Brocolitia
Brocolitia oder Procolitia war ein römisches Kastell der Hilfstruppen im County Northumbria, Ortsteil (Hamlet) Collerford des Parish Newbrough im Nordosten von England. Es gehörte zu der aus insgesamt 16 Kastellen bestehenden Festungskette des Hadrianswalls (per lineam valli) und sicherte dessen östlichen Abschnitt. Das Lager wurde etwa 300 Jahre, vermutlich von 130 bis 400 n. Chr. vom römischen Militär genutzt. In der Provinzialrömischen Archäologie ist die Ausgrabungsstätte durch drei nahe dem Lager gelegene romano-britische Kultstätten bekannt geworden. NameDer Ortsname stammt aus dem Keltischen und bedeutet entweder „Dachsloch“ (J. C. Bruce), „Platz in der Heide“ oder „felsiger Platz“ (Guy de la Bedoyere). Der Name scheint in der Notitia dignitatum (Procolitia) des späten 4. Jahrhundert auf und wird in der Cosmographie des Geografen von Ravenna aus dem 7. Jahrhundert als Brocoliti zwischen Celunnum (Chesters) und Velurtion (Housesteads) erwähnt.[1] LageBrocolitia ist das siebte Glied in der Festungskette des Hadrianswalls (vallum aelium) und befindet sich auf dem Gebiet des Tynedale district, County Northumberland, 2,4 km westlich des Weilers Chollerford an der B6318, am zentralen Abschnitt des Walls. Es stand im Tepper Moor, am nördlichsten Punkt des Wallabschnittes „Limestone Corner“, eine römische Meile westlich des Meilenkastell 30. In der Nähe befindet sich ein Weiler, Carrawburgh, auf halbem Weg zwischen Sewingsshield und Chollerford. Das Kastellareal liegt heute auf den Weidegründen der Carrowfarm (Carrow House). Der Standort bot einen exzellenten Blick nach Süden über das Tal des Maggie’s Dene Burn. Straßenverbindungen bestanden zu den Lagern von Cilurnum (Chesters), Vercovicium (Housesteads), Vindolanda, Newbrough am Stanegate und Coesike. Ab 212/213 gehörte die Region um Brocolitia zur Provinz Britannia inferior, ab dem 4. Jahrhundert zur Provinz Britannia secunda.[2] ForschungsgeschichteDas Kastell wurde das erste Mal Mitte des 18. Jahrhunderts von John Horsley untersucht und beschrieben. Er stellte dabei fest, dass seine östlichen und westlichen Seitenwälle rechtwinkelig an den Wall angebaut waren und das Lager nicht nach Norden vorsprang. Weiters berichtete er von Spuren eines Vicus an der Westseite und über das Vorhandensein eines Brunnens. Die erste Ausgrabung wurde am Ende des 19. Jahrhunderts von John Clayton (1792–1890) durchgeführt. Im Jahre 1873 konnte er das Lagerbad lokalisieren und untersuchen. 1875 wurde unter einem großen Stein im Zentrum des Kastells ein Münzhort, bestehend aus 66 Denaren aus der Zeit von Marcus Antonius bis Geta entdeckt. 1876 stieß man auf die Reste des südwestlichen Zwischenturms. Im selben Jahr entdeckten Arbeiter einer Bleimine die Quelle „Coventinas Well“, die danach von Clayton und John Collingwood Bruce freigelegt wurde. Bruce veröffentlichte einen vorläufigen Grabungsbericht in der Ausgabe des Newcastle Daily Chronicle vom 23. Oktober 1876. 1934 konnte bei einer Geländebegehung festgestellt werden, dass der südliche Graben des Walls (vallum) beim Bau des Kastells verfüllt worden war. 1949 wurde das Mithräum entdeckt und 1950 von I. A. Richmond und J. P. Gillam freigelegt. 1960 deckte man direkt neben dem Mithräum ein Nymphenheiligtum auf. 1964 wurden auf dem Besucherparkplatz Ausgrabungen vorgenommen. Von 1967 bis 1969 führte David J. Breeze für die Durham University in Carrawburgh Sondierungsgrabungen durch. Die Forschungsergebnisse über Brocolitia wurden 1961 von Birley und 1978 von Charles Daniels zusammengefasst. 1984 erstellte die RCHME Newcastle einen Plan des Kastells und seiner Umgebung, zusammen mit einem vollständigen Bericht über den Erhaltungszustand der noch vorhandenen Überreste. Im selben Jahr konnten Reste der Süd- und Ostmauer der Conventinaquelle beobachtet werden. Am Ende der 1990er Jahre wurden vom Kastellareal Luftaufnahmen angefertigt.[3] Inschriften und FundspektrumBis dato sind 48 römische Inschriften aus dem Umfeld von Carrawburgh bekannt geworden. Sie befanden sich auf 31 Weihealtären, fünf Bauinschriften (eine beschädigt, nicht datierbar), vier Centurialsteine und sechs Grabsteine oder Grabinschriften. Besonders bemerkenswert sind die Funde aus dem Coventinaheiligtum, darunter ein dreiteiliges Steinrelief der Göttin. Im Quellenbecken wurde eine riesige Anzahl römischer Münzen und Votivgaben gefunden, von denen allerdings viele gestohlen wurden, da Clayton sie über Nacht in einer Grube neben der Quelle deponiert hatte. Als schließlich bis zu 6,5 kg Münzen aus dem Quellenschacht geborgen worden waren, dachte man zuerst, man sei auf einen Hortfund gestoßen, der wegen eines Barbarenangriffs o. ä. dort versenkt worden war. Später stellte sich jedoch heraus, dass es sich um Opfergaben für die Göttin handelte, die sich über einen langen Zeitraum hier angesammelt haben mussten. Insgesamt konnten 13.487 Münzen (vier aus Gold, 184 aus Silber der Rest aus Kupferbronze) sichergestellt werden. Viele waren durch ihren langjährigen Gebrauch stark abgegriffen. Sie datierten von der frühen Regierungszeit des Augustus bis ins späte 4. Jahrhundert. Unter diesen Münzen befanden sich auch mehr als dreihundert Aes aus der Zeit des Antoninus Pius, geprägt aus Anlass der Niederschlagung einer Revolte der nördlichen Britenstämme im Jahr 155. Diese Münzen zeigten die Britannia mit gesenktem Kopf und einem Vexillum in der Hand. Die Schlussmünze stammte von 388. 3000 sehr stark abgegriffene Exemplare ließ Clayton einschmelzen und sich daraus eine Adlerskulptur („Coventinas Eagle“) für seine Bibliothek anfertigen (heute im Chesters Museum). Der Rest wurde in den 1960er Jahren dem British Museum in London übergeben. Die übrigen Votivgaben umfassten Tierfiguren aus Bronze, Mantelfibeln (fibulae), Ringe, Perlen, Glasgefäße, zwei tönerne Räuchergefäße, in die ‚Augusta Coventina‘ eingeritzt war, und Lederreste. Darunter waren auch Metallstifte (wahrscheinlich ein Symbol für die Geburt) und Skulpturen von Pferden und Hunden. Das Pferd galt als Fruchtbarkeitssymbol, während der Hund für den Heilgott Asklepios stand. Die Artefakte befinden sich heute mehrheitlich in der Sammlung des Chesters Museum.[4] Entwicklung122 befahl Kaiser Hadrian, im Norden Britanniens eine Sperrmauer, verstärkt durch Wachtürme und Kastelle, vom Tyne bis zum Solway Firth zu errichten, um die britischen Provinzen vor Übergriffen der Pikten aus dem Norden zu schützen. Der Wall wurde größtenteils durch Soldaten der drei in Britannien stationierten Legionen und der Classis Britannica errichtet. Das Lager von Brocolitia entstand mit ziemlicher Sicherheit erst nach Fertigstellung des Hadrianswalls, wahrscheinlich zwischen 130 und 132, und wurde von Angehörigen der Legio VI Victrix erbaut. Untermauert wird diese Annahme durch die Entdeckung einer Inschrift, die Sextus Iulius Severus erwähnt, jener Statthalter, der in Britannien nach 130 amtierte. Einer der Gründe dafür war die Entscheidung der Armeeführung, auch die Besatzungen der Stanegatekastelle direkt an den Wall zu verlegen. Vermutlich standen für die römischen Strategen auch die benachbarten Kastelle von Chesters und Housesteads zu weit voneinander entfernt. Das Mithräum wurde wohl am Ende des 3. Jahrhunderts bei einem Einfall der nördlichen Barbarenstämme zerstört. Diese nutzten die Rebellion der Usurpatoren Carausius und Allectus zu einem Plünderungszug aus, da die meisten Einheiten der Wallgarnisonen 296 in den Südosten marschiert war, um eine Invasion der Reichstruppen abzuwehren. Das Kastell war wahrscheinlich bis ins späte 4. Jahrhundert vom regulären Militär besetzt. Die letzten sichtbaren Reste wurden im frühen 18. Jahrhundert von Bautrupps der britischen Armee unter General George Wade (1673–1748) zur Materialgewinnung für den Bau einer Artilleriestraße (die heutige B6318) abgebrochen. Das Kastellareal ist heute in Privatbesitz, aber für Besucher frei zugänglich.[5] KastellDie Befestigung maß etwa 140 Meter (Nord-Süd) × 110 Meter (Ost-West), bedeckte eine Fläche von 1,6 ha und hatte den für die mittlere Kaiserzeit typischen quadratischen Grundriss mit abgerundeten Ecken (Spielkartenform). Die Grabungen am Ende der 1960er Jahre ergaben, dass das Lager wahrscheinlich zwei Bauphasen durchlief. Phase II konnte u. a. durch Keramikscherben in das Jahr 200 datiert werden. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass es nach dem Jahr 368 noch vom Militär genutzt wurde. Der Wall bildete die Nordmauer der Festung. Im Gegensatz zu den benachbarten Reiterkastellen kragte sie aber nicht über den Wall nach Norden vor. Die Mauern waren an jeder Seite von einem Tor durchbrochen. Ost und Westtor befanden sich nicht im Zentrum der Mauer, sondern waren etwas nach Norden verschoben, da sie dem Verlauf der Wall- oder Militärstraße (gleichzeitig auch die Via principalis des Lagers) angepasst wurden. Dadurch war die retendura des Lagers etwas größer dimensioniert als bei vergleichbaren Kastellen. Das Lager überdeckte den ursprünglichen Verlauf des Südgrabens (vallum). Heute sind nur noch die Kastellplattform und einige etwa 0,5 Meter hohe Bodenerhebungen am südlichen Ende der Westmauer sichtbar.[6] UmwehrungDie Umwehrung bestand aus einer Steinmauer, die rückwärtig von einer Erdrampe gestützt wurde. Letztere diente auch als Wehrgang. An der Westseite ist die Kastellmauer noch ein paar Steinreihen hoch erhalten (ca. 1,0 bis 3,2 Meter). Sichtbares Mauerwerk befindet sich ansonsten noch an der Südseite, die Reste des nördlichen Flankenturms des Westtores und eines Turms zwischen dem Westtor und der südwestlichen Kastellecke sowie an der B6318. Die Mauern waren mit vier, innen angesetzten, Ecktürmen und vermutlich acht Zwischentürmen (zwei an jeder Seite) mit quadratischem Grundriss verstärkt. Der Zwischenturm an der Westmauer, südlich des Westtores, war bei seiner Aufdeckung im späten 19. Jahrhundert teilweise noch zehn Steinreihen hoch erhalten. Eine Bauinschrift (heute Chesters Museum), die in den unteren Lagen seiner Westmauer gefunden wurde, berichtet, dass 24 Fuß der Mauer von der Zenturie des Thruponian errichtet worden war. Die unteren zwei Reihen waren etwas breiter ausgeführt. Der Nordwall liegt heute unter der B6318 und konnte nicht untersucht werden. Das Lager verfügte über die standardmäßigen vier Haupttore mit – vermutlich – zwei Durchgängen, geteilt durch zwei Stützpfeiler (spina) und je zwei quadratische Flankentürme; die porta Praetoria im Norden, die beiden portae principales an jedem Ende der Via principalis von Ost nach West, und die porta decumana im Süden. Eine der Durchfahrten des Südtores wurde später mit Steinen aus abgerissenen Gebäuden blockiert. Das Kastell war zusätzlich von einem Doppelgraben als Annäherungshindernis umgeben. Die Breite der Berme betrug etwa vier Meter. Sie ist für den größten Teil der Peripherie noch als Terrasse – rund zwei Meter unter dem Kamm des Walles – sichtbar. Möglicherweise existierte auch noch ein dritter Graben. Der Südwestabschnitt der Gräben ist noch gut zu erkennen.[7] InnenbebauungAuch die Gebäude wurden im Laufe der Zeit durch Steinraub, die Landwirtschaft und Baggerarbeiten vollkommen zerstört. Es sind nur noch fragmentarische Reste erhalten, darunter ein großer Stein mit einem eingemeißelten Phallussymbol. Südlich der von Ost nach West verlaufenden Lagerhauptstraße, am Westtor, stieß man auf die westliche Seitenwand eines Lagerhauses (horreum). Das Lagerhauptquartier (principia) ähnelte dem von Arbeia. Grabungen an seiner Süd- und Westseite des Lagerhauptquartiers wurden am Ende der 1960er Jahre vorgenommen. Dabei konnten nachträgliche Änderungen an den Räumen VI und VIII festgestellt werden. Sie waren jedoch undatierbar. Wahrscheinlich erfolgten sie aufgrund der Absenkung des aufgeschütteten Untergrundes über den ehemaligen vallum. Die Hypokaustenheizung im Raum II scheint nie vollendet worden zu sein.[8] HadrianswallDer Abschnitt des Hadrianswalls bei Brocolitia war in der Schmalversion errichtet worden. Nach dem Kastell führt der Wall über hügeliges Gelände in gerader Linie zu den Sewingshields Grags. Bei Carrawburgh liegen die Reste der Mauer noch unter der B6318, aber bevor sie zu den Whin Sills aufsteigt, 3,2 km westlich, biegt die die Straße nach Süden in ein Tal ab und nimmt dort die leichtere Route nach Westen. Der Wall hingegen führt über den Grat der Sewingshields Grags bis zum Tal des Knag Burn, wo er das Kastell Housesteads (Vercovicium) erreicht.[9] GarnisonBrocolitia beherbergte im Laufe seines Bestehens eine Reihe von Hilfstruppeneinheiten unterschiedlichster Herkunft. Deren Namen konnten mittels der zahlreichen epigraphischen Quellen, die dort geborgen wurden, identifiziert werden. Folgende Einheiten stellten die Besatzung für das Kastell oder könnten sich für eine begrenzte Zeit dort aufgehalten haben:
VicusDer Vicus wird in mehreren aus dem 3. und 4. Jahrhundert stammenden Inschriften erwähnt. Die Beobachtungen von John Horsley und Nick Hodgson konnten durch Luftaufnahmen bestätigt werden, die unmittelbar vor dem Kastell deutliche Spuren von langrechteckigen Baustrukturen auf beiden Seiten der Militärstraße erkennen ließen. Das flächenmäßig nur sehr kleine Lagerdorf breitete sich auf dem niedrig gelegenen, sumpfigen Gelände westlich des Kastells aus. Von ihm sind heute keine nennenswerten Reste mehr zu sehen da seine Gebäude ebenfalls dem jahrhundertelangen Steinraub zum Opfer fielen. An der Westseite kann man noch sechs Terrassen mit Böschungen bis zu einer Höhe von 2,1 Meter am Hang parallel zum Kastell sehen. In der Nordhälfte überlagern sie einen der Lagergräben. Die dichteste Verbauung (Reste von Fundamenten und Häuserplattformen) konnte an der Westseite, rund 60 Meter vor dem Kastell beobachtet werden. Der Archäologe Nick Hodgson stieß aber auch im Süden auf Gebäudespuren. 50 Meter südöstlich des Mithraeums verlief eine 3,5 Meter breite Straße, die mit großen Steinplatten, darunter zweitverwendete Grabsteine, gepflastert war. Bauperioden konnten nicht festgestellt werden. Einige der Mauerreste dürften aus der Wende vom 3. auf das 4. Jahrhundert stammen, da man bei ihnen Münzen aus der Zeit der Kaiser Claudius II. und Tacitus fand.[18] ThermeDas von John Clayton (1792–1890) Ende des 19. Jahrhunderts untersuchte Badehaus (balnaeum) stand vor dem Westtor auf dem Gelände des Vicus und bestand aus sieben Räumen. Es handelte sich um ein – bei Limeskastellen oft anzutreffendes – Bad des Reihentypus mit Umkleideraum, Toilette, Lau-, Heiß- und Kaltbad und ähnelte in vielen Details den Badehäusern von Benwell, Chesters und Netherby, war aber wesentlich kleiner. Die Therme dürfte im 4. Jahrhundert letztmals renoviert worden sein. Ihre genaue Position ist heute unbekannt, eine an der Westseite des Kastells noch erkennbare Bodenerhebung scheint der wahrscheinlichste Standort zu sein. Von dort aus führte eine 1977 entdeckte, gepflasterte Straße, zum Maggie’s Dene Burn. KultgebäudeIn den Tieflandmarschen um das Kastell wurden die Überreste von drei römischen Heiligtümern entdeckt. Das Mithräum, die Coventinaquelle und das Nymphäum liegen am Maggie’s Dene Burn, der 1,8 km von Carrawburgh, nahe dem Stanegatekastell von Newbrough in den South Tyne mündet. Man nimmt an, dass Brocolitia ein wichtiges Kultzentrum am Hadrianswall war. Mithräum80 Meter von der Südwestecke des Kastells entfernt, am Ostufer des Baches stand ein Tempel für, den besonders im römischen Militär, verehrten Gott Mithras. Er wurde vermutlich von den im Kastell stationierten Soldaten um 200 erbaut. Das Mithräum wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von I. A. Richmond und J. P. Gillam vollkommen freigelegt. Die Oberseiten der drei Originalaltäre und Mauerwerk ragten nach einer Dürreperiode gut sichtbar aus dem ansonsten dort sehr stark versumpften Erdboden heraus. Besonders gut erhalten waren die Basen der Flechtwerkwand zwischen Vor- und Kultraum und die der Stützbalken des Daches. Auch einer der Dachbalken konnte aus den Trümmern geborgen werden. Das konservierte Mauerwerk des Tempels ist heute noch mehrere Steinlagen hoch sichtbar. Die heute dort aufgestellten Altäre und die beiden Reliefs des Cautes und Cautopates sind Abgüsse der römischen Originale, die sich heute in der Sammlung des Chesters Museums befinden. Die Holzpflöcke markieren die Position der Stützbalken. Vom Kultinventar blieb auch eine kleine schmiedeeiserne Altarschaufel aus dem 3. Jahrhundert erhalten. Es ist das einzige bekannte Mithrasheiligtum außerhalb der Rheinprovinzen, in dem auch eine Statue der Göttin Vagdavercustis verehrt wurde, die rechts des Eingangs stand. Die Ausgrabungen ergaben, dass das Gebäude drei Bauphasen durchlief:
Das Mithrasrelief – auf dem die Tauroktonie-Szene abgebildet war – und die Cautes/Cautopatesreliefs wurden, nach der Fundlage zu schließen, absichtlich zerschlagen (siehe auch Ikonoklasmus). Vom Mithrasrelief konnte nur noch ein Fragment geborgen werden. Vier kleinere Altäre und die Abbildungen des Cautes und Cautopates standen entlang der Seitenbänke. Der linke Hauptaltar trägt eine Darstellung des Mithras, von einem Halo gekrönt, der von hinten mit einer Fackel entzündet wird. Hinter diesem stand das Mithrasrelief. Die Altäre und die anderen Kultbildnisse sind Abgüsse der Originale, die sich im Museum von Newcastle befinden. Die Schlussmünze auf dem Gelände des Mithräums war ein frisch geprägter Follis des Maximian (296–308). Das völlige Fehlen von Münzen aus der Zeit nach 308 lässt annehmen, dass der Tempel im 4. Jahrhundert nicht mehr in Gebrauch war. Eine Rekonstruktion des Heiligtums kann in der Newcastle University, Great North Museum besichtigt werden.[19] NymphäumAn der Südseite bzw. unmittelbar vor dem Eingang des Mithräums stieß man Ende der 1950er Jahre auf ein weiteres Heiligtum. Es handelte sich hierbei um die Überreste eines Nymphäums, das in den Jahren zwischen 1957 und 1960 von D. J. Smith vollständig ausgegraben wurde. Das Nymphäum wurde wahrscheinlich während des dritten Jahrhunderts erbaut und blieb bis zum frühen vierten Jahrhundert in Gebrauch. Von ihm sind heute keine Reste mehr sichtbar. Es bestand aus einer in den Hang gebauten, halbrunden Sitzbank aus Stein mit gepflasterten Boden. Das Wasser der Quelle wurde in einem niedrigen, mit Steinplatten eingefassten Becken gesammelt. Die Kultstätte war wohl nicht überdacht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Relief der Nymphen-Triade von Carrawburgh ursprünglich hier aufgestellt war. Einer der Altäre war aus Sandstein gehauen und trägt dieselbe Inschrift an Vorder- und Rückseite. Das deutet darauf hin, dass er in der Mitte des Heiligtums stand. Zwei Altarsteine waren den Nymphen gewidmet, einer gestiftet von Soldaten der legio VI Victrix und der andere von der Bataverkohorte (für Coventina und dem Lagergenius, genius loci).[20] CoventinaquelleDieses Heiligtum der romano-britischen Göttin Coventina liegt westlich des Kastells („Coventinas Well“). Von ihm ist heute nur noch wenig sichtbar, nur ein einzelner aufrechtstehender Stein markiert die archäologische Stätte. Abgesehen von der Quelleinfassung sind in situ noch ein paar Steine der Ost- und Südmauer vorhanden. Es entstand wohl in der Zeit zwischen 128 und 133. Seine Überreste (Umfassungsmauer der Quelle) wurden schon 1732 von John Horsley erwähnt und 1876 von John Clayton freigelegt. Es handelte sich um ein simples, 12 × 12 Meter messendes, quadratisches Gebäude, bestehend aus einer Umfassungsmauer und einem Becken, die um mehrere dort aus dem Boden tretende Quellen aufgebaut war. Der 5 Meter breite Eingang befand sich im Westen. Da keinerlei Reste von Dachziegeln oder Holzbalken gefunden werden konnten, nimmt man an, dass das Bauwerk nicht überdacht war. Die 0,9 Meter dicke Umfassungsmauer bestand aus massiven Steinblöcken. Bei ihrer Aufdeckung war sie noch etwa einen Meter hoch über dem Boden erhalten. Die Wände des 2 Meter tiefen und 2,6 × 2,4 Meter großen Beckens bestanden aus großen, sorgfältig zugehauenen Steinblöcken. Der Grund war mit Kies bedeckt. Bei Aufdeckung des Heiligtums waren sie noch auf 4 Steinreihen über der Wasserlinie erhalten. Auf der Nordseite war einer der Blöcke wannenartig ausgemeißelt. Der Abfluss des Beckens war ebenfalls in Stein ausgeführt. Die Gebäudestruktur war typisch für kelto-römische Quellenheiligtümer. Im Innenraum und tw. im Quellenbecken fanden sich 22 Steinaltäre, die ursprünglich wohl alle an den Wänden aufgereiht standen. Aus dem Quellenbecken konnte John Clayton außer Münzen noch eine große Anzahl von anderen Votivgaben bergen. Es handelte sich demnach nicht um einen Heilkult, der hier praktiziert wurde, verehrt wurde nur die Quelle. Den Fundmünzen nach zu schließen wurde das Heiligtum bis zum Ende des 4. Jahrhunderts genutzt. Carrawburgh ist bislang der einzige in Großbritannien identifizierte Standort eines Coventinaheiligtums. Zwei andere mögliche Fundstellen befinden sich in Frankreich.[21] GräberfeldSoldaten und Zivilisten von Brocolitia bestatteten ihre Toten auf einem Gräberfeld an der Ostseite des Kastells. Die ersten Knochenfunde wurden 1807 zwischen dem Lager und dem Meilenkastell 31 gefunden. Zehn Jahre später stieß man während Erdarbeiten im Osten des Lagers auf römische Urnengräber. Insgesamt wurden fünf Grabsteine bei Carrawburgh gefunden, ihre ursprünglichen Positionen sind jedoch unbekannt. Die Archäologen fanden 1964 auch die Überreste eines kleinen Tempels oder Grabmals.[22] Siehe auchLiteratur
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Einzelnachweise
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