TáncházEin Táncház [Tanzhaus. Damit bezeichnet man nicht den Ort, sondern die Feierlichkeit an sich. ] ist ein ungarischesTáncház oder ungarisches TanzhausIn einem ungarischen „Tánc-ház“ oder „Tanz-Haus“ treffen sich seit Jahrhunderten junge und alte Menschen, um gemeinsam zu tanzen, zu musizieren und ihre bäuerliche Tradition zu pflegen. Das Tanzhaus ist ein wichtiger Teil des ungarischen Volksbrauchs, die Musik und die Tänze sind eng verknüpft mit den für den bäuerlichen Menschen bedeutsamen Lebensereignissen wie Hochzeit, Geburt, Weinlese, Einberufung zum Militär usw. Junge Burschen mieten eine geeignete Scheune oder ein Haus und engagieren eine Musikgruppe aus der Umgebung. Ursprünglich wurden die Tänze in einer durch die Tradition des entsprechenden Dorfes vorgegebenen Reihenfolge gespielt und getanzt. Jede Gegend, teilweise sogar jedes Dorf (z. B. Szék) hatte seine eigene charakteristische Musik (z. B. Széki), seine eigenen charakteristischen Tänze, und teilweise auch seine charakteristischen Instrumente (z. B. Székibass). Nach der „Tanzhausbewegung“ in die Städte hinein wurden in den städtischen Tanzhäusern viele Tänze verschiedensten Ursprungs gespielt und getanzt. Dies erforderte, dass vor Beginn des freien Tanzens stets durch ein tanzerfahrenes Paar Tanzunterricht gegeben wurde, die sogenannte Táncház-Methode. Beim Tanzunterricht wird steter Tanzpartnerwechsel gefordert. Heute wird das städtische Tanzhaus als sozialer Treffpunkt, Freizeitspaß, Fitnessprogramm oder als Kult angesehen. Die ungarische TanzhausbewegungSeit Anfang der 1970er Jahre gab es Musiker und Tänzer, die sich wie Béla Bartók[1] etliche Jahre zuvor für diese individuelle Musik und diese Tanzvielfalt interessierten. Führende Köpfe waren unter anderen Ferenc Sebö und Béla Halmos. Insbesondere in der Zeit der Unterdrückung durch ein kommunistisches Regime war das Interesse an den Ursprüngen der ungarischen Kultur recht groß. Daraus wurde schnell eine wahre Tanzhaus-Bewegung im ganzen Land und später durch das Wirken von Exilungarn und Musikinteressierten weit darüber hinaus. International bekannt wurde die ungarische Tanzhaus-Musikgruppe Muzsikás und ihre Sängerin Márta Sebestyén mit Auftritten in der berühmten Carnegie-Hall. Márta Sebestyén ist die Sängerin des Titelliedes des Films Der englische Patient, eines ungarischen Volksliedes. In Budapest finden allabendlich viele Tanzhäuser[2] und Folkkneipen[3] statt. Im Sommer finden jährlich 80 bis 100 Musik- und Tanz-Camps[4] z. B. Métatabor[5] statt. Einmal jährlich findet in Budapest im Rahmen des Budapester Frühlingsfestivals in der Sportarena ein Treffen aller Tanzhausmusik- und Tanzhaustanzgruppen, das Tanzhaustreffen „Országos Táncháztalálkozó és Kirakodóvásár“[6] statt. Es zieht jährlich über 10.000 Tänzer und Musiker (Stand 2012) an. Auf dem Festivalgelände spielen auf den verschiedenen Bühnen, in den Räumen und Gängen und dem Folkkneipenbereich[7] bis zu 50 Volksmusikgruppen unabhängig voneinander gleichzeitig. In der Hauptarena tanzen bis zu 1000 Tänzerinnen und Tänzer gleichzeitig.[8] Tanzhauskultur in DeutschlandDas erste regelmäßige ungarische Tanzhaus in Westeuropa wurde 1977 durch die ungarische Musik- und Tanzgruppe CINEGE[9] in Köln eingeführt. Das Ensemble wurde von ungarischen Emigranten gegründet. CINEGE nahm als einzige Gruppe aus Deutschland am ersten großen Tanzhaustreffen „Táncháztalálkozó“ 1982[10] in Budapest teil[11]. Mittlerweile gibt es ungarische Tänzhäuser oder Folkkneipen in allen größeren deutschen Städten. Im Jahre 1984, zwei Jahre nach dem ersten „Táncháztalálkozó“ in Budapest, zu Zeiten des Eisernen Vorhangs, hat Ludger „Lui“ Henrichs, in Zusammenarbeit mit den Kultur- und Tourismusämtern der Städte Köln und Bonn, dem WDR und anderer Sponsoren das erste Ungarische Tanzhaustreffen[12] „Táncháztalálkozó“[13] in Westeuropa in Köln und Bonn[14] organisiert. Es trafen sich Musiker und Tänzer aus Ungarn, Rumänien, Österreich, Schweiz und Deutschland, darunter bekannte Größen wie Zoltán Zsuráfszky „Zsura“, László Porteleki „Poros“[15], Zoltan Farkas „Batyu“, Pál Havasreti[16], Gerzson Peter Kovacs „Boka“ und Ferenc Biro. Diese Veranstaltung wurde vom WDR[17] 1985 ausgestrahlt, moderiert von Herbert Schneider „Kaktusz“, Primas der Gruppe CINEGE. In den heutigen ungarischen Tanzhäusern in München,[18] Stuttgart,[19] Köln,[20] Ulm, Nürnberg,[21] Mainz, Frankfurt,[22] Berlin,[23] usw. wird traditionelles ungarisches Volksliedgut live gespielt, aus Ungarn und Siebenbürgen: Mezöség, Szék, Szatmár, Dunántul, Kalotaszeg, Vajdaszentivány, Szászcsávás usw. Dazu wird nach Anleitung eines erfahrenen Tanzpaares getanzt und gesungen. Man muss nicht perfekt tanzen und musizieren können, wenn man mitmachen möchte. Die Tanzhäuser bieten mit dieser Praktizierung und Weitergabe der Tänze und der Musik eine unterhaltsame wie auch lehrreiche Freizeitbeschäftigung, die zudem den Gemeinsinn stärkt, was im Jahre 2011 zur Anerkennung der Tanzhausmethode als Beispiel Guter Praxis der Erhaltung immateriellen Kulturerbes durch die UNESCO führte. Táncház-Methode
Die Táncház- oder Tanzhaus-Methode ist ein ungarisches Modell zur Überlieferung von immateriellem Kulturerbe, das 2011 in das UNESCO-Register guter Praxisbeispiele aufgenommen wurde. Die Táncház-Methode zeigt beispielhaft, wie lebendige kulturelle Ausdrucksformen in einem losen Netzwerk vermittelt werden können. Die Táncház-Methode steht für die aktive Überlieferung bäuerlicher Volkstänze aus dem östlichen Ungarn und Transsylvanien mitsamt der zugehörigen Musik. Táncház bietet in ganz Ungarn jedem und jeder, unabhängig von Alter, Vorerfahrungen oder Können, die Möglichkeit, traditionelle Tänze und Musik in einem ungezwungenen Umfeld zu erlernen und aktiv zu praktizieren. Im Unterricht der Tanzschulen, aber auch Kunst- und Volkshochschulen und allgemeinbildenden Schulen, werden traditionelle Lernmethoden (Lernen durch Nachahmung) mit moderner Pädagogik (Lernen durch die Analyse von bestimmten Schritten und Bewegungen) gemischt.[24] Folkkocsma oder ungarische FolkkneipeEine Folk-kocsma oder ungarische Folk-Kneipe ist ein Táncház, in dem weniger der Tanz als die Musik im Vordergrund steht. Es gibt hierbei kein Vortänzerpaar und keine Tanzanleitung. Wie beim Táncház-Tanzhaus versteht man unter der Folkkocsma-Folkkneipe nicht die Örtlichkeit, sondern die Veranstaltung an sich. In den ungarischen Folkkneipen, auch in München,[25] Stuttgart, Ulm, Mainz,[26] Frankfurt, Berlin usw. wird angepasst an die Wünsche der Anwesenden traditionelles ungarisches Volksliedgut live[3] gespielt und gesungen. Dazu kann getanzt werden. Musikalische Anfänger spielen traditionsgemäß unter der Anleitung der Fortgeschrittenen im Hintergrund mit, häufig auch ohne Notenkenntnisse. Typischer Ablauf eines TáncházEin Táncház hat einen typischen Ablauf. Die Zeiten sind variabel. Beispiel[27][28]: 18:00 – 19:00 Uhr Gyerektáncház (Kindertanzhaus) mit Musik, auch Kindermusikern Kindertänze, Reigen, Lieder, Brauchtumsspiele unter Anleitung 19:00 – 21:00 Uhr Tanzanleitung mit Musik (Táncház-Methode) Das Tanzhaus leitende Paar lehrt den Tanzstil und die Tanzordnung aus einem ausgewählten Dorf (z. B. „Magyarpalatka“) oder einer Gegend (z. B. „Dunantuli“) Ungarns oder Siebenbürgens. In der Regel werden Männer und Frauen zu Anfangs getrennt voneinander unterrichtet. 21:00 – 24:00 Uhr Freier Tanz Es werden, durch Pausen unterbrochen, nach beliebiger Entscheidung der Tanzleiter mehrere Tanzordnungen gespielt. Die meisten Tanzordnungen im Tanzhaus enthalten die Elemente Langsamer Csárdás (Csárda=Gaststätte; Csárdás=Tanz in der Gaststätte), Schnellerer Csárdás und Burschentanz, daneben werden unter anderen auch Kreistänze, Anwerbungstänze und Vierertänze aufgespielt. 24:00 – 02:00 Uhr Folkkocsma-Folkkneipe Es wird weniger getanzt als musiziert, gesungen und getrunken (Kocsma=Kneipe). Besonderheiten: Sind im Tanzhaus mehrere Musikgruppen anwesend, spielt eine Gruppe für die Tanzenden auf der zentralen Tanzfläche auf, die anderen Musiker beginnen parallel an einem etwas abgelegen separaten Ort, oft in der Nähe der Getränkeausgabe schon wesentlich früher mit der folkkocsma. Ursprünglich durch Exilungarn ins Leben gerufen, sind die sogenannten Ungarischen Bälle „Magyar Bál“[29] in einigen Ballungszentren in Europa zu finden. Im Rahmen dieser Bälle finden feierliche Tanzhäuser statt, zu denen die Besucher sich in typische Trachten kleiden. Verzeichnis der Táncház-Tänze und TanzordnungenDie ursprünglichen Tanzordnungen jeder Gegend, manchmal jedes Dorfes unterscheiden sich mehr oder weniger voneinander. In den heutigen Tanzhäusern werden je nach „aktueller Mode“ die unten aufgeführten Tanzordnungen gespielt. Beispiele jeder Tanzordnung finden sich in der umfangreichen Film-Sammlung[3] (2000 Tänze im Jahr 2013) des Tanzhausdokumentators Lajos Zagyi aus Budapest, dort findet sich ebenfalls eine Sammlung der táncház-Musikgruppen und táncház-Musikern.
Im Táncház-Tanzhaus verwendete MusikinstrumenteTanzordnungen haben ihre spezifischen Musikinstrumente. Ihre Spielweise und die Kombinationen sind oft charakteristisch für eine Gegend. In den heutigen Tanzhäusern in den Städten wird dies weniger berücksichtigt.
Weblinks
Einzelnachweise
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