Die Döberitzer Heide ist ein etwa 5000 Hektar großes, weitgehend im Havelland gelegenes Gebiet, das zum südöstlichen Teil der Landschaftseinheit Nauener Platte gehört. Das Gebiet umfasst im Wesentlichen den ehemaligen Truppenübungsplatz Döberitz, das zwei Naturschutzgebiete beinhaltet. Die Heinz Sielmann Stiftung hat auf gut 3600 Hektar ein europaweit einmaliges Naturschutzprojekt umgesetzt. Die Heidelandschaft liegt westlich der Berliner Stadtgrenze und südlich der Bundesstraße 5 und zieht sich bis an die Grenze der Landeshauptstadt Potsdam heran.
Bis 1991 wurde das Gebiet intensiv durch die Rote Armee genutzt, die die Landschaft maßgeblich prägte. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen übernahm die Bundeswehr im Süden der Döberitzer Heide eine Fläche von etwa 550 ha als Standortübungsplatz für in Berlin und Potsdam stationierte Einheiten.[1]
Naturschutzgebiet und Naturlandschaft
Das 1997 eingerichtete[2]Naturschutzgebiet (NSG) Döberitzer Heide (etwa 3415 ha) bildet zusammen mit dem 1996 festgesetzten NSG Ferbitzer Bruch (etwa 1155 ha) große Teile der rund 3600 ha großen Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide. Dabei handelt es sich bei den Gebieten des NSG Döberitzer Heide überwiegend um die höher und trockener gelegenen, während das NSG Ferbitzer Bruch tiefere und feuchtere Gebiete umfasst. Die Naturlandschaft besteht aus einer inneren Kernzone und einer äußeren Naturerlebnis-Ringzone.
Das Gebiet wurde bis 1991 über 95 Jahre lang ununterbrochen militärisch genutzt und blieb so weitgehend von einer Bewirtschaftung verschont. Dadurch entstanden wertvolle Offenlandschaften mit Heiden, Sandflächen und Trockenrasen – die Lebensräume für viele zum Teil sehr seltene Tier- und Pflanzenarten sind. Durch den hohen Munitionsverdacht blieb das Gelände aber zunächst noch Sperrgebiet. Die Döberitzer Heide ist nach der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen.
In der Döberitzer Heide wurden derzeit fast 6.700 Pflanzen-, Pilz- und Tierarten nachgewiesen, darunter nahezu 1000 Arten verschiedener Farne und Blütenpflanzen wie die vom Aussterben bedrohten Spezies Sumpf-Knabenkraut, Lungen-Enzian und die Lederblättrige Rose. Außerdem kommen derzeit dort etwa 1762 verschiedene Käferarten sowie mindestens 212 Wespen-, 177 Bienen-, 197 Vögel-, 312 Spinnen-, 1.223 Schmetterlings- und 52 Säugetierarten vor. Die Döberitzer Heide bietet unter anderem einen Lebensraum für die seltenen Seeadler und Fischotter. Es sind auch Vorkommen der beiden Urzeitkrebse Branchipus schaefferi und Triops cancriformis bekannt.[3][4]
Seit März 2024 lädt ein Natur-Erlebniszentrum nahe Elstal Besucher ein, sich über die Döberitzer Heide und deren Artenvielfalt zu informieren. Durch Umweltbildungsangeboten zu verschiedenen Themengebieten wird Wissen an Firmen, Schulklassen und interessierte Privatpersonen in geführten Wanderungen vermittelt.[5]
Kernzone
Die Kernzone hat eine Größe von 1860 ha (inkl. Eingewöhnungszone) und ist zum Schutz der Tiere und Menschen mit einem dreifachen Zaun (einem Maschendrahtzaun und zwei elektrischen Zäunen von 1,5 m bzw. ca. 2 m Höhe) umgeben. In der Kernzone sorgen seit 2010 große Pflanzenfresser für den Erhalt des wertvollen Offenlandes.
Die in der Kernzone eingebrachten Tiere wie Rothirsche, Wisente und Przewalski-Pferde leben hier wie wild und weitestgehend vom Menschen unbeeinflusst. Sie sollen durch ihr Fressverhalten u. a. offene und halboffene Lebensräume erhalten und vor einer Wiederbewaldung bewahren.[6] Im Januar 2008 wurden die ersten Przewalski-Pferde, im März die ersten Wisente in die Eingewöhnungszone entlassen, die heute direkt mit der Kernzone verbunden ist. Daneben diente das Projekt dem Erhalt der seltenen Wisente und Przewalski-Pferde.
Aktuell leben mehr als 130 Wisente, rund zwei Dutzend Przewalski-Pferde und etwa 100 Rothirsche in der Kernzone.[6] Sie sind ganz auf sich gestellt; u. a. werden sie nicht gefüttert und nicht geimpft.[7]
Naturerlebnis-Ringzone
Die Kernzone wird von der sogenannten Naturerlebnis-Ringzone (kurz Nerz) umschlossen: Diese umfasst eine Fläche von etwa 1800 ha. Hier erfolgen die Pflege und Erhaltung der vielfältigen naturschutzrelevanten Flächen durch den Einsatz von landwirtschaftlichen Nutztieren wie Ziegen, Schafen, Pferden, unterschiedlichen Rinderrassen, Wasserbüffeln und Eseln.[8] Besagte Flächen sind an lokale Akteure verpachtet, die diese Weideprojekte realisieren.
Die Naturerlebnis-Ringzone ist durch verschiedene Wanderwege erschlossen, die punktuell um Rast- und Aussichtspunkte ergänzt wurden. Entlang der Wege können Galloway- und Heckrinder, verschiedene Schaf- und Ziegenrassen, Sardische Hausesel sowie Konikpferde beobachtet und erlebt werden.
Chronologie
Jahr
Ereignis
1992
Aufgabe der militärischen Nutzung und Abzug der russischen Truppen.[9]
1992
Gründung des Naturschutz-Fördervereins Döberitzer Heide durch lokale Naturwissenschaftler und Naturschützer, mit dem Ziel, das naturräumlichen Potential der Flächen zu erhalten und zu entwickeln.[9]
April 1996
Mit der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Ferbitzer Bruch“ vom 16. April 1996 wurden die westlichen Teile des ehemaligen Truppenübungsplatzes Döberitz zum rund 1155 ha großen NSG Ferbitzer Bruch erklärt.[10]
1996
Überlassung von 3850 ha der Döberitzer Heide der Brandenburgischen Boden Gesellschaft an den Naturschutz-Förderverein Döberitzer Heide mit einem Nutzungsüberlassungsvertrag.[11]
November 1997
Mit der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Döberitzer Heide“ vom 24. November 1997 wurden rund 3415 ha als NSG Döberitzer Heide festgesetzt.[12]
1998
Verleihung des Umweltpreises 1998 vom Land Brandenburg an den Förderverein für die „herausragende Arbeiten beim Biotop- und Artenschutz, in der Landschaftspflege, bei der Konversion und im Konfliktmanagement“[11]
1998
In einem ersten Abschnitt wurde ein etwa 12 km langer Wanderweg eröffnet.
2000
Ein zweiter Abschnitt mit einem 9 km langen Wanderweg wurde freigegeben.
2001
Offizielle Eröffnung des Naturschutzzentrums des Fördervereins mit einer Ausstellung zum Naturschutz und zur Geschichte der Döberitzer Heide[13]
Juli 2004
Die Heinz Sielmann Stiftung kaufte für etwa 2,3 Millionen Euro 3442 Hektar der Döberitzer Heide.
Mai 2006
In der Nähe von Elstal wurde ein 31 ha großes Schaugehege eröffnet.
2007
Ein 55 ha großes Eingewöhnungsgehege wurde zum Zweck einer späteren Auswilderung der Tiere in die Kernzone der Döberitzer Heide eröffnet. Zunächst sollten dort vier Pferde und drei Wisente auf das Leben in der freien Wildbahn vorbereitet werden, unter Beobachtung, jedoch ohne Zufütterung.
2007
Seit September wird in der Döberitzer Heide eine Fledermausnacht durchgeführt, bei der Wasserfledermäuse beobachtet werden können.
März 2008
Die ersten Wisente wurden in die Eingewöhnungszone entlassen.[14]
September 2008
Ein 8,2 km langer Abschnitt des Rundwanderwegs wurde zwischen Elstal und Fahrland für die Öffentlichkeit freigegeben.[15]
Mai 2010
Seit Anfang Mai 2010 leben elf Wisente und sieben Przewalski-Pferde in der vollständig umzäunten Kernzone.
Mai 2011
Auf dem Finkenberg wird ein 15 Meter hoher Aussichtsturm eröffnet, der auf einem früheren Bunker errichtet wurde.[16]
April 2014
Neben dem Schaugehege wurde der Freizeitpark Karls Erlebnis-Dorf Elstal eröffnet.
Schließung des Schaugeheges der Heinz Sielmann Stiftung auf unbestimmte Zeit[18]
2016
17 Konikpferde aus dem niederländischen Projekt Free Nature der Foundation for Restoring European Ecosystems wurden in die Obhut des Naturschutz-Fördervereins Döberitzer Heide übergeben und können nun in der Naturerlebnisringzone beobachtet werden.[19]
März 2024
Eröffnung des Natur-Erlebniszentrums Döberitzer Heide, einer Bildungseinrichtung mit multimedialer Ausstellung über die Artenvielfalt der Döberitzer Heide.[20]
↑Jörg Fürstenow, Detlef Knuth: Monitoring zum Vorkommen der beiden Kiemenfußkrebsarten Branchipus schaefferi und Triops cancriformis. In: Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (Hrsg.): Workshop Monitoring Döberitzer Heide (= Fachbeiträge des LUGV. Heft 123), 2011, S. 76–78 (PDF; 4,4 MB).
↑R. Baron, U. Schulz: Zum Vorkommen von Triops cancriformis (BOSC, 1801) und Branchipus schaefferi (FISCHER, 1834) auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Döberitzer Heide (Crustacea, Branchiopoda). In: Entomologische Nachrichten und Berichte. Band 50, 2006, S. 167–168.
↑Peter Nitschke: Das Wildnisgroßprojekt Döberitzer Heide - Offenlandmanagement mit Przewalskipferden und Wisenten in der Döberitzer Heide, in "Offenlandmanagement außerhalb landwirtschaftlicher Nutzflächen". Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz. Bonn - Bad Godesberg 2009, S.38.
↑ abSusanne Oehlschläger, Wolfgang Beier, Petra van Dorsten, Richard Harnisch, Arne Hinrichsen, Okka Tschöpe, Irene Zierke: Das Naturschutzgebiet Döberitzer Heide, in "Handbuch Offenlandmanagement am Beispiel ehemaliger und in Nutzung befindlicher Truppenübungsplätze". Hrsg.: Kenneth Anders, Jadranka Mrzljak, Dieter Wallschläger, Gerhard Wiegleb. Springer, Berlin/Heidelberg 2004, ISBN 978-3-642-18645-5, S.188.
↑ abUmweltpreis 1998. Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. März 2017; abgerufen am 15. März 2017.