Xu WeiXu Wei (chinesisch 徐渭, Pinyin Xú Wèi; zi: 文長 / 文长, Wéncháng; 1521–1593) war ein für seine künstlerische Expressivität berühmter chinesischer Maler, Dichter und Dramatiker aus der Zeit der Ming-Dynastie. LebenXu Wei wurde 1521 in Shanyin (heutzutage Shaoxing, Zhejiang) in die Familie eines kleinen Beamten hinein geboren. Aufgrund familiärer und finanzieller Probleme hatte Xu keine glückliche Kindheit: Xus Vater starb, als er gerade einmal hundert Tage alt war. Als die finanzielle Situation der Familie sich verschlechterte, wurde Xus Mutter, ein Miao-Sklavenmädchen, verkauft.[1] Da Xu Weis ältere Brüder den verbliebenen Besitz der Familie Xu nach und nach verschleudert hatten, konnte Xu nur in die Familie seiner Frau einheiraten (ruzhui 入贅). Dies war ein Bruch mit der damals allgemeingültigen Regel der Patrilokalität, wonach die Frau nach der Heirat zur Familie ihre Mannes zieht; für Xu bedeutete dies einen extremen Status- und Ansehensverlust. Obwohl er die erste Stufe der Beamtenprüfungen mit 20 Jahren bestanden hatte, scheiterte Xu acht Mal an den Beamtenprüfungen auf Provinzebene.[2] Xus literarisches Talent war dennoch bekannt und so erreichte Xu eine Anstellung als privater Assistent (muliao 幕僚) bei Hu Zongxian, einem hohen Beamten, der an der chinesischen Ostküste gegen Piraten kämpfte. Xus Arbeit war im Wesentlichen die eines Ghostwriters, der Texte für und im Namen von Hu Zongxian schrieb. Nachdem Hu Zongxian 1565 aufgrund seiner Verbindung zur Clique um Yan Song gefangen genommen wurde und im Gefängnis vermutlich Selbstmord beging, versuchte Xu 1566 sich mehrmals selbst umzubringen, indem er seine Ohren durchbohrte und seine Hoden mit einem Hammer zertrümmerte. Außerdem brachte Xu 1566 seine Frau aus dritter Ehe um, da er überzeugt war, dass sie ihn betrogen hatte.[3] Infolge des Mordes verbrachte Xu Wei sieben Jahre im Gefängnis. Sein restliches Leben verbrachte Xu damit Bilder zu malen, ohne jedoch nennenswerten finanziellen Erfolg zu erreichen. Der Sinologe Martin Huang führt Xus Geisteskrankheit nicht nur auf Xus Angst, selber ins Gefängnis geworfen zu werden zurück, sondern vielmehr auf Xus Gewissensbisse, da er sich – im Gegensatz zu anderen Freunden und Assistenten Hu Zongxians – nicht für diesen eingesetzt beziehungsweise Hu Zongxian nicht vor Yan Song gewarnt hatte.[4] Laut Huang kämpfte Xu Wei zeitlebens gegen seine eigene Feminisierung (gemeint ist die Zuweisung einer femininen, untergeordneten Stellung in der sozialen Hierarchie) an und versuchte einen Status als echter Mann zu erreichen. Der deutsche Sinologie Wolfgang Bauer vermutet in seiner Analyse einer autobiographischen Grabinschrift Xu Weis aus dem Jahre 1566 hingegen, dass Xu Weis augenscheinlicher Wahnsinn eine Strategie war, um sein eigenes Leben nach dem Fall Hu Zongxians zu bewahren.[5] In dieser von Xu Weis selbstverfassten Grabinschrift heißt es:
WerkeIn Xus künstlerischen Werken zeigt sich seine Frustration mit seiner untergeordneten sozialen Stellung, seinen bescheidenen finanziellen Mitteln, seiner Krankheit und allgemein die Frustration über sein Leben. Abgesehen von Bildern und Kalligraphie ist Xu vor allem bekannt für seine vier zaju Theaterstücke, die auch unter dem Namen „Die vier Schreie des Affen“ (Sisheng yuan 四声猿) bekannt sind. In seinen Theaterstücken spielen oftmals Frauen, die sich als Männer verkleiden, eine wichtige Rolle.[8] Bekanntestes Beispiel hierfür ist Xus Stück „Die weibliche Mulan zieht an ihres Vaters Stelle in den Krieg“ (雌木蘭替夫從軍), in dem er die Geschichte der Mulan (davor nur in zwei Gedichten aus dem 5./6. Jahrhundert und der Tang-Dynastie überliefert) wiederbelebte. Dabei erfand Xu auch den Familiennamen Hua (Blume 花) – bis heute ist die Rede von Hua Mulan.[9] SonstigesDas Qingteng-Studio und das Grab von Xu Wei (chinesisch 青藤书屋和徐渭墓, Pinyin Qingteng shuwu he Xu Wei mu) in Shaoxing in der Provinz Zhejiang stehen auf der Denkmalliste der Volksrepublik China. Literatur徐渭集 Xu Wei ji. Zhonghua shuju 中華書局 1983. Wolfgang Bauer: Das Antlitz Chinas. Die autobiographische Selbstdarstellung in der chinesischen Literatur von ihren Anfängen bis heute. München: Hanser 1990, S. 378–383. Goodrich/Fang: A Dictionary of Ming Biography 1368–1644. New York: Columbia University Press 1976, S. 609–612. Martin W. Huang: The Case of Xu Wei: A Frustrated Hero or a Weeping Widow? In: Ders.: Negotiating Masculinities in Imperial China. Honolulu: University of Hawaii Press 2006, S. 53–71. WeblinksCommons: Xu Wei – Sammlung von Bildern
Einzelnachweise
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