Walter Neumann entstammte einer deutschbaltischen Familie; sein Vater war Bankbeamter, die Mutter Sekretärin. Er besuchte die deutsche Grundschule in Riga. 1939 musste die Familie infolge des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrags aus Lettland aussiedeln und lebte ab 1940 im westpreußischenThorn, wo Walter Neumann das Gymnasium besuchte. Im Frühjahr 1944 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Er nahm als Soldat am Zweiten Weltkrieg teil und geriet 1945 in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er Ende 1945 nach Bielefeld entlassen wurde.
In Bielefeld war er zunächst Tiefbauarbeiter und dann bis 1947 als Dolmetscher für die britischen Besatzungsbehörden tätig. Von 1947 bis 1949 absolvierte er eine Maurerlehre und arbeitete anschließend in diesem Beruf. Von 1951 bis 1962 war er als Technischer Zeichner und Techniker bei den Bielefelder Stadtwerken angestellt; von 1962 bis 1989 war Neumann als Bibliothekar in der Stadtbibliothek Bielefeld tätig. Nachdem er 1969 die Ausbildung zum Diplom-Bibliothekar am Bibliothekar-Lehrinstitut des Landes Nordrhein-Westfalen in Köln erfolgreich absolviert hatte, betreute er bis 1989 als Lektor der Stadtbibliothek Bielefeld das Fachgebiet Literatur- und Sprachwissenschaft. Ab 1961 veröffentlichte Neumann eigene schriftstellerische Werke. Von 1964 bis 1981 leitete er die Bielefelder „Autorenlesungen im Bunker Ulmenwall“ und 1980 eine dreimonatige Internationale Arbeitszeit für Autoren. Von 1990 bis 2004 lebte er am Bodensee, wo er die Meersburger Autorenrunde gründete. Er lebte in Aystetten.
Walter Neumanns Werk besteht in erster Linie aus Lyrik, daneben war er aber auch als Verfasser von Erzählungen, Reiseberichten und Hörspielen sowie als Herausgeber literarischer Anthologien hervorgetreten. Er hat Beiträge in 133 deutschen und ausländischen Anthologien veröffentlicht sowie ca. 1.000 kultur- und literaturkritische Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften und im Rundfunk.
Biographie in Bilderschrift.Gedichte. Darmstadt 1969
Klares Wasser.Gedicht. Bielefeld 1970
Deutung eines Gedichts von Stéphane Mallarmé, Peter-Presse, Darmstadt, 1971
Grenzen.Gedichte. Dortmund 1972
Mots-clés.Gedichte. Paris 1973
Die deutsch-baltische Literatur.Essay. Dortmund 1974
Stadtplan.Erzählungen. Wuppertal 1974
Jenseits der Worte.Gedichte. München 1976
Lehrgedicht zur Geschichte.Gedichte. Frankfurt am Main 1977
Lektoratsarbeit an öffentlichen Großstadtbibliotheken, dargestellt am Beispiel der Stadtbibliothek Bielefeld.Essay. Bielefeld 1977
Konkrete und experimentelle Literatur.Essay. Bielefeld 1978
Überlegungen zum Abschluss der „Internationalen Arbeitszeit für Autoren“.Rückblick. Bielefeld 1981
Goethes Begriff der Weltliteratur in seiner politischen Bedeutung. Essay. Bielefeld 1982
Mitten im Frieden. Gedichte. Berlin 1984
Ein Tag in Riga. Gedichte. Riga 1994
Der Flug der Möwen. Gedichte. Eisingen 1996
Wintergespräch.Gedichte. Warszawa 1996
Helle Tage.Gedichte. Uhldingen 1997
Eine Handbreit über den Wogen. Erzählungen. Weissach i.T. 1999
Die Bewegung der Erde. Gedichte. Waldburg 2001
Botschaften der Liebe. Gedichte Warszawa 2001
Die Ankunft des Frühlings. Gedichte. München 2004
In den Gedächtnisfächern.Gedichte. München 2006
In Worten graben. Gedichte. Collection Montagnola Nr 1.ARS LITTERA. Norderstedt 2013
Außerdem Beiträge in 125 deutschen und 8 ausländischen Anthologien.
Herausgeberschaft
Nobelpreisträger für Literatur von 1945 bis 1962. Bibliografie. Bielefeld 1962
10 Jahre Autorenlesungen im Bunker Ulmenwall. Dokumentation. Bielefeld 1971
Im Bunker. 1. 100 X Literatur unter der Erde. Recklinghausen 1974. 2. 50 x Literatur unter der Erde. Anthologien. Duisburg 1979
Sie schreiben zwischen Paderborn und Münster. Bibliografie. Wuppertal 1977 (zusammen mit Hugo Ernst Käufer)
Bibliothek der Stadt – Bibliothek der Bürger. Dokumentation. Bielefeld 1980
Wir sind aus eurem Glück gestanzt. Anthologie. Bielefeld 1981
Grenzüberschreitungen oder Literatur und Wirklichkeit. Anthologie. Bremerhaven 1982
Landmarken, Seezeichen.Anthologie. Waldburg 2001 (zusammen mit Josef Hoben)
Übersetzungen
Jānis Rainis: Der Sonnenthron. Gedichte. Berlin 1990.
Rezeption
„Aufzeichnungen einer Generation, die durch Krieg, Geschichte, Anfechtung, Tod gegangen ist und das Private, das an persönlicher Erfahrung ist, umzusetzen verstehen ins Modellhafte“
– Karl Krolow, FAZ
„Walter Neumann drückt die notwendigen Zweifel an der Kommunikationskraft der Lyrik aus, die zum Ausgangspunkt für ein vielseitiges und spürbar von einer starken Persönlichkeit geprägtes Dichten wird.“
– Martin Kraft, Neue Zürcher Zeitung
„His Poems avoid dramatic gestures and are all the more convincing for that“
– Michael Hamburger, The Times Literary Supplement
„Neumanns Gedichte sind Herausforderungen an den Leser, in denen die wahrgenommene Gegenwart durchlässig wird“
– Dagmar Nick: Laudatio zum Eichendorffpreis
„In den Gedichten Walter Neumanns kommt die Menschenfreundlichkeit zur Sprache, und die Unfreundlichkeit der Verhältnisse wird nicht verschwiegen“
– Peter Maiwald, Radio Bremen
Literatur
Walter Neumann. In: Carola L. Gottzmann, Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. Band 3: N – Z. de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019338-1, S. 963 ff.