Enterprise Service BusMit Enterprise Service Bus (ESB) bezeichnet man in der Informationstechnik (IT) eine Netzwerkarchitektur, die die Integration verteilter Dienste (englisch service) in der Anwendungslandschaft eines Unternehmens (engl. enterprise) unterstützt. Teilweise bezeichnet man mit Enterprise Service Bus auch
BegriffEin Enterprise Service Bus dient dazu, „Dienste mittels eines Datenbusses in einem Unternehmensnetzwerk zur Verfügung zu stellen“.[1] Im deutschen Sprachraum hat sich jedoch keine Übersetzung durchgesetzt. Enterprise Service Bus ist heute als Begriff der deutschen Fachsprache allgemein akzeptiert. Auch wenn der Name anderes suggeriert, ist das Prinzip auch außerhalb der Anwendungslandschaft eines Unternehmens (engl. enterprise) gültig. Der Begriff Enterprise Service Bus wurde 2002 durch die Firma Gartner geprägt.[2] Der Analyst Roy W. Schulte führte ihn ein, um eine Kategorie von Softwareprodukten zu beschreiben, die nach seiner Beobachtung ab 2002 auf dem Markt erhältlich waren. Andere Quellen heben hervor, dass der Begriff im Jahr 2002 durch die Firma Sonic für eines ihrer Softwareprodukte geprägt und anschließend durch Analysten übernommen wurde.[3] Durch das Buch von David A. Chappell mit dem gleichnamigen Titel (publiziert 2004) wurde er einem breiteren Fachpublikum bekannt.[4] BedeutungenDer Gartner-Report aus dem Jahr 2002[2] verwendet den Begriff im Sinn einer Kategorie von Softwareprodukten. Sowohl Produzenten von frei verfügbarer Software[5][6] wie auch kommerzielle Anbieter[7][8] bezeichnen ihre Produkte als Enterprise Service Bus. Monographien und Kommentare zum Thema Enterprise Service Bus verwenden den Begriff auch im Sinn eines Architekturkonzepts.[9][10][11] Softwarehersteller folgen in einigen Fällen dieser Interpretation[3], vor allem wenn sie auf die Möglichkeit hinweisen, das Konzept eines Enterprise Service Bus mit einer Palette ihrer Produkte realisieren zu können. Weitere Quellen verwenden den Begriff im Sinn der konkreten Infrastruktur, die ein Unternehmen für Anwendungsintegration aufbaut.[12] So verfügte das Finanzinstitut Credit Suisse 2005 über drei Instanzen eines Enterprise Service Bus: den CS Integration Bus für die synchrone Kommunikation, die Event Bus Infrastructure für die asynchrone Kommunikation und die Bulk Integration Infrastructure für die Übermittlung von Massendaten.[13] Auch David A. Chappell weist in seinem Buch darauf hin, dass die konkrete Infrastruktur als Enterprise Service Bus bezeichnet werden kann.[14] Aufbau und KonzepteIntegration in einer AnwendungslandschaftDie Anwendungslandschaft einer Organisation unterstützt deren Geschäftsprozesse mit Informationstechnik. Ist sie im Stil einer Serviceorientierten Architektur gestaltet, kann sie in so genannte Dienste (engl. services) gegliedert werden. Ein Dienst umfasst eine fachlich und/oder technisch zusammengehörende Teilmenge der Funktionalität, mit der IT die Geschäftsprozesse unterstützt. Dienstanbieter bieten ihre Funktionalität über Dienstschnittstellen (engl. service interfaces) so an, dass sie von Dienstnutzern in der Anwendungslandschaft angesprochen werden können. Je nach Unternehmen und konkreter Gestaltung einer Anwendungslandschaft kommen als Dienstnutzer neben anderen Diensten auch weitere Arten von Elementen einer Anwendungslandschaft in Frage, zum Beispiel Domänen, Anwendungen oder Komponenten. Nutzt ein Dienstnutzer den Funktionsumfang eines Dienstanbieters, werden die beiden Elemente voneinander abhängig. Es entsteht eine logische Kopplung, die physisch zu realisieren ist. Die Gesamtheit der physischen Kopplungen[15] bildet die Integrationsarchitektur[16] einer Anwendungslandschaft. Bus und EndpunkteMit Bus bezeichnet man in der Daten- und Elektrotechnik ein Untersystem, das Daten oder Energie zwischen Teilen des Systems durch ein standardisiertes Format überträgt. Das Konzept des Enterprise Service Bus überträgt diesen Ansatz auf das Gebiet der unternehmensweiten IT-Architektur. Er ersetzt das komplizierte Netz der direkten physischen Kopplungen in einer Anwendungslandschaft durch eine Kommunikationsinfrastruktur, die gemeinsam durch alle Dienstanbieter und Dienstnutzer verwendet wird. Ein Enterprise Service Bus besteht im Kern aus einem Kommunikationsbus, über den Nachrichten (engl. messages) ausgetauscht werden können. Dienste verbinden ihre Dienstschnittstellen über Endpunkte (engl. endpoints) mit dem Bus. Dienstnutzer kommunizieren nun mit einem Dienstanbieter, indem sie mit dem Dienstanbieter über den Bus Nachrichten austauschen. AdapterDie technischen Eigenschaften von Dienstanbietern und Dienstnutzern unterscheiden sich in heterogenen Anwendungslandschaften beträchtlich. Weder die verwendeten Softwareplattformen, noch die unterstützten Kommunikationsprotokolle, Datenformate und Datenstrukturen sind im Allgemeinen unmittelbar kompatibel. Ist die Integrationsarchitektur einer Anwendungslandschaft vor allem durch Punkt-Zu-Punkt-Verbindungen geprägt, werden die entsprechenden Unterschiede jeweils bilateral überbrückt. Es entstehen komplizierte Netze von physischen Kopplungen, weil tendenziell jede logische Kopplung durch eine eigene physische Kopplung unterstützt wird. Eine Integrationsarchitektur, die eine Integrationsplattform als Middleware nutzt, achtet darauf, dass sowohl Dienstanbieter wie Dienstnutzer mit der Middleware verbunden werden, wenn nötig mit überbrückenden Elementen, die als Adapter bezeichnet werden. Adapter als Teil der physischen Kopplung zwischen Dienstanbietern und Dienstnutzern können dabei für mehrere logische Kopplungen wiederverwendet werden. Es sind weniger auf genau eine logische Kopplung ausgerichtete physische Kopplungen nötig. Das Konzept des Enterprise Service Bus folgt diesem Ansatz. Es unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von anderen, zum Teil älteren Konzepten der Anwendungsintegration. Integrationsdienste und -fähigkeitenFunktionen, die die Integration von verteilten Diensten unterstützen, sind in einem ESB in so genannten Integrationsdiensten (engl. integration service) gekapselt.[19] Das Konzept des Enterprise Service Bus geht davon aus, dass Integrationsdienste ähnlich wie Geschäftsdienste in der Anwendungslandschaft verteilt sein können. Es setzt keinen zentralen Knoten voraus, der alle Integrationsdienste anbietet und über den Nachrichten laufen müssen, die diese Dienste nutzen. Dies ist eines der Merkmale, die das Konzept des Enterprise Service Bus von früheren Konzepten der Anwendungsintegration unterscheiden.[20] Die beiden wichtigsten Integrationsdienste sind die Transformations- und die Routingdienste:
Für weitere Integrationsdienste ist umstritten, ob sie ebenfalls zu den Standarddiensten eines ESB gehören:
Protokoll- und API-getriebene ESBsEin protokollgetriebener ESB (protocol driven ESB) definiert ein Protokoll, das Anbieter und Nutzer zu erfüllen haben, um Services aufrufen zu können. Der ESB stellt hier keine Tools und Bibliotheken zur Verfügung, jedoch erzwingen Protokolländerungen bei jedem Anbieter und Nutzer entsprechende Anpassungen. Web-Services (bzw. SOAP) verwenden diesen Ansatz. Ein API-getriebener ESB (API driven ESB) stellt Anbietern und Nutzern plattformspezifische Schnittstellen (z. B. Java-Schnittstellen) zur Verfügung, um Services zu implementieren und aufzurufen.[25] Anwendbarkeit und NutzenDas Konzept des Enterprise Service Bus ist anwendbar, wenn es gilt, eine genügend große Anzahl von eigenständigen Diensten für einen übergreifenden Zweck zu integrieren. Trotz des Namensbestandteils Enterprise (engl. für Unternehmen) kann das Konzept eines Enterprise Service Bus auch in einem enger gefassten Kontext sinnvoll angewendet werden, zum Beispiel innerhalb einer bestimmten fachlichen Domäne, innerhalb einer Abteilung oder im Kontext eines Projekts, in dem isolierte Dienste integriert werden, um ein bestimmtes Projektziel zu erreichen. Es wird empfohlen, einen Enterprise Service Bus nicht als IT-Infrastruktur zu verstehen, die eine IT-Abteilung in Analogie zur Verkabelung in Bürogebäuden unabhängig von konkreten Geschäftsbedürfnissen bereitstellt.[26] Vielversprechend sei vielmehr, mit Hilfe eines Enterprise Service Bus konkrete, lokale Probleme zu lösen und aufbauend darauf übergreifende Integrationslösungen im Sinne eines Enterprise Service Bus aufzubauen.[27] Das Konzept des Enterprise Service Bus ist unabhängig von der Branche in allen Organisationen anwendbar, die in hohem Maß durch IT unterstützt werden. Hervorzuheben sind dabei die Finanz- und Versicherungsbranche, die Telekommunikationsbranche, Detailhandel, Industrie und öffentliche Verwaltung.[28] Ein Enterprise Service Bus allein generiert insofern keinen Geschäftsnutzen,[29] als er in fachlich motivierten IT-Lösungen immer nur Mittel und nicht Zweck ist. Indirekt kann der Einsatz eines Enterprise Service Bus Geschäftsnutzen erzeugen, weil er dazu beitragen kann, die Anwendungslandschaft eines Unternehmens kosteneffizienter und agiler zu gestalten:
Dem IT-Architekten bietet das Konzept eines Enterprise Service Bus zusätzlich folgende Vorteile:
Abgrenzung und Einordnung
KritikBereits Schulte wies darauf hin, dass Enterprise Service Bus kein neues Konzept darstelle. Der Zweck eines Enterprise Service Bus sei dem Zweck der seit den 1990er Jahren verbreiteten Integration Brokern sehr ähnlich.[31] Im gleichen Zusammenhang wird kritisiert, dass es sich beim Begriff Enterprise Service Bus um einen leicht einprägsamen und durch Modeströmungen in der Informationstechnik beeinflussten Marketingbegriff handle, der zu unscharf geblieben sei, um ihn in der Lösungsbeschreibung für konkrete Probleme der IT-Architektur verwenden zu können.[3][32] Das Konzept des Enterprise Service Bus sei ferner ungeeignet als Produktkategorie in der Softwareindustrie. Er sei zu wenig scharf umrissen, um eine homogene Gruppe von Softwareprodukten zu beschreiben. Die Art und Weise, wie Unternehmen ESBs in ihre Anwendungslandschaften einführen, stößt ebenfalls auf Kritik.[26] Die Namenskomponenten Enterprise und Service würden wörtlich genommen, so dass Unternehmen Gefahr liefen, überdimensionierte und zu generische Infrastruktur einzuführen, für die es zum Zeitpunkt der Realisierung keine ausreichenden Geschäftsbedürfnisse gebe. IT-Abteilungen gehen teilweise davon aus, dass die Beschaffung und Installation eines Enterprise Service Bus (im Sinne eines Softwareprodukts) eine wesentliche Voraussetzung und der kritische Erfolgsfaktor für die Lösung ihrer Integrationsprobleme sei. Kritische Stimmen merken an, dass die Gestaltung und der Betrieb einer kosteneffizienten, korrekten und flexiblen Integrationsarchitektur in erster Linie eine konzeptionelle und steuernde Aufgabe sei. Die Auswahl und der Einsatz eines bestimmten Werkzeugs sei im Vergleich dazu eher nebensächlich. Physische Kopplungen zwischen Diensten oder Anwendungen können in drei Gruppen eingeteilt werden: physische Kopplungen der Präsentationsintegration auf der Ebene von Benutzerschnittstellen, physische Kopplungen der Logikintegration auf der Ebene der Geschäftsfunktionen einer Anwendung und physische Kopplungen der Datenintegration auf der Ebene des direkten Zugriffs auf persistente Daten.[33] In hinreichend komplexen Anwendungslandschaften gibt es physische Kopplungen auf allen drei Ebenen, während das Konzept des Enterprise Service Bus hauptsächlich auf die Ebene der Logikintegration ausgerichtet ist. Weder das Konzept noch darauf aufbauende Softwareprodukte unterstützen Präsentationsintegration, wie sie zum Beispiel in Portalen und in Rich Clients vorkommt. ESBs stellen zudem ein Lösungsmuster dar, um direkte physische Kopplungen auf der Datenebene zu verhindern, nicht zu ermöglichen. Für im Einzelfall gerechtfertigte physische Kopplungen auf der Ebene Datenintegration bietet ein ESB deshalb keine Unterstützung. Zusammenfassend kann man festhalten, dass das Konzept des Enterprise Service Bus und der darauf aufbauenden Produkte nur auf eine Teilmenge der Integrationsaufgaben in hinreichend komplexen Anwendungslandschaften ausgerichtet sind. ImplementierungenDie folgende Tabelle listet Software-Produkte auf, die auf dem Markt als Enterprise Service Bus angeboten werden.[34]
Literatur
Einzelnachweise
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