Debut Records war das erste musikereigene US-amerikanische Musiklabel. Gegründet wurde es 1952 vom Bassisten Charles Mingus mit seiner Frau Celia Nielson Mingus; 1953 kam Schlagzeuger Max Roach hinzu.[1] Es bestand bis 1957. Die Debut-Aufnahmen erscheinen inzwischen im Katalog von Fantasy Records.
Um ohne kommerzielle Zugeständnisse an die Jazzproduzenten der großen Label produzieren zu können und die Kontrolle über die eigenen Platten zu haben, gründete Charles Mingus mit dem SchlagzeugerMax Roach im April 1952 das Debut-Label. „Wir entschieden uns früh dazu, unsere eigene Plattenfirma zu gründen, da die Leute uns nicht die Tür einrannten, um uns davon zu überzeugen, dass wir Platten unter eigenem Namen aufnehmen sollten“, so fasste Roach später die Situation zusammen.[2] Das Geld für die ersten Plattenproduktionen brachte Mingus auf;[3] außerdem überzeugte Mingus den Zigarrenhändler William J. Brandt, sich als stiller Teilhaber an der Firma zu beteiligen.[4] Mingus und Roach fungierten als die Leiter und Produzenten. Das Label hatte von Anfang an Probleme mit dem Vertrieb. Debut veröffentlichte zwischen 1952 und 1957 26 Langspielplatten, davon 17 „kleine“ LPs (10 Inch Durchmesser). Im Weiteren wurden dort auch Singles und EPs veröffentlicht. Dem Label war mit Chazz Mar. Inc. ein Musikverlag angegliedert.[5]
Mingus und Roach nahmen auf dem Label nicht nur eigene Projekte auf, sondern beteiligten unterschiedlichste Musiker, um die verschiedenen damals aktuellen Richtungen des Modern Jazz aufzunehmen, Cool Jazz (Lee Konitz), Bebop (Charlie Parker, Dizzy Gillespie und Bud Powell), Gesangsnummern (Jackie Paris) und experimentellen Jazz der verschiedenen Mitglieder des Jazz Composers Workshop. Die Aufnahmen von Mingus eigenem Jazz Workshop (Mingus At The Bohemia, + Max Roach) deuten auf Mingus’ späteres Werk hin. Das Label bemühte sich um eine gerechte Verteilung der erwirtschafteten Gewinne.[6]
Charles Mingus prägte das Debut-Label am nachhaltigsten, als Bassist, Komponist, Bandleader, Arrangeur und Produzent. Neben Aufnahmen als Leader (Mingus At The Bohemia) stellte er sich ganz in den Dienst seiner Entdeckungen. Die Bandbreite, die die Musiker auf den Tonträger des Labels spielten, reichte von Barmusik zu Avantgarde; Mingus spielte bei vielen seiner Produktionen mit und ließ die Kollegen gewähren. Darunter waren auch die Gesangsgruppe The Gordons mit Honi Gordon, der Pianist John Dennis und der Trompeter Thad Jones.
Die Debut-Aufnahmen zeigen Charles Mingus in einem frühen Stadium seiner Entwicklung in den Jahren kurz vor seinem Durchbruch. Besonders die Live-Aufnahmen vom 23. Dezember 1955 mit Max Roach (Mingus at the Bohemia, The Charles Mingus Quintet Plus Max Roach) halten jenen Augenblick fest, als Mingus zu seinem unverwechselbaren Stil findet.
Bereits 1955 produzierte das Label Aufnahmen, die das Arrangiertalent von Alonzo Lonnie Levister in den Mittelpunkt stellten, mit Max Roach nicht mehr abgesprochen waren und diesen vermutlich brüskierten.[7] 1956 fand nur noch eine Aufnahmesession für das Label statt, anders als 1957. Spätestens seit 1956 entfernte sich das Label von der Grundidee der musikereigenen Firma, auf der vorrangig die eigenen Produktionen veröffentlicht werden: Auch Mingus fand für die eigenen Tonträger andere Plattenlabel. Möglicherweise hatten die Aufnahmen bei anderen Firmen auch damit zu tun, dass sich das Label mit dem zunächst sehr ambitionierten Veröffentlichungsprogramm in einer tiefen ökonomischen Krise befand. Diese wurde dadurch verschärft, dass die Musikergewerkschaft AFM bewirkte, dass Debut seine Lizenz aufgeben musste, da das Label seine Tantiemen-Außenstände nicht beglichen hatte.[8]
Organisatorisch betreute Celia Nielson, die Frau von Mingus, gemeinsam mit Margo Ferraci, der Lebensgefährtin von Roach, das Label. Als Nielson 1957 ihren Mann nach dem Ende ihrer Ehe verließ, kam das Label zum Stillstand. Mingus und Roach mussten alle Bänder und Rechte an Nielsons neuen Ehemann Saul Zaentz verkaufen, den Inhaber von Fantasy Records.[6] Nielson, die für Fantasy arbeitete, blieb insofern für das Schicksal der Aufnahmen verantwortlich, die ab 1962 dort teilweise wieder veröffentlicht wurden.[9]
Einige der historischen Debut-Veröffentlichungen entwickelten sich jedoch seit den 1950ern zu gesuchten Sammlerstücken, da sie lange nicht wieder aufgelegt wurden. Andere erschienen nicht nur im Katalog von Fantasy, sondern auch beim französischen America-Label und waren die meiste Zeit im Handel erhältlich. Einige der letzten Aufnahmen, etwa Jimmy KneppersNew Faces sollte als DEB-129 erscheinen, wurde aber aufgrund der Auflösung des Labels nicht mehr in den USA veröffentlicht und erschien nur auf dem dänischen Schwesterlabel.
Die 12-CD-Compilation The Complete Debut Recordings (1990) ist eine (allerdings unvollständige) Dokumentation des Debut-Labels. Sie enthält – mit einer Konzentration auf Charles Mingus – die meisten Sessions, die die Labelbetreiber zwischen 1951 und 1957/58 aufnahmen. Dort fehlen jedoch beispielsweise die Aufnahmen, die Teo Macero, John LaPorta oder Alonzo Levister unter eigenem Namen einspielten und auf Debut veröffentlicht wurden.[10]
Die Aufnahmesitzungen
April 1951
Mingus hatte noch in Kalifornien Standards wie Body and Soul, Yesterdays, Darn That Dream, Jeepers Creepers mit dem Pianisten Spaulding Givens (später Nadi Qamar) für Discovery Records eingespielt. Diese Sitzung wurde auf der Debut-EP: Strings and Keys (DLP 1) veröffentlicht. Der Titel Body and Soul enthält das erste längere Bass-Solo, das von Mingus auf Platte erschien. Mit der Bass-Piano-Besetzung setzt sich Mingus in Beziehung zum Bassisten Jimmy Blanton, der das Stück im Duo mit Duke Ellington aufgenommen hatte.
Die Duo-Einspielungen mit Spaulding Givens erschienen auch auf der Einzel-CD The Charles Mingus Duo & Trio – Debut Rarities, Volume 2 (OJCCD1808-2)
12. April 1952
Lee Konitz in Quintett- bzw. Sextettbesetzung (mit Phyllis Pinkerton (p), George Koutzen (cello), Mingus (b) und Al Levitt (dr)) nimmt vier Mingus-Titel für das Debut-Label auf. Den Song I’ve Lost my Love singt Bob Benton, Portrait singt Jackie Paris. Tontechniker war der Pianist Lennie Tristano. Extrasensory Perception klingt beinahe wie ein typisches Stück aus der Tristano-Schule.
16. September 1952
Eine weitere Session im Sextett mit Mingus und Roach mit dem Sänger Jackie Paris (eingespielt werden drei Mingus-Titel Make Believe, Montage, Paris in Blue).
14. April 1953
Spaulding Givens spielt im Trio mit Mingus und Roach.
Jazz Workshop mit der Sängerin Ada Moore und John La Porta, Wally Cirillo, Tal Farlow, Oscar Pettiford sowie Osie Johnson. Die Arrangements stammen von Mingus und Alonzo Levister (zunächst veröffentlicht als DLP 15).
11. August 1954
Session unter der Leitung von Thad Jones, mit Frank Wess, Hank Jones, Kenny Clarke.
Unbekanntes Datum 1954
Weitere Aufnahmesitzung unter Leitung von John LaPorta mit Louis Mucci (tp), cl) Barry Galbraith (g) Richard Carter (b) Charlie Perry (d) (veröffentlicht als Three Moods (DEB 122).
21. Januar 1955
Hazel Scott Trio: Relaxed Piano Moods (mit den Labeleignern als Rhythmusgruppe).
10. März 1955
Unter dem Titel Thad Jones / Charles Mingus – Jazz Collaborations, Vol. 1 werden mit einem Quartett um Thad Jones vier Titel (Kompositionen von Jones und Standards) eingespielt und als DLP 17 veröffentlicht (später unter dem Titel The Fabulous Thad Jones wieder zugänglich gemacht). Vermutlich hat Rudy Van Gelder bei der gleichen Sitzung die Rhythmusgruppe als John Dennis Trio (New Piano Expressions) mit Roach und Mingus aufgenommen.
9. Juli 1955
Miles Davis- Blue Moods Mit der Plattenaufnahme für Debut zahlte der Trompeter Schulden an Mingus zurück. Weitere Mitwirkende sind der Vibraphonist Teddy Charles, der Posaunist Britt Woodman und der Schlagzeuger Elvin Jones.
19. September 1955
Session mit Arrangements von Alonzo Levister um den Sänger Don Senay.
23. Dezember 1955
Mingus at the Bohemia mit Max Roach, Eddie Bert, George Barrow, Mal Waldron
Live-Aufnahmen (veröffentlicht als Mingus At The Bohemia, The Charles Mingus Quintet Plus Max Roach). Die Bohemia-Aufnahmen sollten Mingus’ letzte wichtige Einspielungen für Debut sein.
August 1956
Alonzo Levister: Manhattan Monodrama mit Louis Mucci (tp) John LaPorta (as, cl) Lorin Bernsohn (vlc) Arne Gold (xyl, per) Teddy Charles (vib, per) Alonzo Levister (p, arr) Morris Lang (timp) Jackson Wiley (cond) (DEB 125)
10. Juli 1957
Session von Jimmy Knepper, Mingus und Dannie Richmond, u. a. Veröffentlicht als New Faces beim dänischen Schwesterlabel als DEB 129 sowie unter DL 101 als "Jazz Workshop Presents Jimmy Knepper". (Auf CD unter Debut Rarities, Vol 1; OJCCD 1807-2)
September 1957
Jazz Workshop-Session mit Clarence Shaw, Shafi Hadi, Pepper Adams, Dannie Richmond u. a. als „Vorläufer“ der späteren Mingus-Bands (Diese Aufnahmen wurden nicht mehr auf Debut veröffentlicht).
Diese Sessions wurden wieder- bzw. erstveröffentlicht in der 12-CD-Box The Complete Debut Recordings.
Das dänische Debut-Label
Das dänische Debut-Label wurde 1957 von Ole Vestergaard gegründet, der eine Buchhandlung in der dänischen Kleinstadt Brande besaß und den amerikanischen Debut-Katalog weiterführte, nachdem das US-Label finanziell am Ende war. Dort wurden einige Platten des amerikanischen Labels wiederveröffentlicht, wie auch das in den USA nicht mehr auf den Markt gelangte Jimmy Knepper Debut-Album von 1957. Ferner erschienen dort als erste Eigenproduktion eine Triosession von Oscar Pettiford, dann das Album The Charles Mingus Quintet: Chazz, aber auch Oscar Pettifords Sextett-Aufnahme als My Little Cello, ein Mitschnitt vom Essen Jazz Festival mit Coleman Hawkins, Bud Powell, Oscar Pettiford und Kenny Clarke oder das 30th Anniversary Album von Don Byas. In den 1960er Jahren öffnete sich dieses Label auch für den Free Jazz und dokumentierte Cecil TaylorLive at the Cafe Montmartre oder Albert Ayler mit Ghosts und Spirits. Es veröffentlichte auch Jazz-Musik dänischer Musiker, wie von Hugh Steinmetz, Bent Axen, Bent Jædig, Jørn Elniff und Allan Botschinsky.[12]
↑Er nutzte dafür 500 Dollar, die ihm 1951 in einem gewonnenen Rechtstreit mit der New Yorker Musikergewerkschaft Local 802 zugesprochen wurden. Vgl. Kemper: The Sound of Rebellion, S. 228; Priestley: Charles Mingus, S. 57
↑Ausrisse aus Metronome, wiederabgedruckt im Begleitheft zu Charles Mingus, The Complete Debut Recordings
↑Nach Ira Gittler (Bass-ically Speaking. In: The Complete Debut Recordings, 1990) war Roach zu dieser Zeit in Kalifornien, um mit den Lighthouse All Stars um Howard Rumsey zu spielen und das Quintett mit Clifford Brown zu begründen. Roachs bisherige Lebensgefährtin Margo Ferraci, die gemeinsam mit Celia Mingus die Organisation des Debut-Label besorgte, begann eine Liaison mit Lonnie Levister und finanzierte diese aufwändige Produktion, weil sie sich erhoffte, Levister zum Star zu machen. Vgl. auch Priestley: Charles Mingus, S. 68f.