Von der Freiheit eines ChristenmenschenVon der Freiheit eines Christenmenschen (lateinischer Titel: De libertate christiana) ist der Titel einer Denkschrift Martin Luthers aus dem Jahr 1520. Das Werk zählt zu den sogenannten reformatorischen Hauptschriften Luthers und zu den bedeutendsten Publikationen der Reformationszeit. Die lateinische und deutsche Variante der Denkschrift unterscheiden sich der Länge und dem Inhalt nach. AnlassAnlass für die Schrift war die gegen Martin Luther gerichtete päpstliche Bannandrohungsbulle Exsurge Domine vom 15. Juni 1520.[1] Der frühere päpstliche Gesandte Karl von Miltitz aus Sachsen versuchte im Streit zwischen Luther und dem Papsttum zu vermitteln, indem er Luther zur Abfassung eines Versöhnungsbriefs an Papst Leo X. und einer kleinen, dem Papst gewidmeten Schrift aufforderte.[1] Die deutsche Variante der Schrift richtete Luther nach eigener Aussage an Hermann Mühlpfordt, den Stadtvogt von Zwickau in Sachsen, weil er von ihm gehört hatte und ihn kennenlernen wollte.[2] Ursache und ZielrichtungIm Mittelalter rebellierten zahlreiche Neuerer gegen eine moralisch verkommene Kirche. Sie wollten die fehlgelaufene Geschichte korrigieren (lateinisch corrigere), die Kirche der Frühzeit wiederherstellen (restituere), eine verkrustete Lehre erneuern (renovare) und die kirchlichen Ämter umgestalten (reformare).[3] Im Jahr 1520 war die Reformation schon einige Jahre im Gange. Martin Luthers Schrift Von der Freyheyt eyniß Christen menschen ist die Dritte seiner reformatorischen Hauptschriften. Der alte Begriff der „Gerechtigkeit Gottes“ war Martin Luther zutiefst verhasst. Seinem alten Gerechtigkeitsbegriff lag die Vorstellung der iustitia distributiva („verteilende Gerechtigkeit“) zugrunde. Nach dieser Gerechtigkeitskonzeption bekommt jeder das, was ihm zusteht (suum cuique – jedem das Seine). Es gab eine Fülle überlieferter Richtlinien, Bräuche und Vorschriften, die derart missverstanden wurden, dass ein Mensch in der Lage sei, durch die Erfüllung von Beichtauflagen sowie Frömmigkeitsübungen die Lebensantwort auf das Rechtfertigungswerk Christi geben zu können (Taten der Liebe, aber auch Reliquienverehrung, Ablasszahlungen oder Messen). Martin Luther glaubte dies nicht. Im Gegenteil – er selbst hatte bis zur Entdeckung der Gnade immer am Bewusstsein seiner Sündhaftigkeit und des drohenden Gerichts gelitten. Er kannte das schlechte Gewissen, das Scheitern an den Geboten und Angst vor Verdammnis.
– D. Martin Luther: Zum 9.:[4]
– D. Martin Luther: Zum 13.:[4] Im zweiten Absatz des Abschnitts „Rechtfertigung und Reformation“ im Artikel „Rechtfertigung (Theologie)“ ist dargelegt, wie Luther gründlich recherchiert hatte und sich auf Paulus und die Kirchenväter berief. Dazu kamen sein eigenes Erleben und seine Gewissensstärke, sodass er beim Reichstag zu Worms (1521), selbst wenn es seinen Tod hätte bedeuten können, nicht widerrief.
Auch mit seiner Schrift Von der Freyheyt eyniß Christen menschen appellierte er im Oktober 1520 an ein neues Konzil um die damalige Fachwelt der Theologen von der Gnade Gottes zu überzeugen (vgl. Heidelberger Disputation 1518). Martin Luther vertrat hier radikal die Auffassung aus der Bibel:
– Römerbrief 3,28 LUT
– D. Martin Luther: Zum 9.:[4] Von der Freyheyt eyniß Christen menschen markiert eine geistesgeschichtliche Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit. In den Thesen postulierte er die Summe der christlichen Freiheiten. Diese stehen nicht unabhängig nebeneinander, sondern stellen nach heutigem Verständnis eher eine Argumentationsreihenfolge dar. Der zentrale Gedanke besteht in einer Umkehrung der bis dahin geltenden Grundauffassung der Beziehung zwischen Religion und Freiheit. Luthers Text hatte – von ihm selbst ungewollt – bedeutenden Einfluss auf den Deutschen Bauernkrieg, da die aufständischen Bauern den Begriff Freiheit (von Luther in rein theologischem Sinn verwendet) auf ihre weltliche Lebenssituation bezogen und deshalb in den Zwölf Artikeln das Ende der Leibeigenschaft von ihren Grundherren forderten. Luther distanzierte sich 1525 mit seiner Schrift Wider die mörderischen Rotten der Bauern jedoch scharf von dieser Gewalt rechtfertigenden Lesart seines Textes. Mittelbar rechtfertigte er durch die Schrift von 1525 die Gewalt „von oben nach unten“, gegen die Bauern. Aus dem Inhalt dieser Luther-SchriftDie folgenden Zitate wurden dem Modernisierten Text der Luther-Schrift[4] entnommen. Die jeweiligen Abschnitte der Schrift sind folgendermaßen nummeriert: „Zum 1.:“ bis „Zum 30.:“. Die Evangelische Freiheit wird durch folgende Stellen der Luther-Schrift oft zitiert:
Der zentrale Bibeltext, auf den sich die gesamte Luther-Schrift stützt, ist:
– 1. Korintherbrief 9,19 LUT Der Text Luthers lehrt mit hochzählendem „Zum x.:“ den immer tiefer werdenden Christlichen Glauben, der am Schluss in eine wunderbare Freiheit mündet. Die obige – unvollständige – Tabelle zeigt ganz klar diese Weiterentwicklung und Zunahme des Glaubens.
AusgabenEs existieren folgende Erstdrucke des Traktats:
Die deutsche Fassung ist adressiert an Hermann Mühlpfordt, den Stadtvogt von Zwickau in Sachsen. Sie gliedert sich in dreißig Thesen. Die lateinische Fassung ist länger und nach Sinneinheiten gegliedert. Luther richtete sie an Papst Leo X. In der Forschung ist umstritten, welche Variante Luther zuerst schrieb. Nach Reinhold Rieger ist die lateinische Fassung als eine zweite, verbesserte Auflage der deutschen anzusehen.[8] Überlieferung2015 fand der amerikanische Forscher James Hirstein im Bestand der Bibliothek des Beatus Rhenanus in der Humanistenbibliothek in Schlettstadt ein Exemplar der Erstausgabe von 1520 mit Luthers eigenen handschriftlichen Anmerkungen und Änderungen für die zweite Auflage, welche 1521 in Basel erschienen war.[9] Literatur
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Einzelnachweise
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