfolg der Oper in englischer Sprache auftaten, und das beständige Glück, das seine Experimente außerhalb der Opernbühne begleitet hatte. Seine eigene Zukunft als Virtuose schien dank der „wunderbaren Wirkung“ der Kur, der Medikamente und seiner eisernen Konstitution gesichert. Inzwischen hat die Medizin unterschiedliche Diagnosen für Händels Leiden geliefert: Am verbreitetsten ist die Theorie, der zufolge er an einer Gehirnthrombose litt, von der er sich aufgrund guter Durchblutung rasch erholte. Eine zweite Diagnose lautet: chronischer Muskelrheumatismus; dies würde Händels plötzliche Genesung besser erklären. Die Tatsache, dass Aachen in besonderer Weise mit der Heilung von Geschlechtskrankheiten verbunden wird, stellt keine ausreichende Grundlage für eine Theorie dar, der zufolge Händel an Syphilis litt.[5] Schwieriger zu diagnostizieren ist, was Händel über die italienische Oper dachte. Er war zu sehr Pragmatiker, um sich nicht einzugestehen, dass sich der Geschmack des englischen Publikums wandelte und dass seine eigenen Opern, wie Mrs. Pendarves, seine lebenslange Verehrerin und Nachbarin in der Brook Street, einmal beklagte
waren. Doch Händel besaß ein natürliches und berechtigtes Überlegenheitsgefühl, wenn es um musikalische Werte ging, und die Launen des Publikums waren für ihn noch lange kein Grund, von seinem Glauben an das dramatische Konzept der italienischen Oper abzulassen. Wenn er Züge Bononcinis und der leichteren Intermezzi in seine eigene hochentwickelte Vorstellung der Opera seria aufnahm, dann war das der äußerste Kompromiss, zu dem er bereit war. Aber noch eine andere Überlegung kam ins Spiel, die im Jahre 1737 von ebenso großer Bedeutung war wie 1729, als Paolo Antonio Rolli sie erstmals in einem Brief an Giuseppe Riva erwähnte:
Nur wenige Fakten erhellen dieses entscheidende Problem der Finanzierung. Durch neuere Funde (hauptsächlich unter den Papieren des Herzogs von Portland) und die Arbeit von Robert Hume und Judith Milhous besitzen wir heute ein klareres und fundierteres Bild von Händels Position. Obwohl die finanzielle Situation der Royal Academy vom Tag ihrer Gründung (1719) an verzweifelt war, zeigt eine überschlägige Untersuchung der Finanzlage in der Spielzeit 1732/33, dass sowohl Händel wie auch der Impresario Johann Jacob Heidegger sich eine Weiterführung der Oper hätten leisten können, und zwar auf der Basis ihrer Nebeneinkünfte – im Falle Heideggers die Maskenspiele, die ihm pro Jahr mehr als 2000 Pfund eingebracht haben sollen, im Falle Händels lukrative Konzerte (die hohen Einnahmen aus Athalia beispielsweise), das ihm vom König ausgesetzte Gehalt und seine Auftragsarbeiten (Wassermusik und Oden für besondere Anlässe wie Hochzeiten und Beerdigungen). Solange Händel in diesem Projekt nicht selbst einer der Hauptunternehmer war, war seine finanzielle Sicherheit nicht gefährdet. Doch je mehr er sich zur aktiven Beteiligung am Management gezwungen sah, wie im zweiten Anlauf ab 1729 gemeinsam mit Heidegger, desto mehr zog er den „Abscheu“ der Öffentlichkeit auf sich, und desto schneller wurde er von seinen Sängern der „Tyrannei“ bezichtigt. Für Händel als Unternehmer sprachen lediglich seine Hartnäckigkeit und die ihm eigene musikalische Produktivität. Toleranz gehörte nicht zu seinen starken Seiten, und ein Mann, der fähig war, zu erklären, ein königlicher Prinz stehe nicht mehr in seiner Gnade, konnte auf die künstlerischen Exzesse der „von weit hergeholten und teuer bezahlten Herrschaften“, aus denen sich seine Truppe zusammensetzte, nur unwirsch reagieren. Und doch war es wohl so, wie Colley Cibber es formulierte:
Händels Scheitern ließ sich gewiss nicht auf mangelnde Unterstützung von höherer Warte zurückführen. König Georg II., Königin Caroline und der Prince of Wales unterstützten Händels Projekte konsequent.
schrieb Rolli sarkastisch im Jahre 1729. Das eigentliche Problem war, dass es in London nun zwei Operngesellschaften gab. Eine Gesellschaft allein hätte vielleicht genug Unterstützung gefunden, um finanziell überleben zu können; zwei bedeuteten, dass beide schnell unprofitabel bis zum Ruin wurden: Die sinnlosen Streitereien können ihren gleichzeitigen Niedergang nur beschleunigt haben:
Das Londoner Publikum wollte Inhalte, nicht nur optische und akustische Reize, und verschärfte damit Wettbewerb und Rivalität. Händel hatte sich weiterhin stur geweigert, auf die Vorschläge von Aaron Hill und anderer Verfechter einer englischen Oper zu hören, nun hatte sich das Publikum der Burleske und der Satire zugewandt. Nicht der italienischen Oper hatte die Bettleroper den Todesstoß versetzt, sondern den Hoffnungen auf eine ernste englische Oper. Jetzt konnte Händel nur noch feststellen, dass das Londoner Publikum bereits über die neue populäre Unterhaltungsform verfügte, nach der es verlangt hatte. Es war nicht die Form, die er (oder Aaron Hill) sich gewünscht hätten, aber die Gelegenheit war verpasst.[5] Gegen das Scheitern seines Opernprojektes musste Händel nun den Erfolg von Athalia und Esther, Das Alexander-Fest und Acis and Galatea aufwiegen. Obwohl er vom musikalischen Potenzial des Oratoriums noch nicht überzeugt war, schien die Öffentlichkeit bereits zu vermuten, dass aus einer Kombination von Händels „hehrem und noblen Stil“ mit entsprechenden Versen Drydens, Miltons oder der Bibel das fehlende Verbindungsglied zwischen dem Stil seiner offiziösen Festmusiken, die auf dem altüberlieferten englischen Kirchenidiom basierte, und der meisterhaften, aber überstilisierten Opera seria entstehen würde. Eines der Risiken, die das Oratorium barg, war Händel bereits begegnet: die Anfeindung seitens der Öffentlichkeit. Wohl wurde die Oper wegen ihrer Absurdität und Extravaganz angegriffen, dem Oratorium jedoch drohte der weit schwerwiegendere Vorwurf der Gotteslästerung. Einen Kompromiss auf der Grundlage seiner Erfolge mit Dryden und seinen ersten Experimenten in Cannons mit Acis and Galatea stellten die englische Ode oder das Pastoral dar. Weit weniger risikobeladen, dafür ein garantierter finanzieller Erfolg in den Händen eines geschäftstüchtigen Verlegers war der Bereich der Instrumentalmusik. Nach Ansicht der Zuhörerschaft konnte niemand besser Konzerte schreiben als Händel. Mit der Veröffentlichung von Instrumentalmusik war zwar weniger Prestige verbunden als mit der Oper, aber sie verbarg auch weniger Fallstricke. Solange zwei Operngesellschaften in London existierten, blieb Händel eigentlich nur die Wahl zwischen Konzert, Ode oder Oratorium. Gekräftigt, wie er nach dem Aufenthalt in Aachen war, konnte er vielleicht sogar mehr als eines dieser Projekte angehen.[5] Doch gleichgültig, unter welchem Gesichtspunkt man Händels Laufbahn im Nachhinein betrachtet, eine Tatsache sticht immer hervor: seine hartnäckige Weigerung, vom Theater, seiner eigentlichen Berufung, abzulassen. Weder finanzielle noch gesundheitliche Katastrophen kamen dagegen an, selbst angesichts eines desinteressierten Publikums, eines veränderten Musikgeschmacks und Gerüchten über seine schwindende Macht blieb er standhaft. Sogar in Deutschland war schon die Rede davon,
Doch die sechs Wochen seiner Genesung waren noch nicht um, als Händel allen Gerüchten über seine Niederlage entgegentrat, indem er der Stadt Elbing an der Ostsee, nahe Danzig, für die Feier ihres fünfhundertjährigen Bestehens eine Pasticcio-Oper lieferte, die er aus sieben seiner eigenen Kompositionen zusammenstellte. Ein Libretto zu Hermann von Balcke (der die Stadt im Jahre 1237 gegründet hatte) ist in der Elbinger Stadtbücherei noch erhalten, die Musik ging jedoch verloren. Wenn Händel tatsächlich zur Leitung der Aufführung nach Elbing gefahren ist (was zweifelhaft ist), so sagt das viel aus über seinen bewundernswerten Willen zur Genesung, und es fällt leichter, Mainwarings Geschichte Glauben zu schenken, der zufolge Händels Gesundung unter den Aachener Nonnen als Wunder galt. In seinen Memoirs of Handel erzählt der Earl of Shaftesbury eine andere Version der Geschichte, die für Händels vollständige Genesung spricht; darin spielt sich der Vorfall auf Händels Heimreise ab:
Als Händel nach England zurückkam, stand er zum ersten Mal einer Opernsaison, die gerade angelaufen war, als Unbeteiligter gegenüber. In einem Detail unterschied sich diese Spielzeit von den vorhergehenden: Das Konzessionsgesetz, das seit dem Sommer in Kraft war, hatte den beiden öffentlichen Theatern Covent Garden und Drury Lane das Monopol über die dramatische (nicht musikalische) Unterhaltung verschafft. John Rich profitierte vom Zusammenbruch der kleinen Bühnen, indem er die Opernburleske The Dragon of Wantley von Henry Carey (Text) und Johann Friedrich Lampe (Musik) für Covent Garden kaufte, nachdem diese am Little Theatre am Haymarket im Mai zuvor wenig erfolgreich gewesen war, und damit auf einen Schlag seine Verluste deckte und sich die einzige musikalische Attraktion dieser Spielzeit sicherte, die für ein ausverkauftes Haus sorgen konnte. Sie wurde in ihrer ersten Spielzeit 69 mal aufgeführt, das waren sieben Vorstellungen mehr, als selbst die Bettleroper erzielt hatte; damit versetzte sie der italienischen Oper endgültig den Todesstoß.[5] Am Haymarket hatte unterdessen Heidegger, der letzte verbleibende professionelle Betreiber der gescheiterten Adelsoper, die neue Spielzeit am 29. Oktober 1737 mit einem Pasticcio, Arsace, unter Leitung von Giovanni Battista Pescetti und mit von diesem arrangierter Musik eröffnet. Als Nachfolger Farinellis, der im vergangenen Sommer England endgültig verlassen hatte, engagierte Heidegger den hochmütigen Caffarelli, zeitgenössischen Berichten zufolge ein großartiger Sänger, jedoch launisch und von ungezügelter Arroganz. Später landete er in Italien im Gefängnis, weil er auf der Bühne eine Primadonna durch obszöne Gesten beleidigt hatte. Heidegger hatte Pescetti, der schon zuvor ein Direktor der Opera of the Nobility gewesen war, als Hauskomponisten annonciert, aber er kann kaum von diesem erwartet haben, eine ganze Spielzeit zu bestreiten; wahrscheinlich hoffte er, Händel könne diesem Köder nicht widerstehen. Keine zwei Wochen nach seiner Rückkehr nach England traf Händel mit Heidegger eine Vereinbarung, der zufolge er für dessen Truppe zwei neue Opern und ein Pasticcio schreiben und sich als Musikdirektor in seinen Dienst stellen sollte. Er nahm die Arbeit an Faramondo auf und notierte in seine Partitur „angefangen den 15. Novembr 1737 | Dienstag.“. Doch alle Pläne und Projekte sahen sich jäh unterbrochen, als Königin Caroline am 20. November starb. Gerade erst drei Vorstellungen hatte die neue Spielzeit am Haymarket gesehen, als alle Theater für eine Staatstrauer von sechs Wochen ihre Pforten schließen mussten.[5] Händel schrieb für die Beisetzungsfeierlichkeiten das berühmte Funeral Anthem The Ways of Zion do Mourn (HWV 264), das am 17. Dezember aufgeführt wurde. Für ihn bedeutete der Tod der Königin einen persönlichen Verlust: Er hatte sie seit ihrem elften Lebensjahr gekannt, als sie noch Caroline von Ansbach war; und im Jahre 1711 in Hannover hatte er für sie, damals die Braut von Georg August, Duette geschrieben. In England hatte sie ihn nachhaltig unterstützt, indem sie für sich und ihre Töchter Opernsubskriptionen bezog, ihn als Musiklehrer anstellte und versuchte, zwischen ihrem Gatten und ihrem Sohn in seinem Interesse zu vermitteln. Unterdessen setzte Händel mit der Neukomposition fort: „Fine dell Atto 1. Montag den 28 Novembr 1737“ – „Fine dell' Atto 2do | Den 4 Decembr 1737. | Sontags Abends üm 10 Uhr.“ Eine Woche nach den Begräbnisfeierlichkeiten, am Heiligen Abend, beendete Händel Faramondo: „Fine dell' Opera | G.F. Handel. London Decembr 24. 1737.“, und begann sofort mit einer neuen Oper, Serse: „angefangen den 25 Decembr 1737 | Sontag oder 26 Montag, den 2 Xtag.“ Das heißt: „Angefangen am 25. Dezember, Sonntag, oder vielmehr am 26., Montag, nämlich am zweiten Weihnachtstage.“ Die Zahl 25 ist im Manuskript durchgestrichen. Er nahm sich offensichtlich anlässlich des Weihnachtsfestes einen Tag frei. Man wird keinen deutlicheren Beweis finden für seinen Elan, seine Ausdauer und Hartnäckigkeit – trotz des Vermerks unter der Arie Vanne, che piú ti miro (Nr. 6) im Faramondo: „Mr Duval, Arzt in der Poland Street.“.[5][13] Als die Staatstrauer am 3. Januar aufgehoben wurde, kam Faramondo noch am selben Abend um 18 Uhr auf die Bühne:
– Eine Londoner Zeitung, 4. Januar 1738[14] Lord Wentworth (noch keine sechzehn Jahre alt) schrieb nach der Probe am 3. Januar an seinen Vater:
Ob damit Caffarelli gemeint war, bleibt unklar. Es könnte sich auch um die Sopranistin Élisabeth Duparc, bekannt als „La Francesina“ handeln, die eine von Händels regelmäßigen Sängerinnen wurde. Der Truppe gehörte auch der Knabe William Savage an, für den Händel schon Sopran-Rollen in Alcina (Oberto) und Giustino (Fortuna) geschrieben hatte. Seine Partie ist im Diskantschlüssel notiert, außer im Schlusschor, wo er die Tenorstimme zu singen hatte. Wann Savage in den Stimmbruch kam, wissen wir nicht. Später sang er als Countertenor und als Bassist weiterhin für Händel. Besetzung der Uraufführung
Es wurde schnell klar, dass Händels Oper nicht gegen The Dragon of Wantley ankam, und am 14. Januar musste Lord Wentworth die gegenüber seinem Vater geäußerte Voraussage revidieren:
– Lord Wentworth: Brief an seinen Vater, den Earl of Strafford, 3. Januar 1738[14] Er sollte recht behalten mit seiner Befürchtung, denn Faramondo, obwohl zunächst enthusiastisch kommentiert, brachte es dann aber nur auf kümmerliche sieben Aufführungen im Januar und einer Wiederaufnahme am 16. Mai (für die Händel die Partien des Teobaldo und Childerico strich), was, wie Charles Burney bemerkt,
LibrettoDas Libretto geht zurück auf Apostolo Zenos Dramma per musica Faramondo, das am 27. Dezember 1698 mit Musik von Carlo Francesco Pollarolo in Venedig erstmals aufgeführt worden war. Zeno war nicht nur ein bekannter Literaturkritiker und Hofdichter in Wien, sondern vor Pietro Metastasio der bedeutendste Textdichter für die italienische Oper. Durch seine Melodramen und Oratorien, in denen er die Ideale der klassischen französischen Tragödie zu verwirklichen suchte, hat er die Reform der italienischen Oper beeinflusst, an deren europäischer Entwicklung sich Händel führend beteiligte. Zeno hatte auch in Faramondo den für die Oper des siebzehnten Jahrhunderts charakteristischen komischen und magischen Elementen abgeschworen und behandelt die Geschichte ernst, wie politische und militärische Geschichte, verwoben mit den üblichen Verwicklungen der Liebe und menschlichen Intrigen. Im Jahre 1719 vertonte zunächst Nicola Porpora das Libretto für Neapel. Ein Jahr später war es dann Francesco Gasparini für das Teatro Alibert in Rom. Für Gasparinis Fassung hatte das Libretto eine erste starke Änderung erfahren. Händel griff nicht auf Zenos Original, sondern auf Gasparinis Version zurück, was man auch an musikalischen Anregungen in Händels Partitur erkennen kann. Der Textverfasser für Händels Version der Oper hat eine zweite nennenswerte Veränderung des Ursprungslibrettos vorgenommen und dies auf etwa die Hälfte gekürzt. Allerdings ist sein Name bis heute nicht bekannt, wenn es nicht Händel selbst war. Wie üblich, wurden für London die Rezitative drastisch zusammengestrichen: waren es bei Zeno 1699 Zeilen, bei Gasparini 1240, so blieben in Händels Partitur 540 übrig: Was den üblichen Effekt hat, dass dramaturgische Zusammenhänge und Handlungsmotivationen der Protagonisten oft nicht mehr zu erkennen sind. Es fällt auf, dass es an diesem Umstand keine zeitgenössische Kritik gibt. Für die Uraufführung gab es ein von John Chrichley 1737 gedrucktes Textheft in italienischer und englischer Sprache.[16][17][18] Weder Händel selbst noch seine ihm treuen Spielstätten in Deutschland, Hamburg und Braunschweig, haben Faramondo später wieder auf die Bühne gebracht. In der Neuzeit musste das Werk vergleichsweise lange auf seine Wiederentdeckung warten. Erst am 5. März 1976 wurde es bei den Händel-Festspielen in Halle in einer deutschen Textfassung von Waltraut Lewin und unter der musikalischen Leitung von Thomas Sanderling aufgeführt, aber danach weiterhin selten gespielt. So musste auch die erste Wiederaufführung des Stückes in Originalsprache und historischer Aufführungspraxis bis zum 1. Oktober 2008 warten. Im Rahmen des Festivals Settimane Musicali di Ascona und der CD-Produktion wurde die Oper im schweizerischen Ascona in konzertanter Form mit dem Orchester I Barocchisti unter der Leitung von Diego Fasolis dargeboten. HandlungDie Ereignisse der Oper auf einen bestimmten Ort und Zeitraum festzulegen, ist nicht möglich. Zu unterschiedlich waren die Epochen der beschriebenen Episoden und Personen. Ist der mythische König Faramund im frühen 5. Jahrhundert angesiedelt, so war die Zeit der Kimbernkriege das Ende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts. Die Kimbern waren ein germanischer Volksstamm. Ursprünglich im nördlichen Jütland ansässig, verließen sie etwa 120 v. Chr. ihre Heimat. Ihre Rastlosigkeit, gepaart mit Eroberungsabsichten, führte sie zusammen mit den Teutonen und Ambronen über Schlesien, Böhmen, durch das Donaubecken, Gallien (Frankreich) und Spanien bis nach Portugal. Letztendlich wurden sie in Norditalien von den Römern aufgerieben und 101 v. Chr. durch Gaius Marius in der Schlacht von Vercellae vernichtend geschlagen. Zuvor, etwa 110 v. Chr., müssen sie auf die sesshaften Salfranken gestoßen sein. Die Sueben waren als Gruppe germanischer Völker mit einem gemeinsamen Religionskult im Gebiet der Havel und Spree bis zur Ostsee ansässig. Die zu ihnen gehörenden Markomannen und Quaden haben sich um 130 v. Chr. auf den Weg nach Spanien gemacht. Auch sie müssen etwa um dieselbe Zeit wie die Kimbern mit allerdings friedlicher Absicht zu den Salfranken gelangt sein. Zieht man den zeitlichen und örtlichen Schnittpunkt, so können die Ereignisse der Oper nur in dieser Zeit etwa im Gebiet der heutigen Provence, vor allem im Tal der Rhone stattgefunden haben. Nur König Faramund passt in diese Zeit überhaupt nicht hinein.
– Vorwort des Textheftes von John Chrichley, London 1737 MusikDer Aufbau des Händel vorliegenden Operntextes ist kritikfähig. Der unbekannte (italienische) Textdichter hat für Gasparinis Version gegenüber dem Zenoschen Original so viel gestrichen, abgeändert und umgestellt, dass es schwerfällt, diese Oper selbst mit dramaturgischem Geschick aufzuführen. Dies ist zu bedauern, da die Musik abwechslungsreich und teilweise sehr fesselnd sowie in dem neuen Stil leicht, eingängig und lebendig ist.[17] Das Gewicht der musikalischen Umsetzung liegt auf der situativen Beschreibung und der szenischen Ausgestaltung. Dies bewirkt, dass es zwar, melodisch und klangbildlich betrachtet, eine Reihe schönster Arien und Duette gibt, dass aber dabei eine tiefer gehende Schilderung und Ausmalung der Charaktere nicht möglich war. Insofern hat Faramondo einen eigenen Platz in der Geschichte der Händel-Opern. Eine dramaturgische Einheit ist sie jedenfalls nicht, wenngleich sehr wohl schön und genussvoll anzuhören. Allerdings ist der Misserfolg in der Londoner Aufführungszeit 1738 darauf nicht zurückzuführen, die Gründe dafür lagen, wie bekannt, nicht auf musikalischer Ebene.[17] Faramondo beginnt, wie fast alle Händel-Opern, mit einer Ouvertüre in französischem Stil, welche in der Literatur einige Male, z. B. von Hugo Leichtentritt und Paul Henry Lang, als „außerordentlich schön“ beurteilt wurde. Auch Charles Burney lobte sie überschwänglich:
– Charles Burney: A General History of Music, London 1789[19] Gleich am Ende der ersten Szene gibt es einen kurzen und leichten Chorsatz: Pera, pera! l'alma fiera (Nr. 2). Im ersten Akt sind es sonst zwei Sopranarien zweier recht unterschiedlicher Frauengestalten, Rosimonda und Clotilde, die besonders aufhorchen lassen. Da ist zunächst die von Rosimonda Vanne, che piú ti miro, piú cresce il mio dolor (Nr. 6), in der wie das offene Herz einer jungen Frau erleben, welches die Hoffnung hat, bald mehr Liebesbeweise von Faramondo zu erhalten. Diese Unsicherheit, ob sie so etwas erwarten kann und erleben wird, drückt die Arie, welche ohne das übliche Orchestervorspiel direkt aus dem Rezitativ heraus beginnt, in einer schönen Melodie, ungewöhnlichen Modulationen und mit wellenartigen Begleitfiguren im Orchester aus. Die darauf folgende Antwort- und Abgangssarie Rival ti sono (Nr. 7) des Faramondo, schwungvoll und bestimmt, ist eine richtige Motto-Arie: sie beginnt mit der Losung im Gesang, danach folgt erst das Orchestervorspiel. Händel gibt hier seinem neuen Primo Uomo auffallend oft die Gelegenheit, sich bei ad-libitum-Passagen stimmlich zu beweisen. Die zweite Sopranarie ist der einfallsreiche Gesang der Clotilde Mi parto lieta sulla tua fede (Nr. 12), einer Frau, die weiß, was sie wert ist, sich aber doch ganz verschenken kann. Der erste Akt endet mit Faramondo: Se ben mi lusinga l'infida speranza (Nr. 13), einem guten Beispiel dafür, wie Händel Elemente des neuen Stils (besonders in den Begleitfiguren) in seine Schreibart integriert, ohne dass dies zu Oberflächlichkeit und hohler Virtuosität führt. Es ist ein mitreißendes Stück. Der zweite Akt beginnt mit einer Sinfonia in Händels früherem Stil. Für die temperamentvolle Partie der Clotilde gibt es Combattuta da due venti (Nr. 18), eine sehr originelle Arie. Gustavos Bass-Partie eignet sich besonders gut, glühende Rache darzustellen: Sol la brama di vendetta (Nr. 20), mit einem imposanten Thema, hart und zerklüftet durch Riesen-Sprünge in den Violinen. Ebenso sehr aufgebracht ist Gernandos Nella terra, in ciel (Nr. 21), hier mit wilden Sechzehntelfiguren in den Geigen. Den zweiten Akt beschließt ein einteiliges Duett von Faramondo und Rosimonda Vado e vivo/Vanne e vivi (Nr. 22) in freundlichem und hoffnungsträchtigen G-Dur. Es nimmt irdische Freuden vorweg, stellt aber Liebe und Treue in den Vordergrund. Dem wiederum mit einer Sinfonia eingeleiteten dritten Akt folgt sogleich das zweite Duett der Oper: Caro/Cara, tu mi accendi nel mio core (Nr. 24), diesmal für Clotilde und Adolfo und in ausgedehnterer Da capo-Form. Hervorhebenswert ist weiterhin Faramondos leidenschaftliche Arie Voglio che sia l’indegno (Nr. 26), ein feuriges und einfallsreiches Stück, was offensichtlich für eine große Stimme (Caffarelli) geschrieben wurde und sehr abwechslungs- und farbenreich ist. Die letzte Arie der Oper, Faramondos Virtú che rende si forte un core, d'odio e d'amore (Nr. 30) ist eine der schönsten im Jagdrhythmus geschriebenen Opernarien, die es gibt. Sie ist sehr reich instrumentiert (mit neun obligaten Systemen in der Partitur), und die Hornpartien darin sind besonders fröhlich und beschwingt. Faramondos Gesang geht direkt in den üblichen, vom versammelten und nach Wirren versöhnten Solistenensemble zu singenden Schlusschor über. Erfolg und KritikWinton Dean äußerte den Verdacht, dass Händel bei der Komposition von Faramondo
– Winton Dean: Handel’s Operas, 1726–1741., London 2006[20] OrchesterTraversflöte, zwei Oboen, zwei Hörner, Streicher, Basso continuo (Violoncello, Laute, Cembalo). Diskografie
Literatur
Quellen
WeblinksCommons: Faramondo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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