Ernst Wilhelm ArnoldiErnst Wilhelm Arnoldi (* 21. Mai 1778 in Gotha; † 27. Mai 1841 ebenda) war ein deutscher Kaufmann und gilt als „Vater des deutschen Versicherungswesens“. LebenErnst Wilhelm Arnoldi wurde als erster Sohn von neun Kindern der Eheleute Ernst Friedrich Arnoldi (1747–1828), Kaufmann und Ratsherr in Gotha, und Sabine Elisabeth, Tochter des Nadlermeisters Johann Elias Krehl in Gotha, Hauptmarkt 38, geboren. Seine erste Ehe schloss er in Weimar am 21. September 1808 mit Rosine Wilhelmine Cronrath (1790–1823),[1] Tochter des Hofschreinermeisters Johann Wilhelm Cronrath. Wilhelmine muss eine äußerst schöne Frau gewesen sein, denn der Geheimrat Johann Wolfgang Goethe erbat sich den Abguss einer Marmorbüste, die Vater Cronrath von dem Weimarer Bildhauer Carl Gottlieb Weisser (1779–1815) hatte anfertigen lassen.[2] Mit seiner ersten Frau hatte Arnoldi drei Söhne und eine Tochter: Ernst August (1810–1877), Wilhelmine Elisabeth Karoline (1812–1846), Heinrich Johannes (1813–1882) und Johannes Arnoldi (1822–1883). Nach dem Tod von Wilhelmine heiratete Arnoldi in Gotha am 30. Januar 1825 Christiane Rosenberg; diese Ehe blieb kinderlos.[3] Arnoldi starb am 27. Mai 1841 in seinem Wohnhaus Hauptmarkt 14 und wurde auf dem Friedhof II, gegenüber dem heutigen Gymnasium Arnoldischule, bestattet. Beruflicher Werdegang und WirkenIn den Jahren 1794 bis 1799 erhielt Arnoldi in Hamburg eine praktische Lehrausbildung als Kaufmann bei „Johann Gabe & Comp.“, einer angesehenen Hamburger Ex- und Import-Handelsfirma,[4] und erlernte die notwendige Theorie in der Handelsakademie des Johann Georg Büsch. Die dort gewonnenen Erfahrungen waren eine Grundlage für sein erfolgreiches Berufsleben und Wirken für die Heimatstadt Gotha. 1799 trat er als Gehilfe ins väterliche Geschäft („Ernst Wilhelm Arnoldi & Sohn“, Kolonialwaren-Handel und Produkten-Großhandel) ein und wurde 1803 Teilhaber, was er bis 1812 blieb. 1804 gründete er in Remstädt eine Farbholzfabrik und -mühle und 1808 in Elgersburg eine Steingut- und Porzellanfabrik.[1] FeuerversicherungArnoldi hatte seine drei Unternehmen bei der Londoner Phoenix Assurance versichert. Er musste Ende der 1810er Jahre den Brand der väterlichen Tabakfabrik erleben und war enttäuscht von der wenig kulanten Abwicklung des Schadens durch die Versicherung, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine marktbeherrschende Stellung in Deutschland verschafft hatte, was zu überhöhten Prämien für die Versicherten führte, meist Kaufleute und Fabrikanten. Außerdem waren die Entschädigungen unzureichend, was auch Arnoldi verspürte. Sein Zorn und seine Unzufriedenheit über die Schadensregulierung veranlasste ihn im Januar 1817 zu einem Aufsatz über Die Idee einer eigenen deutschen Feuerversicherung, die eine äußerst große Resonanz bei seinen Kollegen hervorrief. In der Gothaer Innungshalle („Verein der kaufmännischen Innungshalle“) am Hauptmarkt, Sitz der 1818 von Arnoldi gegründeten ersten deutschen Handelsschule („Handelsschule der Innungshalle“), wurden in den folgenden Monaten viele Diskussionsrunden abgehalten, die zu dem Ergebnis führten, dass Arnoldi am 2. September 1819 im Allgemeinen Anzeiger seine Vorschläge zur Errichtung einer Feuerversicherungsbank für kaufmännische Warenlager, Kaufmannshäuser und Mobiliare derselben veröffentlichen ließ. Sechzehn Gothaer Kaufleute unterschrieben sofort dieses Grundsatzpapier. Bereits am 1. Oktober wurde Gotha als Sitz der neuen Versicherung gewählt: Der herzogliche Verwaltungsapparat war vergleichsweise schlank, die Stadt lag verkehrsgünstig in Deutschlands Mitte, und es wurden in Gotha für Versicherungen keine Sonderabgaben erhoben. Schon nach kurzer Zeit hatten sich 118 Unternehmen und Kaufleute eingetragen.[5][6] Im November und Dezember 1819 wurden in fünf thüringischen Städten (Gotha, Erfurt, Arnstadt, Langensalza und Eisenach) die „Ausschüsse“ als Gründungsgremien gewählt und konstituiert. Am 2. Juli 1820 wurde in Gotha der Plan der Feuer-Versicherungs-Bank für den deutschen Handelsstand einschließlich der dazugehörenden Satzung vom ersten einberufenen Vorstand beschlossen[7] – der Gründungstag der Feuerversicherungsbank des Deutschen Handelsstandes, die heutige Gothaer Versicherungsbank VVaG. Arnoldi wurde zum Direktor bestellt und war 1820 bis 1822 ehrenamtlicher Direktor. Adolf Nagel wurde als Bevollmächtigter bestellt. In den letzten Monaten des Jahres wurden rd. 350 Versicherungsagenten in ganz Deutschland angeworben. Am 1. Januar 1821 wurde der Geschäftsbetrieb mit einer versicherten Summe von 2,8 Mio. Talern aufgenommen, bis Ende 1821 betrug die Versicherungssumme schon 13,5 Mio. Taler und über 1.804 Versicherungsverträge. Für dieses Jahr gab es aufgrund der Bankverfassung eine 31%ige Beitragsrückerstattung. Damit war die Londoner Phoenix-Versicherung von ihrer Monopolstellung auf dem deutschen Markt verdrängt. Ende 1822 betrug die versicherte Summe 26 Mio. Taler, die Beitragsrückerstattung lag bei 64 %. 1823 wurde der Gothaer Bankier Wilhelm Madelung zum Bankdirektor bestellt. Von 1823 bis zu seinem Tod 1841 war Arnoldi Mitglied des Gothaer Ausschusses der Feuerversicherungsbank (Mitgliedervertretung). 1824 schieden die Eisenacher und Langensalzaer Ausschüsse aus der Mitgliederversammlung aus. Im Jahre 1825 erhielt die Bank eine neue Verfassung, in der die Mitgliedschaft auf alle Stände ausgedehnt und die Nachschusspflicht vom Achtfachen auf das Vierfache des Jahresbeitrags gesenkt wurde. Eine Umbenennung erfuhr die Bank im Jahre 1830 in „Feuerversicherungsbank für Deutschland“. Von 1836 bis 1862 war der Geschäftsbetrieb in Bayern untersagt. Lebensversicherung1823 verfasste Arnoldi eine erste Denkschrift zur Gründung einer Lebensversicherungsbank, wegen Fehlens der technischen Voraussetzungen wurde das Projekt jedoch nicht umgesetzt, bis im Mai 1827 die Übersetzung des Buches von Charles Babbage über die technischen Grundlagen der englischen Lebensversicherung herauskam. Erst am 9. Juli 1827 genehmigte Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Gotha die öffentliche Bekanntmachung des Planes und zu gegebener Zeit die Errichtung einer Lebensversicherungsbank für Deutschland. Arnoldi ließ sich 1827 bis 1829 zur Gründung der Gesellschaft von namhaften Fachleuten beraten, so z. B. von Versicherungsmanagern, Medizinern und Mathematikern. Der Geschäftsbetrieb wurde am 1. Januar 1829 im Wohnhaus von Arnoldi am Oberen Hauptmarkt in Gotha aufgenommen, womit das moderne Versicherungswesen in der Rechtsform des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit geschaffen war. Der damalige Bestand waren 846 Policen und 1,5 Mio. Taler Versicherungssumme. Mit der Gründung dieser Versicherungen wollte Arnoldi das bisherige Monopol ausländischer Versicherungen, besonders der Londoner Phoenix-Versicherung, in Deutschland brechen und somit auch den ständigen Abfluss von Prämiengeldern ins Ausland unterbinden. Sein Erfolg begründete sich auch in der Tatsache, dass die Prämien seiner Versicherungen aufgrund des Prinzips der Gegenseitigkeit und der Gewinnbeteiligung niedriger sein konnten als die der Konkurrenz.[5][6] Von 1829 bis 1841 war Arnoldi Bankdirektor der Lebensversicherungsbank für Deutschland. Sein Lebensmotto war: „Du handelst für Dich, wenn Du für Andere lebst“. Auch der Grundsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ wird Arnoldi zugeschrieben. Sonstige berufliche AktivitätenÜberdies war Arnoldi Wirtschaftspolitiker und Förderer verschiedener Projekte in Gotha und weit darüber hinaus. 1817 gründete er die Innungshalle im Hause Hauptmarkt 2 in Gotha, in der für die Ausbildung des Nachwuchses im Handelsgewerbe 1818 die erste deutsche Handelsschule entstand. Arnoldi engagierte sich zudem für den 1836 erfolgten Bau eines Realgymnasiums, die Gründung der Deutschen Zuckerhansa, den Bau des Hoftheaters und für das Projekt „Thüringer Eisenbahn“. Arnoldi war auch mit seiner 1836 bei Gotha gegründeten Zuckerfabrik erfolgreich für die Gewinnung von Zucker aus Rüben anstelle der Rohrzuckereinfuhr tätig. Bedingt wurde dies über neue Verfahren zur Gewinnung von Rübenzucker, die Arnoldi in Lizenz erwarb.[8] Er überzeugte 1841 seine Zuckerfabrikantenkollegen, sich kartellartig zusammenzuschließen, ein Kontrakt gegen die starke Senkung der Rohrzuckerzölle im Handelsvertrag der Rohrzucker importierenden Kolonialmächte mit Holland. Neben Friedrich List war Arnoldi bei der deutschen Zollvereinsbewegung für die Abschaffung der Binnenzölle und Einführung von Importzöllen. Arnoldi unterstützte auch die Pläne Lists, ein gesamtdeutsches Eisenbahnnetz zu installieren, das auch Gotha als Bahnstation beinhaltete. Erinnerungen und Ehrungen in Gotha
Erinnerungen und Ehrungen in anderen Städten
SonstigesIn dem 2011 erschienenen Roman Dinner for One auf Goth’sch wird behauptet, dass Ernst Wilhelm Arnoldi das Vorbild für die Figur des Mr. Pommeroy im berühmten Sketch Dinner for One gewesen sei.[13] Von 1811 bis zu seinem Tode habe er als enger Freund der Herzogin Karoline Amalie von Sachsen-Gotha-Altenburg im Gothaer Winterpalais alljährlich den Geburtstag der Fürstin gefeiert (zusammen mit seinen Zeitgenossen, dem Gymnasialprofessor Johann Georg August Galletti, dem Verleger Justus Perthes und Oberst Maximilian Franz Karl Ritter von Gadolla). Nach dem Tod ihrer Freunde habe die Herzogin ihren Diener angewiesen, den Part der Verstorbenen trinkend und sprücheklopfend zu übernehmen. Die Anekdote von diesem seltsamen Geburtstagsritual sei, so der Roman, 1845 nach dem Gotha-Besuch Prinz Alberts von Sachsen-Coburg und Gotha, des Lieblingsenkels der Herzogin, nach Großbritannien gekommen, wo sie der Theaterautor Lauri Wylie in den 1930er-Jahren zufällig wiederentdeckte und erstmals als Dinner for One für die Bühne adaptierte, wobei aus Ernst Wilhelm Arnoldi Mr. Pommeroy wurde.[14] In dem von 2009 bis 2017 jeweils am Silvestervorabend in Gotha aufgeführten Theaterstück Dar neunzschsde Gebordsdaach oder Dinner for One auf Goth’sch[15] imitierte der Darsteller des Dieners auch den verstorbenen Arnoldi, der hier stets mit Kommerzienrat angeredet und als überaus steif dargestellt wird. Literatur
WeblinksCommons: Ernst Wilhelm Arnoldi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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