Antonio Bellucci (auch Antonio Belluzzi genannt; * 1654 in Pieve di Soligo, Treviso; † 1726 oder 1727 ebenda)[1][2] war ein italienischerMaler des venezianischen Hoch- und Spät-Barock, der auch in Deutschland, Österreich und England wirkte.
Bellucci soll zunächst in Dalmatien bei Domenico Difnico studiert haben und später in Venedig, wo er durch Andrea Celesti, Pietro Liberi und Antonio Zanchi beeinflusst wurde.[1] Er entwickelte sich zu einem der führenden und bedeutendsten Maler, die in Venedig und im Veneto vom Ende des 17. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts tätig waren.[3][1] Ab dem 30. August 1684 war er in der venezianischen Malervereinigung (der fraglia) eingeschrieben.[3]
Die Chronologie seines Schaffens ist nicht immer ganz klar, jüngere Quellen differieren zum Teil erheblich von Angaben bei älteren Autoren.
Zu Belluccis noch tenebristisch beeinflusstem Frühwerk zählt ein signiertes Bild Venus und Mars in der Collezione Steffanoni (Bergamo).[1]
In einem Wettstreit mit Gregorio Lazzarini malte er 1691 für das Presbyterium der Kirche San Pietro di Castello das riesige Gemälde Der Doge bittet um das Ende der Pest, das als eins seiner Meisterwerke gilt[4] und neben einem imposanten bühnenhaften Entwurf noch Einflüsse von Zanchi zeigt.[1]
Etwa um dieselbe Zeit malte er zusammen mit Antonio Molinari und Lazzarini im Palast des Antonio Lin in kürzester Zeit eine Dekoration in Freskotechnik, was zwar auf dem italienischen Festland normal, aber in Venedig (wahrscheinlich wegen der Feuchtigkeit oder der salzhaltigen Luft) bis dahin nicht üblich war; obwohl diese Arbeit auch für die drei Maler ganz ungewöhnlich war, gelang ihnen das Ergebnis so gut, dass es allgemeine Bewunderung hervorrief. Dies war der Beginn der barocken Freskendekorationen in Venedig.[5]
Außer in Venedig arbeitete Bellucci auch für Kirchen in Verona und Umgebung sowie in Vicenza.[6] Zu den Werken seiner Reife gehören die beiden Ölbilder Die Milde des Scipio und Die Familie des Darius im Museum von Vicenza und das 1706 geschaffene Altarbild mit dem Martyrium des hl. Alessandro für die Kirche in Cenate d’Argon (bei Bergamo).[1]
1692 begann offenbar seine Tätigkeit für den deutschsprachigen Raum, als er einen Auftrag für vier Altarbilder für die Kirche von Klosterneuburg bei Wien bekam.[7] In den Jahren 1696–1697 und 1699 war er in Österreich und Deutschland, ist aber zwischenzeitlich wahrscheinlich zurück in Venedig gewesen, da er die Patenschaft für Gian Antonio Guardi (1698–1760) übernahm.[8]
Von 1702 bis 1704 stand Bellucci in Wien in den Diensten von Fürst Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein, für den er eine Reihe großer Deckengemälde in Öl auf Leinwand schuf, die zu seinen bedeutendsten Werken zählen (siehe unten: Werkliste).[9][1] Die ursprünglich für das Stadtpalais Liechtenstein gemalten Bilder sind erhalten, wurden aber im 19. Jahrhundert zum Teil ins Gartenpalais in der Rossau überführt und durch Beschneidungen und Anstücken teilweise vergrößert oder verkleinert.[10] Belluccis Triumph des Herkules, der im 19. Jahrhundert im westlichen Treppenhaus des Gartenpalais’ angebracht wurde, könnte allerdings ursprünglich für den Herkulessalon desselben Bauwerks geschaffen worden sein;[11] das Bild verdeckte seit dem 19. Jahrhundert Fresken von Johann Michael Rottmayr und wurde daher bei Restaurierungsmaßnahmen zu Beginn des 21. Jahrhunderts abgenommen.[12][13]
Für Schloss Feldsberg (?) malte Bellucci 23 Gemälde, deren Verbleib nicht bekannt ist.[1][6]
Bellucci ging 1705–1706 nach Düsseldorf,[3][14] und schuf für Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz umfangreiche malerische Dekorationen in Schloss Bensberg, die heute über verschiedenen Museen verstreut sind, unter anderem in Bayern. Für die kurfürstliche Gemäldegalerie schuf Bellucci auch die Bilder Danae im Goldregen, Venus mit der Taube sowie Amor und Psyche.[1][15] Im Museum von Augsburg befindet sich das riesige Gemälde mit der Hochzeit des Kurfürsten Johann Wilhelm mit Anna Maria de’ Medici (Tochter von Cosimo III.), auf dem Bellucci neben annähernd 50 lebensgroßen Figuren auch sein eigenes Selbstporträt malte[1] (in der linken Ecke).[6]
1709 folgte er schließlich einem Ruf an den kaiserlichen Hof in Wien, wo er unter anderem ein Porträt von Joseph I. malte und nach dessen Tod auch in den Diensten von Karl VI. stand.[1]
Ein anderer deutscher Mäzen von Bellucci war Lothar Franz von Schönborn, für dessen Schloss in Pommersfelden er ein Deckengemälde mit Flora malte, sowie die Gemälde Rebecca am Brunnen und die Auffindung des Mosesknaben.[1]
1716, nach dem Tode von Kurfürst Johann Wilhelm, folgte Bellucci einer Einladung nach England, wo er für James Brydges, 1. Duke of Chandos, Decken- und Wandgemälde schuf, von denen die meisten heute bedauerlicherweise verloren sind.[1] Erhalten blieb davon ein Deckengemälde mit Christi Himmelfahrt, das ursprünglich für die Kapelle des Palasts in Cannons entstand und im August 1720 dort eingeweiht wurde, aber nach dem Tode des Herzogs 1747 in die Gemeindekirche von Great Witley (Worcestershire) transferiert wurde.[7]
Zu den erhaltenen Werken aus Belluccis englischer Zeit gehören außerdem ein großes Deckengemälde, das sich heute in Buckingham Palace befindet, und ein weiteres mit allegorischen Figuren in Burlington House.[1]
Um 1722 kehrte er von London nach Venedig zurück. Aus seiner letzten Schaffensphase stammt wahrscheinlich das Bild Joseph und die Frau des Potiphar (im Museum von Verona).[1]
Antonio Bellucci starb in seinem Heimatort Pieve di Soligo, entweder 1726 oder 1727.[1] Er hatte einen Sohn Giovanni Battista (1684–1733), der auch Maler war und einige Bilder für die Gemeindekirche in Pieve di Soligo malte.[1]
Vor allem in seinem Frühwerk zeigt Bellucci noch tenebristische Tendenzen. Malerisch ist er besonders von Andrea Celesti, Liberi, Zanchi und Luca Giordano beeinflusst. Sein Reifestil verströmt barocke Lebensfreude und Pracht und ist von malerischer Raffinesse, mit einer weichen, reich abgestuften Farbgebung, einer weichen, virtuosen Pinselführung, teilweise verschleiernden Sfumato-Effekten, aber mit deutlich konturierten Figuren, die an Veronese erinnern (besonders die Frauen). Virtuos ist seine Darstellung kostbarer und malerisch drapierter Stoffe, auffällig gekonnt auch die Chiaroscuro-Effekte, die er zum Teil noch von den „Tenebrosi“ gelernt hat.
Im Laufe der Zeit nimmt er – wahrscheinlich durch seine oben genannten venezianischen Kollegen und durch Antonio Balestra – immer mehr klassizistische Züge im Sinne von Carlo Maratta an: Belluccis Malerei wird nach und nach glatter, die Palette heller. Trotzdem wirkt er mit seinem typisch venezianischen „sanft einschmeichelnden Kolorit“[3] nie römisch. Insgesamt gehört er zu den wichtigsten Vorläufern von Tiepolo, ohne dass er jedoch die frühen, fortschrittlichen Rokoko-Tendenzen des nur wenige Jahre jüngeren und einflussreichen Sebastiano Ricci aufgenommen hätte.[17][1]
Antonio Belluccis Bedeutung liegt nicht zuletzt in seiner umfangreichen internationalen Tätigkeit, durch die er insbesondere auch im deutschsprachigen Bereich bekannter ist als manche seiner venezianischen Zeitgenossen.
Bildergalerie
Anbetung der Könige, um 1682, Öl auf Leinwand, 198,1 × 266,7 cm, Museum of Fine Arts, Houston
Christi Himmelfahrt, 1719–20, Deckengemälde für die Kapelle des Palasts von James Brydges in Cannons, heute in der St. Michael and All Angels Parish Church, Great Witley, Worcestershire
Joseph und die Frau des Potiphar, um 1722–26 (?), Museum von Verona
Fabrizio Magani: Antonio Bellucci : catalogo ragionato, S. Patacconi Editore, Rimini 1995.
Giuseppe Maria Pilo: Gli affreschi di Antonio Bellucci nel Palazzo Sturm, Bassano del Grappa 1963.
Matthias Reuß: Antonio Belluccis Gemäldefolge für das Stadtpalais Liechtenstein in Wien (Reihe: Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 126), Verlag G. Olms, Hildesheim / New York 1998, ISBN 3-487-10818-6.
Alfons Kleiner, Brigitte Ferdig: Antonio Bellucci, Artikel in: Artisti Italiani in Austria, 2004 / 2009 (deutsch; Abruf am 27. März 2022).
Antonio Bellucci: Die zu Venus geführte Jugend und weitere Gemälde in den Sammlungen der Fürsten von Liechtenstein, auf der Website: Liechtenstein – the princely collections (deutsch; Abruf am 28. März 2022).
Bellucci, Antonio, in: Worldcat Identities (Abruf am 27. März 2022).
Artikel zu Auktionen von Bildern Antonio Belluccis:
The Triumph of Galatea (Entwurf für ein Deckenbild), Lot Essay zu einer Auktion bei Christie’s, Dezember 2005, Lot 224 (englisch; Abruf am 29. März 2022).
The Ascension of Christ, a modello (Entwurf für das Deckenbild in der Great Witley Church), Lot Essay zu einer Auktion bei Christie’s, Januar 2009, Lot 52 (englisch; Abruf am 29. März 2022).
Die Hochzeit Mariens (Antonio Bellucci zugeschrieben), Artikel zu einer Auktion im Dorotheum, Wien, Oktober 2012, Lot Nr. 593 (Abruf am 29. März 2022).
↑ abcdAlfons Kleiner, Brigitte Ferdig: Antonio Bellucci. In: Artisti Italiani in Austria. November 2009, abgerufen am 27. März 2022 (deutsch).
↑William Barcham: Das venezianische Rokoko – Tiepolo und das 18. Jahrhundert, in: Giandomenico Romanelli (Hrsg.): Venedig – Kunst und Architektur, 2 Bände, Könemann, Köln 1997, darin: Bd. 2, S. 640–691; hier: S. 650.
↑Adriano Mariuz, Giuseppe Pavanello: Die Innendekorationen der venezianischen Paläste – von der barocken Pracht zur Eleganz des Rokoko, in: Giandomenico Romanelli (Hrsg.): Venedig – Kunst und Architektur, Könemann, Köln 1997, darin: Bd. 2, S. 582–639; hier: S. 591 und 596.
↑ abAntonio Bellucci: The Ascension of Christ, a modello (Entwurf für das Deckenbild in der Great Witley Church), Artikel (Lot Essay) zu einer Auktion bei Christie’s, Januar 2009 (englisch; Abruf am 29. März 2022).
↑Hier nach: Alfons Kleiner, Brigitte Ferdig: Antonio Bellucci, Artikel in: Artisti Italiani in Austria, 2004 / 2009 (deutsch; Abruf am 27. März 2022).
↑Johann Kräftner, Andrea Stockhammer: Liechtensteinmuseum Wien - Die Sammlungen, Prestel Verlag, München et al. 2004, S. 49, 70 und S. 76.
↑Etwas später wurde der Herkulessalon allerdings von Andrea Pozzo ausgemalt.
↑Johann Kräftner, Andrea Stockhammer: Liechtensteinmuseum Wien - Die Sammlungen, Prestel Verlag, München et al. 2004, S. 49 und S. 80.
↑Das Bild ist offenbar identisch mit dem Triumph des Ruhmes in den Liechtensteinschen Sammlungen. Siehe: Antonio Bellucci: Triumph des Ruhmes (und weitere Gemälde) in den Sammlungen der Fürsten von Liechtenstein, auf der Website: Liechtenstein – the princely collections (deutsch; Abruf am 28. März 2022).
↑Ältere Quellen behaupten, er sei erst von Wien aus, als nach 1709 oder 1710 nach Düsseldorf gegangen. Beispielsweise: Nicola Ivanoff: Antonio Bellucci. In: Alberto M. Ghisalberti (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 8: Bellucci–Beregan. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1966.
↑Karl Leopold Strauven: Ueber künstlerisches Leben und Wirken in Düsseldorf bis zur Düsseldorfer Maler-Schule unter Direktor Schadow. Hofbuchdruckerei H. Voß, Düsseldorf 1862, S. 23.
↑William Barcham: Das venezianische Rokoko – Tiepolo und das 18. Jahrhundert, in: Giandomenico Romanelli (Hrsg.): Venedig – Kunst und Architektur, 2 Bände, Könemann, Köln 1997, darin: Bd. 2, S. 640–691; hier: S. 650 und 651.
↑William Barcham: Das venezianische Rokoko – Tiepolo und das 18. Jahrhundert, in: Giandomenico Romanelli (Hrsg.): Venedig – Kunst und Architektur, 2 Bände, Könemann, Köln 1997, darin: Bd. 2, S. 640–691; hier: S. 653.
↑Die Gemälde sind derzeit (2022) online zu sehen. Siehe: Antonio Bellucci: Die zu Venus geführte Jugend und weitere Gemälde in den Sammlungen der Fürsten von Liechtenstein, auf der Website: Liechtenstein – the princely collections (deutsch; Abruf am 28. März 2022).