Als Brown Babies (englisch „braune Babys“, dänisch: brune børn, deutsch auch Mischlingskinder) werden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die von deutschen Müttern geborenen Besatzungskinder mit afroamerikanischen Vätern bezeichnet.
Ab Kriegsende galt zunächst das sogenannte Fraternisierungsverbot, das sexuelle Beziehungen zwischen Soldaten der US-Armee und deutschen Frauen sanktionierte; dieses wurde aber im Oktober 1945 aufgehoben. 1948 wurde auch die Rassentrennung in der US-Armee aufgehoben, die zuvor ebenfalls einer afroamerikanisch-deutschen Verbindung entgegengestanden hätte:
„… die Heirat zwischen einem Neger und einer weißen Person wird als dem Dienstinteresse entgegengesetzt betrachtet, da diese bei der Rückkehr in die Vereinigten Staaten ein soziales Problem verursachen würde.“
– General Office of the Chief of Staff, 24. August 1945[1]
Die aus den afroamerikanisch-deutschen Beziehungen entstandenen etwa 4800 afrodeutschen Kinder[2] waren in den Besatzungszonen und später in der jungen Bundesrepublik versteckten und offenen Diskriminierungen ausgesetzt – wie auch ihre Mütter, die häufig als „Neger-Hure“, „Ami-Flittchen“ oder gefallenes Mädchen beschimpft wurden.
Sowohl bundesdeutsche als auch US-amerikanische Institutionen wirkten darauf hin, die als skandalös empfundenen Beziehungen aufzulösen. Nicht allein erziehungsberechtigte Mütter wurden von den Jugendämtern, die dann die gesetzlichen Vormünder der offiziell vaterlosen Kinder waren, oft gedrängt, ihre Kinder in spezielle Heime für Mischlingskinder zu geben oder zur Adoption freizugeben.
Eine Einforderung von Unterhaltszahlungen für Besatzungskinder war bis 1950 juristisch nicht möglich.[3]
Als 1952 die ersten Kinder in das Alter der Einschulung kamen, wurde das „Problem der Negerkinder“ verstärkt in der Öffentlichkeit wahrgenommen.
Im Bundestag wurde 1952 diskutiert:
„Eine besondere Gruppe unter den Besatzungskindern bilden die 3093 Negermischlinge, die ein menschliches und rassisches Problem besonderer Art darstellen. … Die verantwortlichen Stellen der freien und behördlichen Jugendpflege haben sich schon seit Jahren Gedanken über das Schicksal dieser Mischlingskinder gemacht, denen schon allein die klimatischen Bedingungen in unserem Land nicht gemäß sind. Man hat erwogen, ob es nicht besser für sie sei, wenn man sie in das Heimatland ihrer Väter verbrächte. … Diese Mischlingsfrage wird also ein innerdeutsches Problem bleiben, das nicht einfach zu lösen sein wird. … Bei ihrer Einschulung beginnt für die Mischlingskinder nicht nur ein neuer Lebensabschnitt, sondern sie treten auch in einen neuen Lebensraum ein aus ihrer bisherigen Abgeschlossenheit. Sie fallen auf durch ihre Farbigkeit … Bemühen wir uns daher, in Deutschland den Mischlingen nicht nur die gesetzliche, sondern auch die menschliche Gleichberechtigung zu gewähren! … Ich meine, wir hätten hier die Gelegenheit, einen Teil der Schuld abzutragen, die der Nationalsozialismus durch seinen Rassendünkel auf das deutsche Volk geladen hat.“
Tatsächlich wurden Kinder, statt Bemühungen um Integration, in einem besonderen „Heim für Mischlingskinder“ untergebracht – oder sie wurden zur Adoption freigegeben. Der Großteil der Kinder wurde in die USA,[5] nach Dänemark und in andere europäische Länder, wie z. B. Schweden und Holland adoptiert.[6]
Sobald die Mutter eine Einwilligungserklärung zur anonymen Adoption unterschrieb, hatte sie keinerlei Rechte in Bezug auf ihr Kind mehr und es war ihr verwehrt, jemals nach dem Verbleib ihres Kindes zu forschen oder Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Hunderte der „Brown Babies“ wurden so von afroamerikanischen Adoptiveltern in den USA aufgenommen. Teil derartiger Bemühungen, die Kinder in eine vermeintlich „angemessenere“ Umgebung zu verbringen, war der sogenannte „Brown Baby Plan“, der von der afroamerikanischen Journalistin Mabel A. Grammer initiiert wurde. Durch diesen Plan wurden mehr als 500 Kinder von US-afroamerikanischen Familien adoptiert.[7]
Nach Dänemark wurden über 2000 afrodeutsche Kinder illegal[8] zur Adoption vermittelt.[9] Tytte Botfeldt in Kooperation mit Anna Lorenzen (Hamburg), Lise Nissen, Frøken N. und der schleswigsche Frauendienst vermittelten von 1956 bis 1965, ab 1964 gegen bestehendes dänisches Recht, diese deutschen Kinder an dänische Ehepaare.[10] Die Adoptiveltern wurden nicht auf Eignung überprüft. Tytte Botfeldt war bis zu ihrem Tod der Ansicht, dass es jedem Kind in Dänemark besser gehen würde, egal wohin es käme. In der in Dänemark berühmt gewordenen Familie Brems wurden innerhalb von zwei Jahren drei der neun adoptierten Kinder zu Tode gequält.[11]
Literatur
Tina Campt, Pascal Grosse: „Mischlingskinder“ in Nachkriegsdeutschland: Zum Verhältnis von Psychologie, Anthropologie und Gesellschaftspolitik nach 1945. In: Psychologie und Geschichte. Jg. 6, Heft 1/2 (September 1994), S. 48–78 (PDF)
Yara-Colette Lemke Muniz de Faria: Zwischen Fürsorge und Ausgrenzung. Afrodeutsche „Besatzungskinder“ im Nachkriegsdeutschland. Metropol Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-932482-75-1.
Yara-Colette Lemke Muniz de Faria: Germany's 'Brown Babies' Must Be Helped! Will You? U.S. Adoption Plans for Afro-German Children, 1950–1955. In: Callaloo. Band 26, Nr. 2, Frühling 2003, S. 342–362.
Amalie Linde, Amalie Kønigsfeldt, Matilde Hørmann-Pallesen: Børneimporten. Et mørkt kapitel i fortællingen om udenlandsk adoption. Verlag des Kristeligt Dagblad, Kopenhagen 2013, ISBN 978-87-7467-136-7 (dänisch).
Joachim Schröder: Betrifft: Uneheliche deutsche farbige Mischlingskinder. In: Martin Spetsmann-Kunkel (Hrsg.): Gegen den Mainstream: Kritische Perspektiven auf Bildung und Gesellschaft. Waxmann, Münster 2009, ISBN 978-3-8309-2186-8, S. 176–201.
Dokumentationen
Brown Babies: The Mischlingskinder Story (Dokumentarfilm, 102 min, USA 2010, Regie: Regina Griffin)[12]
Brown Babies – Deutschlands verlorene Kinder (Dokumentation, 45/52/60 min, Deutschland 2010, Regie: Michaela Kirst, Erstausstrahlung: 14. September 2011)[13]
Kunst
Der deutsche Film Toxi (1952) thematisierte erstmals die Situation von „Brown Babies“ in melodramatischer Form.
Larissa Boehnings Romandebüt Lichte Stoffe über eine Protagonistin, die in Amerika nach dem Mann sucht, der in Berlin 1946 ihre Großmutter schwängerte und dann für immer verschwand.[14]
Susanne Abels Roman Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe über eine Liebe zwischen einem amerikanischen Soldaten und einer deutschen Frau, aus der ein „Brown Baby“ hervorgeht.[15]
↑„… the marriage between a Negro and a white person is considered against the best interest of the service [since] a marriage of a Negro and a white foreign person would create a social problem upon return to the United States.“ NA, RG 338, EUCOM, Secretary, General Office of the Chief of Staff, Confidential, Hq. IX Air Force Service Command, Policy No. 47 on Marriage of Colored Soldiers and White Women, 24 August 1945. Zitiert in: Lemke Muniz de Faria: Germany's 'Brown Babies' Must Be Helped! Will You? In: Callaloo. 26/2 (2003), S. 345, Fußnote 10
↑Lemke Muniz de Faria: Germany's 'Brown Babies' Must Be Helped! Will You? In: Callaloo. 26/2 (2003), S. 344: 4.776 von insgesamt 67.770 Kindern von Besatzungssoldaten.
↑Lee, Sabine: A Forgotten Legacy of the Second World War: GI children in pos-war Britain and Germany. In: Contemporary European History. Band20, Nr.2, 2011, S.173.
↑Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, 1.
Legislaturperiode, Band 10, 198. Sitzung am 12. März 1952, Punkt 10 der Tagesordnung, S. 8505ff.
↑Schröder: Betrifft: Uneheliche deutsche farbige Mischlingskinder. 2009, S. 182.
↑Linde, Amalie et al.: Børneimporten. Et mørkt kapitel i fortællingen om udenlandsk adoption. 2013, ISBN 978-87-7467-136-7, S.10.
↑Führer, Christian: Memories of Mannheim: Die Amerikaner in der Quadratestadt seit 1945. 2013, ISBN 978-3-89735-775-4.