Streptomyces

Streptomyces

Streptomyces sp.

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Actinobacteria
Ordnung: Actinomycetales
Unterordnung: Streptomycineae
Familie: Streptomycetaceae
Gattung: Streptomyces
Wissenschaftlicher Name
Streptomyces
Waksman & Henrici 1943
Arten

Streptomyces ist eine sehr artenreiche Gattung von Actinobacteria. Die Arten dieser Gattung sind grampositiv, aerob, Myzel-bildend, mehrzellig, bilden Sporen und haben einen hohen GC-Gehalt. Sie kommen hauptsächlich in Böden vor, dort bilden sie Duftstoffe, insbesondere Geosmin, mit dem charakteristischen Geruch der Walderde. Zahlreiche Streptomyces-Arten produzieren Antibiotika, die in der Human- und Tiermedizin eingesetzt werden.

Merkmale

Erscheinungsbild

Bei den Vertretern der Gattung Streptomyces handelt es sich um grampositive Bakterien. Wie bei vielen Vertretern der Ordnung Actinomycetales bildet auch Streptomyces Zellen in Form von Filamenten aus. Diese lang gestreckten und verzweigten Zellen bilden Geflechte, die auch als Myzel bezeichnet werden. Die Filamente haben einen Durchmesser von 0,5 bis 1,0 µm und in der Wachstumsphase oft keine Querwände.[1]

Ähnlich wie bei den Pilzen kann man auch beim Wachstum von Streptomyces zwischen zwei Typen unterscheiden: Das Substratmyzel, das sich im flüssigen oder festen Nährmedium ausbreitet und das in den Gasraum darüber hineinwachsende Luftmyzel. An den Enden der Filamente des Luftmyzels werden bei älteren Kulturen wieder Querwände in den Zellwänden ausgebildet, so dass durch Segmentierung Ketten von mehreren, meist kugelförmigen Sporen gebildet werden. Diese, als bakterielle Exosporen anzusehenden Sporen unterscheiden sich somit grundlegend von den Endosporen, die z. B. von den Bakteriengattungen Clostridium und Bacillus gebildet werden.[1]

Chemotaxonomische Merkmale

Als Vertreter der Actinomycetales in der Abteilung Actinobacteria gehört Streptomyces zu den Bakterien mit hohem GC-Gehalt, also einem hohen Anteil der Nukleinbasen Guanin und Cytosin in der Bakterien-DNA. Genetische Untersuchungen haben einen GC-Gehalt von 69 bis 75 Mol-Prozent ergeben.[1]

Hyphen eines Streptomyces-Stammes, der eine rote, zytotoxische Verbindung synthetisiert

Das komplette Genom von Streptomyces coelicolor wurde sequenziert und 2002 veröffentlicht.[2] Auch das Genom von Streptomyces avermitilis wurde inzwischen sequenziert. Es beinhaltet die meisten Gene aller bisher untersuchten Bakterien. Ein anderes, für Prokaryoten seltenes Merkmal ist, dass das Chromosom linear anstatt zirkulär ist.[3] Das Genom der bisher untersuchten Arten ist für Bakterien außergewöhnlich groß, so liegt die Genomgröße des Bakterienchromosoms bei Streptomyces coelicolor bei 8668 Kilobasenpaaren (kb),[2] das ist beinahe das Doppelte der Genomgröße von Escherichia coli (4600 kb).

Wachstum und Stoffwechsel

Die Vertreter der Gattung Streptomyces sind aerob, benötigen also Sauerstoff für ihr Wachstum. Des Weiteren zeichnen sie sich durch einen ausgeprägten sekundären Stoffwechsel aus. Sie produzieren eine große Anzahl von Antibiotika, die in der Medizin verwendet werden. Das heute selten genutzte Antibiotikum Streptomycin ist nach der Gattung Streptomyces benannt.[1]

Vorkommen und Bedeutung

Streptomyces kommt hauptsächlich in Böden vor. Viele Arten bilden Duftstoffe, insbesondere Geosmin, mit dem charakteristischen Geruch der Walderde.[1]

Für die Human- und Tiermedizin bedeutsam sind die vielen Streptomyces-Arten, die Antibiotika herstellen. Daneben produziert Streptomyces avidinii das Biotin-bindende Protein Streptavidin.[4] Aus Streptomyces venezuelae wurden ähnliche Verbindungen isoliert, die als Streptavidin v1 und v2 bezeichnet werden. Im Vergleich zur Aminosäuresequenz des Proteins Streptavidin sind eine bzw. neun Aminosäuren verändert.[4] Als Nebenprodukt der Streptomycin-Gewinnung aus Streptomyces griseus können Cobalamine gewonnen werden.[5]

Durch Streptomyces scabiei verursachter Kartoffelschorf

Streptomyces tritt selten als Krankheitserreger auf, beim Menschen sind Streptomyces somaliensis und „Streptomyces sudanensis“ relevant.[6] Bei Pflanzen verursachen Streptomyces caviscabies und Streptomyces scabiei (zuvor fälschlicherweise als Streptomyces scabies bezeichnet)[7] den Kartoffelschorf.[8] Die Systematik mancher dieser Arten ist umstritten.

Systematik

Die Gattung Streptomyces ist sehr artenreich. Zurzeit (Stand 2013) sind mehr als 600 Arten und Unterarten (Subspezies) bekannt.[9] In der für die Systematik der Bakterien als Referenz geführten Bakteriendatenbank sind die Arten über drei Dateien aufgeteilt.[10][11][7] Streptomyces albus ist die Typusart der Gattung.[10]

Antibiotikaproduzenten

Hier einige Beispiele für Arten, die als Antibiotikaproduzenten von Bedeutung sind:

Veränderte Systematik

Die Abgrenzung der zahlreichen Streptomyces-Arten zueinander ist durchaus umstritten. So ergaben Untersuchungen von 2005, dass die am Kartoffelschorf beteiligte Art Streptomyces caviscabies Goyer et al. 1996 mit der bereits bekannten Art Streptomyces griseus (Krainsky 1914) Waksman & Henrici 1948 übereinstimmt und folglich umbenannt werden muss. Dies wurde 2008 durch Untersuchungen von Guo et al. widerlegt. Untersuchungen von 2010 ergaben, dass sie stattdessen mit der bereits bekannten Art Streptomyces fimicarius (Duché 1934) Waksman & Henrici 1948 identisch ist.[10] Diese Art wurde dann 2012 von Kim et al. als Synonym von Streptomyces setonii identifiziert,[7] so dass es sich nun nach aktueller Systematik um Streptomyces setonii (Millard & Burr 1926) Waksman 1953 emend. Kim et al. 2012 handelt.[9]

Durch molekularbiologische Untersuchungen wird überprüft, ob die Vielzahl der Arten Bestand hat, oder ob nicht einzelne Arten so nahe miteinander verwandt sind, dass sie zu einer Art – gegebenenfalls mit Unterarten – zusammengefasst werden sollten. Die dabei in einer Untersuchung von 2010 verwendeten Methoden umfassen die DNA–DNA-Hybridisierung und die Multi-Locus Sequenzanalyse (MLSA). Die Hybridisierungstechnik dient zum Nachweis der strukturellen Verwandtschaft von Nukleinsäuren und somit zur Aufklärung der phylogenetischen Verwandtschaft. Bei der MLSA beschränkt sich die Untersuchung auf bestimmte Gene, die besonders typisch für eine Art oder Gattung sind. Die Sequenzanalyse von 2010 beschränkte sich auf den Nachweis von fünf Haushaltsgenen (englisch housekeeping genes, nicht-regulierte Gene, welche unabhängig von Zelltyp, Zellstadium und äußeren Einflüssen exprimiert werden). Als Ergebnis der Untersuchung wurde vorgeschlagen, die der Untersuchung zugrundeliegenden 29 Arten und drei Unterarten zu lediglich elf Arten zu kombinieren.[19]

Die humanmedizinisch bedeutsame Art „Streptomyces sudanensis“ ist nach den Regeln des internationalen Code der Nomenklatur von Bakterien (ICNB) noch nicht gültig publiziert und wird daher in Anführungszeichen gesetzt. Die untersuchten Bakterienstämme sind eng mit Streptomyces somaliensis verwandt.[6]

Siehe auch

Commons: Streptomyces – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m Michael T. Madigan, John M. Martinko, Jack Parker: Brock Mikrobiologie. Deutsche Übersetzung herausgegeben von Werner Goebel, 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg/Berlin 2000, ISBN 978-3-8274-0566-1, S. 440–441, 577–582.
  2. a b S. D. Bentley, K. F. Chater u. a.: Complete genome sequence of the model actinomycete Streptomyces coelicolor A3(2). In: Nature. Band 417, Nr. 6885, Mai 2002, S. 141–147, ISSN 0028-0836. doi:10.1038/417141a. PMID 12000953.
  3. J. Altenbuchner, M. Redenbach: Warum haben einige Bakterien lineare Chromosomen und Plasmide? (Memento des Originals vom 17. April 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/biospektrum.de (PDF) BIOspektrum 2/2002, S. 158–163.
  4. a b E. A. Bayer, T. Kulik, R. Adar, M. Wilchek: Close similarity among streptavidin-like, biotin-binding proteins from Streptomyces. In: Biochimica et Biophysica Acta. Band 1263, Nr. 1, Juli 1995, S. 60–66, ISSN 0006-3002. PMID 7632734.
  5. H. Hager, F. v. Bruchhausen, R. Batty, G. Wurm: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis. 5. Auflage, Folgeband 1 Waren und Dienste, Springer, 1995, ISBN 978-3-540-58958-7, S. 37.
  6. a b E. T. Quintana, K. Wierzbicka u. a.: Streptomyces sudanensis sp. nov., a new pathogen isolated from patients with actinomycetoma In: Antonie van Leeuwenhoek. Band 93, Nummer 3, März 2008, S. 305–313, ISSN 0003-6072. doi:10.1007/s10482-007-9205-z
  7. a b c d Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Genus Streptomyces File 3. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. April 2018; abgerufen am 23. Dezember 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bacterio.net
  8. D. H. Lambert, R. Loria: Streptomyces scabies sp. nov., nom. rev. In: International Journal of Systematic Bacteriology. Band 39, Nummer 4, Oktober 1989, S. 387–392, ISSN 0020-7713. doi:10.1099/00207713-39-4-387.
  9. a b Prokaryotic Nomenclature Up-to-date. In: Webseite des Leibniz Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. Dezember 2013; abgerufen am 23. Dezember 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dsmz.de
  10. a b c Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Genus Streptomyces File 1. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. September 2015; abgerufen am 23. Dezember 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bacterio.net
  11. Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Genus Streptomyces File 2. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. Juli 2018; abgerufen am 23. Dezember 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bacterio.net
  12. A. Nagakawa, S. Omura: Structure of Cervinomycine, a novel Xantone Antibiotic against Anaerobe and Mycoplasma. In: Journal of Antibiotics. S. 301–308, Band XL, Nr. 3, 30. August 1986, doi:10.7164/antibiotics.40.301.
  13. C. Reading, M. Cole: Clavulanic acid: a beta-lactamase-inhiting beta-lactam from Streptomyces clavuligerus. In: Antimicrobial agents and chemotherapy. Band 11, Nummer 5, Mai 1977, S. 852–857, PMID 879738, PMC 352086 (freier Volltext).
  14. a b C. E. Higgens, R. E. Kastner: Streptomyces clavuligerus sp. nov., a β-Lactam Antibiotic Producer. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Bacteriology. Band 21, Nummer 4, Oktober 1971, S. 326–331, doi:10.1099/00207713-21-4-326.
  15. Eintrag zu Mitomycine. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 26. April 2011.
  16. Eintrag zu Lavendamycin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 26. April 2011.
  17. Olga N. Sekurova, Martin Zehl, Michael Predl, Peter Hunyadi, Thomas Rattei, Sergey B. Zotchev: Targeted Metabolomics and High-Throughput RNA Sequencing-Based Transcriptomics Reveal Massive Changes in the Streptomyces venezuelae NRRL B-65442 Metabolism Caused by Ethanol Shock. In: ASM Journals: Microbiology Spectrum, Band 10, Nr. 6, 31 October 2022; doi:10.1128/spectrum.03672-22. Dazu:
  18. H. Drautz, W. Keller-Schierlein, H. Zähner: Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen. In: Archives of Microbiology. S. 175–190, Band 106, Nr. 3 / Januar 1975.
  19. X. Rong, Y. Huang: Taxonomic evaluation of the Streptomyces griseus clade using multilocus sequence analysis and DNA-DNA hybridization, with proposal to combine 29 species and three subspecies as 11 genomic species. In: International journal of systematic and evolutionary microbiology. Band 60, Nr. 3, März 2010, S. 696–703, ISSN 1466-5026. doi:10.1099/ijs.0.012419-0. PMID 19656940.