AntikolonialdenkmalDas Antikolonialdenkmal ist ein Mahnmal in Bremen in der Form eines Elefanten aus Backstein. Es befindet sich im Nelson-Mandela-Park im Stadtteil Schwachhausen, Ortsteil Bürgerweide-Barkhof gegenüber dem Hermann-Böse-Gymnasium und in der Nähe des Hauptbahnhofs. Es wurde ursprünglich als Reichskolonialehrendenkmal 1931 errichtet, im Juli 1932 eingeweiht und galt der Kolonialbewegung von da an als zentrales deutsches Kolonialdenkmal.[1] Im Jahre 1989 wurde es zu einem Antikolonialdenkmal umgewidmet. Aus heimatgeschichtlichen und künstlerischen Gründen ist das „Anti-Kolonial-Denk-Mal“ seit dem Jahr 2008 ein eingetragenes Denkmal.[2] Die Pflege des Denkmals wurde 2009 dem gemeinnützigen Verein Der Elefant! übertragen, der zu „Vielfalt, Toleranz und Kreativität durch Bildung, Kunst und Kultur“ rund um den Elefanten beitragen will.[3] VorläuferBereits 1908 wurde in Berlin ein Kolonialkriegerdenkmal geplant, das den auf außereuropäischem Boden gefallenen Deutschen gewidmet werden sollte. Der Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow setzte sich für dieses Projekt ein, das auf Beschluss des Reichstages genehmigt wurde. 1913 wurde der Wettbewerb für dieses Objekt ausgeschrieben, den der Bildhauer Fritz Behn mit der Darstellung eines afrikanischen Elefanten gewann. Der Entwurf wurde kritisiert und abgelehnt. Kaiser Wilhelm II. schrieb im Juni 1914 einen neuen Wettbewerb aus, der jedoch bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges verschoben und nicht mehr realisiert wurde. Idee und PlanungNach dem Ersten Weltkrieg fiel es der politischen und wirtschaftlichen Elite Bremens schwer, sich mit dem Verlust der deutschen Kolonien abzufinden. Schließlich hatte die Stadt während der Kolonialzeit durch den Handel mit Übersee stark profitiert. Hamburger und Bremer Kaufleute waren wichtige Initiatoren der deutschen Kolonialbewegung, weil sie ihre weltweiten Handelsplätze staatlich gesichert haben wollten („Die Flagge folgt dem Handel“). Herausragende Person war hierbei der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz, der die erste Kolonie Deutsch-Südwestafrika (Namibia) erwarb. In den 1920er und 1930er Jahren sprachen sich viele der alten Handelsfirmen für den Wiedergewinn der deutschen Kolonien und für eine Rückkehr des deutschen Handels nach Afrika aus. Um diese Idee zu bestärken, um auf die Vergangenheit zu verweisen und um den Anspruch an die Kolonien aktuell aufleben zu lassen, plädierten nationale Kräfte für die Errichtung eines entsprechenden Mahnmals. Das „Reichskolonialehrendenkmal“, wie die Bezeichnung offiziell lautete, ging auf einen Antrag der kolonialen Arbeitsgemeinschaft Bremen vom September 1926 zurück. Nach heftigen Debatten erteilte die Bürgerschaft erst im Januar 1931 ihre Zustimmung, die einen Monat später durch einen Beschluss des Senats bestätigt wurde. Nach einigen gescheiterten Anträgen zur offiziellen Einweihung des Denkmals (man befürchtete, dass dieses Monument weniger an die Gefallenen erinnern als vielmehr kolonialer Propaganda dienen sollte) wurde diese erst im Juni des Folgejahres nach ständigem Drängen der Deutschen Kolonialgesellschaft durch Senatsbeschluss genehmigt. AusführungDas zehn Meter hohe, aus dunkelroten Oldenburger Klinkern gemauerte Monument in der Form eines Elefanten wurde 1932 nach einem Entwurf des Bildhauers Fritz Behn durch den Architekten Otto Blendermann errichtet. Die figürliche Darstellung des Elefanten geht in ein zwölfeckiges Sockelstück über und ruht auf einer weiteren, 15 mal 11,20 m großen und 1,50 m hohen Sockelstufe. Das Monument ist mit den beiden Sockeln vom Boden aus 10 Meter hoch. An den Längsseiten des Unterbaus (Krypta) befanden sich jeweils drei Fenster zur Beleuchtung des halbunterirdisch liegenden Gewölberaums, den man an der Kopfseite des Elefanten über sechs Stufen und ein bronzenes Tor betreten konnte. In der Krypta befand sich auf einem steinernen Tisch ein Buch, in dem die 1.490 Namen der im Ersten Weltkrieg in den deutschen Kolonien gefallenen Soldaten verzeichnet waren.[4][5] Die geehrten Toten lagen, in dieser symbolischen Darstellung des Ehrenmals, unter afrikanischem Boden. Vor 1945 konnte man über der Tür zur Krypta die in Terrakottatafeln gebrannte Inschrift Unseren Kolonien lesen, und an den Seiten des Denkmals erinnerten ebenfalls in Terrakottatafeln die Namen der deutschen Kolonien in Afrika (Kamerun, Deutsch-Ostafrika, Togo, Deutsch-Südwestafrika) sowie die Namen der Kolonien im Pazifik, Deutsch-Neuguinea und Deutsch-Samoa, an die Zeit des Kolonialismus. Auf der Rückseite des Monumentsockels befanden sich zwei Portraitmedaillons mit Bildnissen des Bremer Kaufmanns Franz Adolf Lüderitz und des Generals Paul von Lettow-Vorbeck. Im Zuge ständiger Renovierungen und Instandsetzungen des Denkmals wurden die Inschriften abgenommen, und bei einer Umnutzung der Krypta als Abstellraum wurde das Totenbuch in das Staatsarchiv Bremen verlegt. EinweihungAm 6. Juli des Jahres 1932 fand schließlich unter Teilnahme aller norddeutschen Rundfunksender und des Deutschlandsenders die Einweihung statt.[6][7] Angesichts des großen Andrangs von Schaulustigen bei dem sehr warmen Sommerwetter sorgte die Polizei für eine Absperrung des Festplatzes.[8] Als erster Redner sprach Eduard Achelis, Vorsitzender der Abteilung Bremen der Deutschen Kolonialgesellschaft:
Der zweite Redner der Veranstaltung, Bürgermeister Spitta, machte gegen Ende seiner Rede auf das neue Kolonial-Ehrenmal zu dessen Funktion deutlich:
Als dritter Redner wies der stellvertretende Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft Lindequist auf die Größe des deutschen „Kolonialreich[s] von der fast sechsfachen Ausdehnung Deutschlands“ hin: „zu schmal“ sei für ein 65-Millionen-Volk nach dem Verlust der Kolonien „die wirtschaftliche Basis, zu eng der Lebensraum geworden“. So verlangte er „vor allem Raum in eigenen Siedlungsgebieten für unsere deutschen Volksgenossen“. „Deshalb“, so Lindequists programmatische Ausführungen weiter,
Als vierter Redner sprach General von Lettow-Vorbeck in der alten Uniform der Kaiserlichen Schutztruppe:
Nach dem Deutschlandlied wurden in der Krypta des Denkmals Gedenk-Kränze niedergelegt, unter anderem vom Senat, von der Bürgerschaft, der Handelskammer Bremen, von Reichswehr und Reichsmarine, vom Marine-Offizier-Verband, vom Norddeutschen Lloyd sowie von den Kolonial- und Kriegerverbänden. Eine Ehrenkompanie der Reichswehr und die Fahnenabordnungen der Kolonialkrieger, Kriegervereine und Kriegerverbände unterstrichen den offiziellen Charakter der Festveranstaltung.[6] Ein Zusammenhang zwischen dem deutschen Kolonialismus, seinen rücksichtslosen Kolonialkriegen und Hitlers späterem Vernichtungsfeldzug im Osten ist in der Geschichtswissenschaft ein aktuell umstrittenes Thema.[11][12] Die Reden von 1932 zur Einweihung des „Kolonial-Ehrenmals“ in Bremen spiegeln viel von dem Zeitgeist wider. Umwidmung zum AntikolonialdenkmalIn einer Entschließung der Bremer Bürgerschaft vom 19. September 1989 folgte man der in Den Haag gestarteten europäischen Aktion Städte gegen Apartheid. In der Entschließung heißt es: „Die Stadtbürgerschaft begrüßt […] die laufende Renovierung und Umwidmung des Kolonialdenkmals (der Elefant an der Bürgerweide) zu einem Antikolonialdenkmal und die bereits ausgesprochene Einladung an Präsident Sam Nujoma zur Einweihung im Frühjahr 1990.“ Als Namibia am 21. März 1990 seine erlangte Unabhängigkeit beging, feierte Bremen mit. Kurze Zeit später, am 18. Mai 1990 wurde der Elefant beim Namibia-Freiheitsfest als „Anti-Kolonial-Denk-Mal“ umbenannt. Klaus Wedemeier, der damalige Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, führte aus: „Kein Kontinent unserer Erde ist durch den europäischen Kolonialismus derart zerstückelt, ökonomisch und ökologisch zerstört und in seiner Identität verletzt worden wie Afrika.“[13] Bei diesem feierlichen Akt wurde eine große Bronzetafel rechts am Fuß des Denkmals enthüllt. Der Wortlaut dieser zweiteiligen Tafel:
Im Juni 1996 besuchte der namibische Staatspräsident Sam Nujoma die Hansestadt und enthüllte zusammen mit dem Bürgermeister Henning Scherf eine weitere Bronzetafel mit der Aufschrift:
Kooperationen zwischen Bremen und NamibiaDie Umwidmung des Elefanten war nicht nur ein symbolischer Akt, sondern er wurde zum Beginn einer bis heute anhaltenden Solidarität mit konkreten Ergebnissen. 1990 wurde das Namibia-Projekt als Kooperation zwischen der Universität Bremen (Zentrum für Afrika-Studien) und dem UN-Institut für Namibia in Lusaka und der SWAPO gegründet. Das Ziel der Zusammenarbeit war, der schwarzen Bevölkerung Namibias eine Ausbildung zu ermöglichen, denn die schwarze Bevölkerungsmehrheit war unter der südafrikanischen Verwaltung von Ausbildungsmöglichkeiten beinahe ausgeschlossen. Als erstes sollte die koloniale Vergangenheit des Landes im Unterricht thematisiert werden. Dazu entstand mit Hilfe der Bremer Sozialwissenschaftlerin Helgard Patemann unter anderem ein Buch zur Sozialkunde des Landes mit dem Titel Our Namibia, ein Geschichts- und Geographiebuch über Namibia. Ein weiteres Hauptziel dieses Projektes lag in der Unterstützung beim Aufbau eines neuen Rechtssystems, für das sich Manfred Hinz von der Universität Bremen engagierte. Bremen und Namibia gründeten im März 1995 einen gemeinsamen Runden Tisch, der in der Bremer Landesvertretung in Bonn eröffnet wurde. Seit 2001 ist Namibias Hauptstadt Windhoek eine Partnerstadt von Bremen. Aktuelle EntwicklungEs gibt eine Initiative, die Krypta in den Sommermonaten für kulturelle Veranstaltungen zu nutzen und für die Belebung des kleinen Parks eine Sommerfreiluftgastronomie einzurichten. Als Träger fungiert der als gemeinnützig anerkannte eingetragene Verein „DerElefant!“. 2009 wurde die Krypta renoviert und beleuchtet, und es erfolgte die Reinigung des Monumentes. Das Monument wird von außen angestrahlt. Ebenfalls 2009 wurde ein Erinnerungsort für die Opfer der Nama und Ovaherero während des Kolonialkrieges in Namibia (1904–1908) in unmittelbarem Dialog mit dem Elefanten errichtet. Dabei wurden Steine aus der Omaheke-Wüste in Namibia, in der viele Herero nach der Schlacht am Waterberg verdursteten, nach Bremen geschafft, um dort zum kreisförmigen Erinnerungsort gestaltet zu werden. Diese Initiative wurde von dem gemeinnützigen Verein für Vielfalt, Toleranz und Kreativität, DerElefant! sowie von der Lokalpolitik, Kulturschaffenden und engagierten Nachbarn gegründet und getragen. Siehe auch
Literatur
WeblinksCommons: Antikolonialdenkmal Bremen – Sammlung von Bildern
Einzelnachweise
Koordinaten: 53° 5′ 2,7″ N, 8° 49′ 3″ O |
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