Vollinvariante Untergruppen sind im mathematischen Teilgebiet der Gruppentheorie betrachtete Untergruppen mit einer Zusatzeigenschaft. Diese Zusatzeigenschaft besagt, dass die Untergruppe unter jedem Endomorphismus der Gruppe invariant ist.
Definition
Es sei
eine Gruppe. Eine Untergruppe
heißt vollinvariant, falls
für alle Endomorphismen
der Gruppe
.[1][2]
Beispiele
- Offenbar sind die triviale Untergruppe
und die Gruppe selbst stets vollinvariante Untergruppen. Sind dies die einzigen vollinvarianten Untergruppen, so nennt man die Gruppe vollinvariant-einfach.[3]
- Da homomorphe Bilder von Kommutatoren wieder Kommutatoren sind, ergeben die mit ihnen gebildeten Untergruppen bei der Definition auflösbarer oder nilpotenter Gruppen vollinvariante Gruppen:
und
für
, die sogenannte Reihe der abgeleiteten Untergruppen, sie besteht aus vollinvarianten Untergruppen.
und
für
, die sogenannte absteigende Zentralreihe, sie besteht aus vollinvarianten Untergruppen.[4]
- Bezeichnet
die von allen
-ten Potenzen erzeugte Untergruppe, so sind die
ebenfalls vollinvariant.
- Hat eine Gruppe zu einer Primzahl
genau eine
-Sylowgruppe, so ist diese vollinvariant.[5] In abelschen Gruppen ist das stets der Fall.
- Zentren von Gruppen sind im Allgemeinen nicht vollinvariant. So ist zum Beispiel das Zentrum von A4
ℤ2 nicht vollinvariant.[6]
Bemerkungen
Für Untergruppen einer Gruppe bestehen offenbar folgende Implikationen:[7]
- vollinvariant
charakteristisch
Normalteiler
Untergruppe
Die Umkehrungen gelten nicht. Beispielsweise sind Zentren von Gruppen stets charakteristisch, aber im Allgemeinen nicht vollinvariant, wie obigen Beispielen zu entnehmen ist.
Häufig betrachtet man in der Gruppentheorie Gruppen mit Operatorenbereich. Dabei handelt es sich um eine Menge
, so dass zu jedem
ein Endomorphismus
der Gruppe definiert ist. Beispielsweise kann man
-Moduln als abelsche Gruppen betrachten, so dass zu jedem Ringelement
der Endomorphismus
der Skalarmultiplikation mit
erklärt ist, in diesem Fall ist
. Oder man kann jede Gruppe
mit dem Operatorenbereich
ausstatten, wobei
für ein
die Konjugation mit
sei. Dann interessiert man sich für sogenannte
-Unterstrukturen, die diese Operatoren respektieren, das heißt unter den Endomorphismen des Operatorenbereichs invariant bleiben. Auch in diesem Kontext gelten etwa die Isomorphiesätze oder der Satz von Jordan-Hölder. Es ist klar, dass vollinvariante Untergruppen stets
-Unterstrukturen sind.
Die vollinvarianten Untergruppen einer Gruppe bilden einen abgeschlossenen Verband. Vollinvarianz ist zudem transitiv, das heißt, ist
eine vollinvariante Untergruppe von
und
vollinvariante Untergruppe in
, so ist
auch vollinvariant in
.[8]
Einzelnachweise
- ↑ Wilhelm Specht: Gruppentheorie. Springer-Verlag (1956), Kapitel 1.3.4: Chakateristische und vollinvariante Untergruppen, Definition 7.
- ↑ D.J.S. Robinson: A Course in the Theory of Groups. Springer-Verlag, 1996, ISBN 978-1-4612-6443-9, Kapitel 1.5: Characteristic and Fully-Invariant Subgroups.
- ↑ Wilhelm Specht: Gruppentheorie. Springer-Verlag (1956), Kapitel 1.3.4. nach Definition 7.
- ↑ D.J.S. Robinson: A Course in the Theory of Groups. Springer-Verlag, 1996, ISBN 978-1-4612-6443-9, Kapitel 5.1: The Lower and Upper Central Series.
- ↑ Thomas W. Hungerford: Algebra. Springer Verlag, 2003, ISBN 0-387-90518-9, Lemma 7.13 (ii)
- ↑ D. J. S. Robinson: A Course in the Theory of Groups. Springer-Verlag, 1996, ISBN 978-1-4612-6443-9, Aufgabe 1.5.9.
- ↑ Thomas W. Hungerford: Algebra. Springer Verlag, 2003, ISBN 0-387-90518-9, S. 103.
- ↑ Wilhelm Specht: Gruppentheorie. Springer-Verlag, 1956, Kapitel 1.3.4: Satz 27 und 27*