Westbulgarisches Reich![]() Als Westbulgarisches Reich wird in der Geschichtsschreibung gelegentlich der westliche Teil des Bulgarenreiches nach 969 bezeichnet, dessen östliche Hälfte in den Jahren von 969 bis 971 erst von den Russen und dann von den Byzantinern erobert wurde. Der westliche Teil blieb aber unbesetzt, und unter den Kometopouloi-Brüdern wurde er der Kern eines wiederbelebten Bulgarischen Reiches, dessen geographisches und politisches Zentrum sich aber nicht mehr in Niedermösien (im heutigen Nord-Bulgarien) befand, sondern fortan um Ohrid in Makedonien bestand. Deswegen haben manche Historiker wie Gyula Moravcsik diesen Staat als Mazedonisches bzw. Makedonisches Reich von seinem (ost-)bulgarischen Vorgänger differenziert, ein Begriff, der im sozialistischen Jugoslawien durch Georg Ostrogorsky verbreitet war und heute vor allem noch in der nordmazedonischen Schulbildung und Geschichtsschreibung, sowie Politik Verwendung findet. Darüber hinaus bezeichnete das Oxford Dictionary of Byzantium bereits 1991 die Diskussion ob Zar Samuil ein Mazedonisches, Westbulgarisches oder Bulgarisches Reich gegründet hat, als ahistorisch und wertete diese als Versuch zeitgenössische ethnische Unterschiede in der Vergangenheit zu projizieren.[1] 2022 legten bulgarischen und nordmazedonischen Historiker, als Teil einer gemeinsamen Geschichts- und Schulbuchkommission den Streit bei. Damit erkannte die nordmazedonische Seite an, dass die Mehrheit der internationalen, modernen Geschichtswissenschaft Samuil als einen bulgarischen Herrscher an der Spitze eines mittelalterlichen bulgarischen Staates auf dem Gebiet des heutigen Nordmazedonien ansieht. Weiter verpflichtete sich die nordmazedonische Seite diese Formulierung in den nordmazedonischen Geschichts-, und Schulbüchern auch umzusetzen.[2][3] Ebenso umstritten ist die Verwendung dieser Begriffe auch für das von dem Bulgaren Kuwer um 680 gegründete Khaganat von Bitola (ebenfalls in der Landschaft Makedonien liegend), welches sich zu Beginn des 8. Jahrhunderts mit dem bulgarischen Hauptreich seines Bruders Asparuch vereinigte. VorgeschichteDas bulgarische Reich des Zaren Peter I. wurde 968 vom russischen Großfürsten Swjatoslaw I. überfallen. Um seinen Staat gegen die Petschenegen zu verteidigen, unterbrach Swjatoslaw seinen Feldzug, kehrte aber im Frühling des nächsten Jahres (969) zurück und eroberte mehrere Städte im Osten des bulgarischen Reiches sowie dessen Hauptstadt Preslaw. Preslaw blieb allerdings nicht lange in russischen Händen. Dem byzantinischen Kaiser Johannes I. gelang es 971, diese unter Kontrolle zu bekommen und die Russen von der Balkanhalbinsel zu vertreiben. Die byzantinischen Expansionspläne wurden aber von Samuil – dem Sohn „eines bei den Bulgaren großmächtigen Komes“[4] – behindert. Er stand mehrere Jahrzehnte lang an der Spitze eines intakten bulgarischen Staates, dessen Hauptstadt in der Gegend um den Prespasee lag. Unklar und unter Historikern umstritten ist die Frage, wann dieses westbulgarische Reich entstanden ist. Haus Komitopuli![]() Der bulgarische Historiker Marin Drinow, der als Erster den Begriff Westbulgarisches Reich verwendete,[5][6] stellte Ende des 19. Jh. die Hypothese auf, dass es 963 zu einer Abspaltung eines Teiles des bulgarischen Reiches unter der Führung des Komes Schischman (angeblich Samuils Vater) gekommen sein sollte.[7] Nach der Entdeckung des Grabes von Samuils Vater wurde klar, dass er nicht Schischman, sondern Nikola hieß.[8] In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts folgte eine Revision der bis dahin herrschenden Auffassungen. Heutzutage werden drei Theorien diskutiert:
QuellenkritikEiner der Gründe für die Unklarheiten um die Entstehung des Westbulgarischen Reiches liegt in dem Mangel an historischen Quellen. Zwar berichten über die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Byzanz und den Bulgaren nach 976 mehrere Chronisten (wie der armenische Chronist Stephanos von Tharon, der arabische Chronist Yahya Ibn Sa'id al-Antaki, der byzantinische Chronist Leon Diakonos und andere).[9] Sie widmeten sich allerdings ausschließlich den Ereignissen ab 976. Über die Rolle der Komitopulen bis 976 ist die Chronik von Skylitzes-Kedrenos das einzige erhalten gebliebene historische Dokument.[10] In dieser Chronik werden die Komitopulen das erste Mal in einem Satz zwischen Ereignissen erwähnt, die man heutzutage mit 969 (und nicht mit 963) datiert, und das zweite Mal erst später im Text als Anführer einer gegen die byzantinische Herrschaft im Jahre 976 ausgebrochenen Rebellion. Unterschiedliche Meinungen werden unter den Historikern auch bei den Fragen vertreten, welche Rolle Roman, der jüngere Sohn von Peter I., spielte[11] und wann Samuil zum Zaren gekrönt wurde.[12] Manche meinen, dass Romanos die Festung Skopie, deren Stadtverwalter er war, im Jahre 1004 dem byzantinischen Kaiser übergeben haben sollte.[13] Nach einer anderen Auffassung wurde Romanos als legitimes Staatsoberhaupt anerkannt,[14] geriet aber 991 in byzantinischer Gefangenschaft.[12][15][16] Erst die Nachricht von seinem Tod veranlasste Samuil 997, sich zum Zaren krönen zu lassen.[16][17] EpilogDer Nachfolger Johannes’ I., Kaiser Basileios II. (976–1025), musste lange Zeit gegen mehrere Gegner kämpfen: gegen die Usurpatoren Bardas Skleros und Bardas Phokas der Jüngere, sowie in Syrien gegen die Fatimiden.[18] ![]() Erst 1001 eröffnete er eine Großoffensive auf dem Balkan und eroberte mehrere bulgarische Festungen (Berrhoia, Serbia, Bodena, Widin, Dyrrhachion). Die entscheidende Schlacht fand 1014 bei Kleidion statt. Die Bulgaren erlitten eine schwere Niederlage (s. Hauptartikel: Schlacht von Kleidion). Samuil starb noch im selben Jahr. Auf dem Thron folgten ihn zuerst sein Sohn Gawril Radomir und später sein Neffe Iwan Wladislaw, die sich noch vier Jahre lang gegen den byzantinischen Kaiser wehrten. Als aber 1018 Iwan Wladislaw bei einem Angriff auf Dyrrhachion ums Leben kam, brach der bulgarische Widerstand zusammen.[19] Einer der einflussreichsten bulgarischen Feldherren Nikoliza ergab sich in Skopie. Ein anderer – Krakra, dessen Festung (Pernik) trotz mehrerer byzantinischer Angriffe bis zuletzt uneingenommen blieb – stellte sich dem Kaiser Basileios II. in Serres, begleitet von 35 anderen Boljaren.[19] Die Frau von Iwan Wladislaw, Maria, ergab sich in Ochrid zusammen mit dreien ihrer Söhne, sechs Töchtern und einem außerehelichen Sohn von Samuil, sowie fünf Söhnen und zwei Töchtern von Gawril Radomir.[19] Die bulgarischen Adligen bekamen verschiedene Titel in der byzantinischen Hierarchie und wurden nach Kleinasien umgesiedelt. Die Tochter von Iwan Wladislaw, Ekaterina, wurde später zur Frau des byzantinischen Kaisers Isaak I. Liste der westbulgarischen Herrscher
Familienbeziehungen der Komitopuli-Brüder
Siehe auchLiteratur
Einzelnachweise
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