Astronomische ChronologieDie astronomische Chronologie (kurz auch Astro-Chronologie) ist ein interdisziplinäres Fachgebiet zwischen der Chronologie und der Astronomie. Sie befasst sich einerseits mit den astronomischen Grundlagen des Kalenders und der Uhrzeit, andererseits mit der Datierung von früheren astronomischen bzw. historischen Ereignissen. Wesentliche Hilfsmittel dabei sind die Kalenderrechnung, die Himmelsmechanik und die Archäoastronomie, ergänzt um fallweise Aussagen aus dem Bereich von Geschichte, Linguistik, Arithmetik, Physik, Geodäsie und anderer Geistes- oder Naturwissenschaften. Astronomische GrundlagenDie fundamentalen Größen der Chronologie sind:
Tageslänge und wichtige ZeitskalenDie Tageslänge ist nicht konstant, weil die Geschwindigkeit der Erdrotation allmählich abnimmt (derzeit um 0,002 Sekunden pro Jahrhundert). Dies veranlasste die Wissenschaftler, im 20. Jahrhundert spezielle Zeitmaße einzuführen, von denen hier vier erwähnt seien:
Kalender: Jahr und MonatWeltweit existiert eine verwirrende Fülle verschiedener Kalendersysteme, die sich auf die Jahresbahn der Erde um die Sonne oder den Umlauf des Mondes beziehen. Ohne auf die Querverbindungen und historisch bedingten Verwicklungen näher einzugehen, kann festgestellt werden:
Das einzige, was dieses vermeintliche – aber für jedes Fachgebiet praktikable – „Durcheinander“ mildert, sind die durchgehenden Wochentage. Daher waren seit Jahrhunderten alle Versuche, das Jahr auf genau 52 Wochen (364 Tage mit 1–2 „wochenlosen“ Schlusstagen) zu reduzieren, oder gar eine 10-Tage-Woche einzuführen, zum Scheitern verurteilt. An Kalendern, die für die Auswertung zeitgenössischer Quellen bedeutend sind, seien erwähnt:
Siehe hierzu auch: Liste der Kalendersysteme Präzession und NutationSiehe Nutation (Astronomie) Geschichtliche Quellen der astronomischen ChronologieWeltweit gibt es eine große Anzahl astronomisch genützter Bauwerke der Vorgeschichte, die sich für Zwecke der Chronologie verwenden lassen. Zu ihnen gehören unter anderem:
Wesentliche Hilfsmittel sind die Ausrichtung der Bauwerke nach (damaligen) Himmelsrichtungen, nach Auf- und Untergangspunkten der Sonne und heller Gestirne, der Zusammenhang zwischen allfälligen bildlichen Darstellungen und ihrem Ort bzw. der Entstehungszeit, und vieles mehr. Des Weiteren sind Funde und Chroniken anzuführen, deren Inhalt sich mit Phänomenen am Sternhimmel korrelieren lassen:
Hier ist es im Regelfall leichter, die Zusammenhänge des geschilderten Phänomens mit der Beobachtungszeit und/oder der Position des Beobachters herzustellen. Siehe hierzu auch: Sphärische Astronomie, Astronomische Phänomenologie, Bahnbestimmung. Wichtige astronomische Phänomene der VorzeitNur selten sind in Chroniken – die im Orient bis etwa 4000 v. Chr. zurückreichen – allgemeine astronomische Tatsachen enthalten. Häufiger ist es, dass besondere Erscheinungen Anlass für eine Eintragung sind. Zu ihnen gehören:
Siehe hierzu auch: Kategorie:Astronomisches Ereignis Methoden der astronomischen ChronologieDie Methodik der astronomischen Datierung hängt eng mit den Möglichkeiten zusammen, die Bewegungen der Himmelskörper genau genug in die Vergangenheit zurück zu rechnen. Damit kommen mehrere Fachgebiete ins Spiel:
Wichtige Berechnungsmethoden der klassischen Chronologie sind in der Fachliteratur beschrieben, beispielsweise im Werk von Paul Ahnert (siehe unten). BeispieleIm Folgenden wird der weite Bereich der Astrochronologie an zwei extremen Beispielen demonstriert:
Zu weiteren Beispielen, die in anderen Artikeln in der Wikipedia ausführlich dargestellt werden, siehe auch:
Sonnenfinsternis von 136 v. Chr.Mesopotamische Chroniken verzeichnen eine totale Sonnenfinsternis am 15. April 136 v. Chr., deren Zentrallinie genau über Babylon verlief. Der Fall ist darum interessant, weil er von der Verschiebung des Frühlingspunkts im Zyklus der Präzession unabhängig ist. Die sehr verlässlichen Daten erlauben, die Geschwindigkeit der Erdrotation über zwei Jahrtausende in die Vergangenheit zu extrapolieren. Wenn man mit den heute gültigen Bahnelementen der Erde und des Mondes und der jetzigen Achsdrehung zurückrechnet, erhält man eine Finsternislinie durch Mallorca. Die 4000 km zum tatsächlich verfinsterten Babylon sind Ausdruck der Tatsache, dass sich die Erdrotation seither um etwa 1/30 Sekunde verlangsamt hat. Weil sich dies mit jedem der fast 800.000 Tage aufsummiert, resultieren 3¼ Stunden. Die früher rascher rotierende Erde bewirkt, dass der Mondschatten nicht vor Spanien, sondern bereits im Orient auf die Erdoberfläche traf. Im Durchschnitt verlangsamte sich die Erddrehung um ein bis zwei Millisekunden pro Jahrhundert. Computergestützte Modelle und SimulationenMit den modernen Mitteln der Computertechnik – wie Computersimulation, numerische Integration, Gleichgewichts- und andere Modellrechnungen – lassen sich viele Phänomene genauer (und auch schneller) zurückrechnen als mit den klassischen, mathematisch strengen Formeln der Physik oder der Himmelsmechanik. Als Beispiel sei das Teilbild einer Simulation gezeigt, bei der die Begegnung zweier Galaxien und ihre Folgen aus der gegenseitigen Gravitation berechnet wurden. Hier geht es nicht um Jahrtausende, sondern um Jahrmillionen. Das Bild stammt aus dem Artikel „Extragalaktische Objekte“ und demonstriert, wie die Milliarden Sterne der zwei Spiralnebel zwar aneinander vorbeifliegen, aber nachher doch ein gemeinsames System bilden dürften. Probleme solcher Simulationen sind unter anderem:
Auf ähnliche Art werden auch Simulationen im Sonnensystem berechnet – beispielsweise für Sternbedeckungen, Finsternisse und Planeten-Konstellationen. Siehe auchWeitere relevante Phänomene: Körper des Sonnensystems
Verschiedenes
Literatur und Weblinks
Einzelnachweise
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