Der Gedenktag erinnert an die 1915 durch das Deportationsgesetz festgenommenen armenischen Eliteangehörigen in der osmanischen Hauptstadt Istanbul, von denen die meisten gefoltert oder hingerichtet wurden. Jährlich wird am 24. April mit Totenmessen und Gedenkveranstaltungen an Opfer des Völkermordes an christlichen Armeniern von 1915 bis 1923 erinnert. In Jerewan, der Hauptstadt Armeniens, pilgern jährlich Hunderttausende zu Fuß zum Völkermordmahnmal Zizernakaberd, um Blumen an die ewige Flamme zu legen. Die armenisch-apostolische Kirche führt an diesem Tag keine Taufe und Eheschließung durch.
Das Datum wurde erstmals von den libanesischen Armeniern als Erinnerungstag für den 50. Jahrestag des Völkermordes 1965 bestimmt.[5] Der gleiche Tag erlebte damals illegale Demonstrationen von Armeniern in Jerewan, der Hauptstadt des sowjetischen Armenien. Da die Armenierproteste außer Kontrolle gerieten und Ruhe nur unter Schwierigkeiten wiederhergestellt wurde, erlaubte die sowjetische Führung die Errichtung des Völkermorddenkmals Zizernakaberd bis 1967.[6]
Am 9. April 1975 verabschiedete das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten die Joint-Resolution 148, die den 24. April zum Nationalen Tag des Gedenkens der Unmenschlichkeit von Mensch zu Mensch designierte und der Opfer von Völkermorden, vor allem jener armenischer Abstammung, die dem 1915 begangenen Völkermord erlagen, gedachte. Die Resolution scheiterte am Justizausschuss des Senats aufgrund der Ablehnung von PräsidentGerald Ford, der dies als Bedrohung für die Allianz der USA mit der Türkei sah.[7] Am 24. April 2021 sprach sein Amtsnachfolger Joe Biden in diesem Bezug erstmals von Völkermord.[8]
Die Bekanntheit jenes Tages nahm in der armenischen Diaspora als Ergebnis von Racheoperationen armenischer Gruppen wie der Asala zu. Die Teilnehmerzahl an Völkermordtags-Demonstrationen stieg allein in Frankreich von einigen Hundert auf über 10.000 im Jahre 1981 an.[7] 1988 nahm Sowjet-Armenien den 24. April formell als öffentlichen Gedenktag an.[9] Im Jahre 1997 erklärte die Kalifornische Staatsversammlung den 24. April zum Tag der Erinnerung an den Armenier-Völkermord 1915–1923, und an die Opfer des Sumgait-Pogroms von 1988 sowie der Baku-Unruhen von 1990.[10]
In der Türkei, die eine Anerkennung der Gräueltaten gegen Armenier als Völkermord vehement ablehnt, wurde am 24. April 2015 mit einem großen Staatsakt dagegen der Schlacht von Gallipoli gedacht; tatsächlich begann der Großangriff der Alliierten jedoch erst am 25. April 1915.[17][18]
Der Deutsche Bundestag debattierte anlässlich des 100. Jahrestages am 24. April 2015.[20]BundestagspräsidentNorbert Lammert sagte: „Das, was mitten im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich stattgefunden hat, unter den Augen der Weltöffentlichkeit, war ein Völkermord.“[21] Die Koalitionsfraktionen – Union und SPD – hatten den Begriff „Völkermord“ erst wenige Tage zuvor in ihre jeweiligen Anträge aufgenommen und damit eine lange Phase beendet, in der Bundesregierungen den Begriff „Völkermord“ für die damaligen Geschehnisse vermieden hatten.[22][23][24]
US-Präsident Barack Obama entsandte aus Anlass des 100. Jahrestages eine fünfköpfige Delegation nach Armenien.[25]Susan E. Rice, Obamas Nationale Sicherheitsberaterin, ermutigte den türkischen AußenministerMevlüt Çavuşoğlu, die türkisch-armenischen Beziehungen zu verbessern und in der Türkei einen offenen Dialog über die „Gräueltaten von 1915“ (atrocities of 1915) zu erleichtern.[26] Obama hielt eine Rede.[27] Wie schon in den Jahren zuvor[28] vermied er den Begriff „Genozid“ (genocide) und sprach von „Massaker“ (massacre), einem „schrecklichen Blutbad“ (terrible carnage), einer „entsetzlichen Gewalt“ (horrific violence) und einem „dunklen Kapitel der Geschichte“ (dark chapter of history).[29][30][31]
Donald Bloxham: The Great Game of Genocide. Imperialism, Nationalism, and the Destruction of the Ottoman Armenians. Oxford University Press, Oxford u. a. 2005, ISBN 0-19-927356-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).