Die Klingel-Gruppe (kurz Klingel, Firma zuletzt K – Mail Order GmbH & Co. KG) war ein großer Multichannel-Distanzhändler. Das Unternehmen wurde 1923 gegründet und hatte seinen Hauptsitz in Pforzheim. Im Jahr 2023 meldete die GruppeInsolvenz an. Die Marken wurden verkauft und das Unternehmen aufgelöst. Bis August 2023 wurden knapp 2000 Mitarbeiter beschäftigt, womit die Klingel-Gruppe eine der größten privaten Arbeitgeber der Stadt war. Darüber hinaus betrieb sie Niederlassungen im europäischen Ausland.
Die Familie Kohm gründete das Unternehmen 1923 unter dem Namen Robert Klingel GmbH + Co. KG in Pforzheim. Erste Unternehmensaktivitäten gab es aber bereits im Jahr 1920. Der Firmenname geht auf den Unternehmensgründer Robert Klingel zurück. Das Warenangebot umfasste zunächst höherwertige Textilien und vor allem Stoffe.[3] Nach dem Luftangriff auf Pforzheim im Zweiten Weltkrieg wurde im Jahr 1953 die Sachsenstraße 23 in der Pforzheimer NordstadtUnternehmenssitz.[4] Bis Ende Januar 2024 befand sich hier die kaufmännische Verwaltung.
In Händen der Familie Kohm blieb die Firma weiterhin. Nach Willy Kohm wurde 1975 sein Sohn, der diplomierte Betriebswirt Joachim Kohm, geschäftsführender Gesellschafter der Robert Klingel GmbH + Co. KG. Dessen Bruder Andreas tat es ihm 1978 nach. Willy Kohm verlegte einen wesentlichen Teil der Unternehmensführung in die Schweiz nach Horn (Kanton Thurgau). Dort firmierte die K – Mail Order Verwaltungs GmbH (zuvor entsprechend Robert Klingel Verwaltungs GmbH) als persönlich haftende Gesellschafterin der deutschen K – Mail Order GmbH & Co. KG.[5]
Im Mai 2023 beantragte die Unternehmensgruppe Insolvenz in Eigenverwaltung.[6] Ende August 2023 wurde bekannt, dass Klingel zum 31. Januar 2024 nach Abwicklung des Weihnachtsgeschäftes geschlossen wird. Allein in Pforzheim gingen 1.300 Arbeitsplätze verloren, nachdem bereits 300 Mitarbeiter von sich aus gekündigt haben.[7] Nach Bekanntgabe der endgültigen Insolvenz, werden seit August 2023 Verhandlungen mit möglichen Investoren geführt, die einzelne Tochterunternehmen und Marken der Klingel-Gruppe übernehmen könnten, da eine Lösung für die Fortführung des Unternehmens als Ganzes nicht gefunden wurde.[8] Die Markenrechte an Klingel selbst sicherte sich Ende 2023 das Unternehmen Bader Versand.[9]
Das Sortiment der Klingel-Gruppe setzte sich zusammen aus Damen- und Herrenmode, Schuhen, Schmuck und Uhren, Heimtextilien, Accessoires, Haushalts- und Gartenartikeln, Elektrogeräten, Möbeln sowie Geschenkartikeln. Die Sortimentsausrichtung des Unternehmens lag dabei primär auf der Zielgruppe 50+.
Das Sortiment wurde sowohl online als auch über den klassischen Katalog angeboten. Viermal jährlich wurde der Klingel-Hauptkatalog verschickt, zusätzlich gab es in jeder Saison diverse Zwischen- und Spezialkataloge mit unterschiedlichen Sortiments- und Zielgruppenschwerpunkten.
Im In- und Ausland existierten zahlreiche Versandhandelstöchter, z. B.:
Alba Moda (Damenmode, mit Wirkung zum 1. Februar 2024 an die Goldner-Fashion-Gruppe veräußert)[11]
Amara (Schmuck – Schweiz)
Babista (Herrenmode – Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande, Belgien, verkauft an Vanderstorm Ventures von Tobias Kohm mit Wirkung zum 1. November 2023)[12][13]
Beyeler (Damenmode in Sondergrößen, Schuhe – Schweiz)
Casserole (Lebensmittel, Essen und Kochen, Elektrokleingeräte, Wohnen – Deutschland, Österreich)
Cornelia (wie Klingel – Schweiz)
Diemer (Schmuck – Deutschland, Österreich, Verkauf der Marke an die Göde-Gruppe zum 1. Februar 2024)[14]
Happy Size Versand GmbH & Co. KG (Damenmode, Herrenmode – Deutschland, Verkauf der Marke mit Wirkung zum 1. Januar 2024 an Popken Fashion Group)[15]
Jan Vanderstorm (Herrenmode – Deutschland / war bis 2016 eine Marke der Klingelgruppe)
Meyer Mode (Damenmode in Sondergrößen, Schuhe – Deutschland, Österreich, Niederlande)
Mona (Damenmode, Schuhe – Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweden; die Marke wurde mit Wirkung zum 15. Januar 2024 an den Bader Versand verkauft)[16]
Vamos (Schuhe – Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande; Verkauf der Marke an Weltbild mit Wirkung zum 31. Januar 2024)[17]
Veillon (Mode und Schmuck, Wohnen – Schweiz)
Wellsana (Gesundheit und Wellness – Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande)
Im Produktangebot fanden sich zahlreiche Eigenmarken, welche die Klingel-Gruppe nicht zuletzt 2010 aus dem Bestand des insolvent gegangenen Versandhändlers Quelle übernommen hat, darunter z. B. die bekannte Uhrenmarke „MeisterAnker“. 2016 wurde die Modemarke Alba Moda vom Hamburger Otto-Konzern übernommen, umstrukturiert und in die Klingel-Gruppe integriert.
2020 hatte sich das Unternehmen entschlossen, auf Echtpelzprodukte zu verzichten und dem Fur Free Retailer Program (FFRP) beizutreten.[18]
Standorte
Weitere Standorte in Pforzheim waren ein großes Distributionszentrum im Industriegebiet Altgefäll sowie die Kundenbetreuung in der Dennigstraße. Am Standort Altgefäll wurde 2016 ein neues vollautomatisiertes Warenlogistik-Zentrum (Bagstore) in Betrieb genommen.
Zudem betrieb Klingel in Pforzheim auf der Wilferdinger Höhe eine Einzelhandelsniederlassung.
Adresshandel/Listbroking
Ende Juli 2012 wurde bekanntgegeben, dass Klingel die Vermarktung (Listbroking) seiner Kundenadressen an andere Unternehmen exklusiv über ein Tochterunternehmen der Bertelsmann AG, die Firma AZ Direkt GmbH, abwickelt.[19] Auf Basis des Listenprivilegs war das ohne Zustimmung der Kunden möglich.