Die Serapionsbrüder ist eine 1819 bis 1821 veröffentlichte Sammlung von Erzählungen und Aufsätzen von E.T.A. Hoffmann. Hoffmann stellte die vier Bände zu großen Teilen aus bereits vorher veröffentlichtem Material zusammen, fügte aber einige neue Erzählungen sowie eine Rahmenhandlung hinzu, in der einige literarisch gebildete Freunde über Probleme der Kunst diskutieren und als fiktive Autoren der Erzählungen auftreten. Vorbild für diesen Freundeskreis waren die Treffen der Serapionsbrüder, eines literarischen Kreises um Hoffmann, dem neben weiteren Schriftstellern auch Adelbert von Chamisso und Friedrich de la Motte Fouqué angehörten. Der Name leitete sich ursprünglich vom Heiligen Serapion her, an dessen Gedenktag – dem 14. November – der Freundeskreis sich zum ersten Mal nach längerer Trennung im Jahr 1818 wieder zusammenfand. Wichtiger als dieser äußere Anlass wird aber das sogenannte serapiontische Prinzip, dem sich die Mitglieder des Kreises verpflichtet fühlen.
Über die tatsächlichen Vorbilder für den Freundeskreis, der die Rahmengespräche der „Serapionsbrüder“ bestreitet, schreibt Hitzig:
„Die Grundpfeiler dieses Vereins bildeten nächst Hoffmann, Contessa, Koreff, ein ausgezeichneter Arzt*) und Hitzig. Ein vortrefflicher ineinandergreifendes Quatuor mochte nicht leicht zu finden sein. Koreff war der einzige Mensch, dem Hoffmann geduldig zuhörte, weil er ihn in der Unterhaltung an sprudelndem lebendigem Witze oft und an Kenntnissen immer überbot, auch dabei gutmütig genug war, ihn reden zu lassen, so oft er wollte; Contessa, selbst wenig redend, horchte auf alles, was die Freunde an Witz ausgehen ließen, mit dem beredtesten Beifallslächeln, das ihm unaufhörlich um die Mundwinkel spielte, von Zeit zu Zeit ein kleines, aber entscheidendes Wörtchen zugebend, und Hitzig, der mit Contessa das Publikum bildete und alle drei übrigen länger und besser als sie sich untereinander kannte, verstand darum die Kunst, Lücken im Gespräch auszufüllen, und wo es matt wurde, es wieder anzuregen, sich willig jedes Anspruchs auf Solopartien begebend.“[1]
An der mit *) bezeichneten Stelle fügt Hitzig die Fußnote ein: „Sprechend sind beide gezeichnet, Serapions-Brüder Band 2. Contessa, als Sylvester S 4., und Koreff, als Vinzenz, S. 6.“
Außer den vier Teilnehmern Hoffmann, Hitzig, Contessa und Koreff werden noch Theodor Gottlieb von Hippel, Friedrich de la Motte Fouqué, Ludwig Robert, Adelbert von Chamisso sowie einige nur sporadische Gäste genannt. In den Rahmengesprächen der „Serapionsbrüder“ treten insgesamt sechs Figuren auf. Ihre Identifikation mit den historischen Teilnehmern des Serapions-Kreises ist zum einen Teil spekulativ, zum anderen Teil hat Hoffmann die realen Figuren nur als Anregung für die literarische Charakterisierung genommen.
Glaubhaft, aber nicht als realitätsnahe Personenzeichnung zu werten sind die Zuschreibungen:
Programmatisch für das serapiontische Prinzip, das „wie Theodor sehr richtig bemerkte, eben nichts weiter heißen wollte, als daß [die Serapionsbrüder] übereingekommen, sich durchaus niemals mit schlechtem Machwerk zu quälen“,[3] ist die Absage an jede Art von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus. Nicht die Außenwelt soll durch die Dichtung abgebildet werden, sondern es gilt, „das Bild, das [dem wahren Künstler] im Innern aufgegangen“, durch „poetische Darstellung ins äußere Leben zu tragen“. Wie Serapion, der als weltfremder Eremit nur seinen Visionen folgte, soll auch der Dichter sich von der Einsamkeit als idealer Sphäre seines schöpferischen Geistes inspirieren lassen. Je mehr ihm die Welt zum bloßen Störfaktor wird, desto autonomer, genialer und serapiontischer sein Werk.
Indem die fiktiven Erzähler der Novellensammlung über die serapiontische Qualität ihrer Texte diskutieren, wird die ästhetische Reflexion – ganz im Sinne romantischer Poetologie – selbst zum Bestandteil der Poesie. Verwirrend für die Interpreten E.T.A. Hoffmanns sind dabei die für ihn so charakteristischen visionär-phantastischen Projektionen, mit denen er die künstlerische Innenschau mit der alltäglichen Wirklichkeit verbindet und dabei eine typisch serapiontische Mischung aus Phantasie und Realität schafft, die für den Leser nur noch schwer zu entwirren ist.
Aufbau und Erstdrucke
Wo kein Erstdruck verzeichnet ist, erschienen die entsprechenden Stücke erstmals in den Serapionsbrüdern. Einige Stücke hat Hoffmann ohne eigene Überschrift in die Dialoge eingefügt. Sie werden von heutigen Herausgebern häufig mit den in eckigen Klammern angegebenen Titeln versehen. – Wo kein Gesprächsgegenstand zu den Gesprächen angegeben ist, handelt es sich um kurze Überleitungen.
Zu den einzelnen Erzählungen und Aufsätzen vgl. die jeweiligen Hauptartikel.
Die Serapionsbrüder: Aufbau und Erstdrucke
Titel im Erstdruck
Erstdruck
Titel in den Serapionsbrüdern
Erzähler
Hauptsächlicher Gesprächsgegenstand
Erster Band (Februar 1819):
Vorwort
Erster Abschnitt (Cyprian, Lothar, Ottmar, Theodor)
[a]
[Gespräch]
Clubs
[1]
Bruchstück aus den Serapionsbrüdern. Der Einsiedler Serapion
Der Freimüthige für Deutschland. Zeitblatt für Belehrung und Aufheiterung (Januar 1819)
[Der Einsiedler Serapion]
Cyprian
Das Serapiontische Prinzip
[b]
[Gespräch]
[2]
Ein Brief von Hoffmann an Herrn Baron de la Motte Fouqué
Frauentaschenbuch für das Jahr 1818 von de la Motte Fouqué
1965: Das Fräulein von Scuderi. Mit Maria Nicklisch (Fräulein von Scuderi), Lina Carstens (Martiniére), Herbert Kroll (Bastiste), Elfriede Gerhard (Marquise von Maintenon), Fritz Straßner (René Cardillac), Christa Berndl (Madelon), Hans Michael Rehberg (Olivier Brusson), Horst Tappert (König), Wolf Dieter Euba (Erzähler) u. v. a. Regie: Edmund Steinberger. BR 1965.
↑Julius Eduard Hitzig: Aus Hoffmann's Leben und Nachlass. Zweiter Theil Berlin 1823, S. 131
↑Wolfgang Held hat in seinem Nachwort zur Neuausgabe von Hitzigs Hoffmann-Biografie das Verhältnis Hitzigs und der Figur Ottmar zu charakterisieren versucht. Siehe Julius Eduard Hitzig: E.T.A. Hoffmanns Leben und Nachlass. Mit Anmerkungen zum Text und einem Nachwort von Wolfgang Held. Insel, Frankfurt (Main) 1986, S. 478 f.
↑E.T.A. Hoffmann, Die Serapions-Brüder, Artemis & Winkler (1973), ISBN 978-3-538-05449-3, S. 56.
Ingo Müller: Die Rezeption E.T.A. Hoffmanns in der klassischen Musik des 19. bis 21. Jahrhunderts. In: Unheimlich Fantastisch – E.T.A. Hoffmann 2022. Begleitbuch zur Ausstellung der Staatsbibliothek Berlin in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Romantik-Museum Frankfurt am Main und der Staatsbibliothek Bamberg, herausgegeben von Benjamin Schlodder, Christina Schmitz, Bettina Wagner und Wolfgang Bunzel, Leipzig 2022, ISBN 3-95905-573-0 S. 315–322.