Die Stadtbahngeländer, auch Sonnenblumengeländer oder nach ihrem Schöpfer Otto-Wagner-Geländer genannt, sind eine besondere Form der Stadtmöblierung in der österreichischen Bundeshauptstadt Wien und einigen anderen Orten der ehemaligen Habsburgermonarchie.
die beidseitige Absicherung der über die Tiefbahneinschnitte sowie den Wienfluss führenden Brücken
die Absicherung der Stiegen in den größeren Stadtbahnstationen
Die 1895 vom Architekten und Stadtplaner Otto Wagner entworfenen,[1]gusseisernenGeländer im Jugendstil entstanden als Nebenprodukt der 1898 eröffneten Wiener Stadtbahn und stehen, wie deren gesamte Anlage, unter Denkmalschutz. Sie sind mit einem besonders hohen Wiedererkennungseffekt verbunden und prägen insbesondere das Wiener Stadtbild. Seltener verwendete Alternativbezeichnungen sind Stadtbahngitter, Sonnenblumengitter und Otto-Wagner-Gitter.
Abgesehen von den ehemaligen Stadtbahnstrecken sind die Geländer auch an zahlreichen weiteren Stellen im gesamten Wiener Stadtgebiet anzutreffen.
Standardmodell
Das zu den oben aufgeführten Zwecken überwiegend verwendete quadratische Standardgeländer ist je Element circa 75 Zentimeter hoch und 75 Zentimeter breit, die Tiefe beträgt circa acht Zentimeter. Es besteht aus einem mittigen, kreisrunden Ornament in Rosettenform[4] – das als lodernde Sonne, Sonnenblume oder Sonnenrad interpretiert werden kann – und vier als Halterung dienenden dünnen Diagonalstreben, die in die Ecken des Quadrats führen. Von diesen Quadraten wiederum hängen zumeist zwei mit der Verlängerung ihrer Horizontalen in einem größeren Rechteck aus Handlauf und Stütze.[5] Weiter wird diesem 1895 geschaffenen Muster nachgesagt, dass es die Initialen seines Schöpfers Otto Wagner trägt.[1]
Detailansicht eines aus zwei Elementen bestehenden Segments des Standardgeländers
Außerhalb Wiens kann beziehungsweise konnte das Sonnenblumengeländer noch in mindestens zehn weiteren Orten angetroffen werden:
Im kroatischenDubrovnik (Ragusa) finden sich Sonnenblumengeländer in der gesamten Stadt. U. a. sichert ein Sonnenblumengitter im Ortsteil Boninovo bis heute auf der zum Teil als Hangbrücke ausgeführten Küstenstraße Ulica branitelja Dubrovnika den Gehweg zur Adria hin ab. Als Produzent des dortigen Geländers ist jedoch Ignaz Gridl überliefert.[6] Weiters sichert ein derartiges Geländer die Straße Ulica Frana Supila in der Vorstadt Ploče - iza Grada oberhalb des Stadtstrandes Banje. Beim 2012 begonnenen Umbau der südlichen Stadteinfart Ilijina Glavica wurden zur Gehwegsicherung ebenfalls Sonnenblumengeländer eingesetzt.
Am Bahnhof der mährischen Stadt Břeclav (Lundenburg) diente ein Otto-Wagner-Geländer bis zu dessen Modernisierung als Sicherung der Bahnsteigabgänge.
Am Bahnhof der mährisch-schlesischen Stadt Bohumín (Oderberg) dienen Otto-Wagner-Geländer als Sicherung der Bahnsteigabgänge.
In der niederösterreichischen Marktgemeinde Pottenstein weist die 1908 eröffnete Straßenbrücke über die Triesting ein Otto-Wagner-Geländer auf. Zwar musste die alte Brücke 1988 einem Stahlbeton-Neubau weichen, wobei das historische Geländer aber weiter verwendet wurde.[7]
Die unmittelbar beim Stift Zwettl gelegene Straßenbrücke über den Kamp erhielt anlässlich ihrer 1902 erfolgten Verbreiterung ein neues Eisengeländer nach dem Muster der Wiener Stadtbahn. Bei der Renovierung im Jahr 1965 wurde dieses durch ein einfaches Stabwerk ersetzt.[8]
Über das Standardgeländer mit dem Sonnenblumenmotiv hinaus finden in Wien noch fünf weitere Modelle Verwendung:
Rund um den Hietzinger Hofpavillon entschied sich Wagner für ein besonders elegantes Geländermodell, das secessionistische Züge trägt. Seit der 2014 abgeschlossenen Sanierung tragen diese wieder ihren ursprünglichen Grünton, der dunkler ausfällt als das zwischenzeitlich auch dort verwendete Resedagrün.
Am Franz-Josefs-Kai, an der Rossauer Lände und an der Radetzkybrücke kam ein etwas stärker ornamentiertes Modell mit einem Ringmotiv[4] in Form von jeweils drei stilisierten Lorbeerkränzen je Segment zur Anwendung. Ein solches Segment auf Höhe Biberstraße, beim Abgang zum Badeschiff, wurde wieder im ursprünglichen Hellbeige restauriert und anlässlich Otto Wagners 100. Todestag am 11. April 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt.[11] Die Lorbeerkränze waren ein beliebtes Stilmittel Wagners, sie sollen den Sieg des Jugendstils über den Historismus formulieren.[12] Die Geländer am Donaukanal sind nicht mehr alle original, sie wurden teilweise in den 1970er Jahren originalgetreu in Aluminiumguss wiederhergestellt, als die dortige Galeriestrecke für den U-Bahn-Betrieb adaptiert werden musste.[4]
Im Bereich der Stiegen beziehungsweise Rampen zwischen dem Franz-Josefs-Kai und dessen tiefer liegendem Vorkai ist ein Modell anzutreffen, dass aus einem größeren und einem kleineren Maschendrahtgitter besteht. Diese Variante ist auch rund um die Wehranlage und Schleuse Kaiserbad am gegenüberliegenden Ufer des Donaukanals zu finden, dort allerdings Weiß statt Resedagrün gestrichen.
In den zur Bauzeit noch weniger dicht besiedelten Gegenden der Stadt, zum Beispiel entlang der westlichen Unteren Wientallinie, im Bereich des Verbindungsbogens oder zwischen den beiden Türkenschanztunnels der Vorortelinie kam hingegen eine deutlich schlichtere Variante mit drei horizontalen Rohrdurchzügen[13] und ohne Verzierungen zum Einsatz, so wie auf der Abbildung links beim Badhaussteg. Im Hintergrund das später gebaute Amtshaus für den 13. und 14. Bezirk.
Die einfachste Geländervariante existiert auch in einer Variante mit Maschendrahtgitter
Galerie
Detailansicht eines Lorbeerkranzes
Detailansicht des Geländers auf Höhe der Salztorbrücke
Weißes Geländer bei der Wehranlage und der Schleuse Kaiserbad
↑ abcdManfred Wehdorn: Die Einbeziehung der ehemaligen Wiener Stadtbahnlinien in das Streckennetz der U-Bahnanlage und der Österreichischen Bundesbahnen aus denkmalpflegerischer Sicht. In: Florian Fiedler (Hrsg.): Eisenbahn und Denkmalpflege. (= ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees, ISSN 2365-5623; XXVII), München 1998, ISBN 3-87490-667-1, S. 35–42 (PDF).
↑Von wegen „Otto-Wagner-Grün“: Es war weiß! In: Die Presse, 11. April 2018, S. 9 (Artikelanfang frei lesbar. In: Pressreader.com, abgerufen am 4. November 2019).
↑ abcErich Schlöss: Die Wiener Stadtbahn. Wiental- und Donaukanallinie, S. 14. (= Beiträge zur Stadtforschung, Stadtentwicklung und Stadtgestaltung. Band 19). Magistrat, Wien 1987. (online (Memento des Originals vom 19. Januar 2022 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wien.gv.at)
↑Stadtbahngeländer. In: Blog In alten und neuen Städten. Philipp Eichhoff (Hrsg.), 22. Jänner 2015, abgerufen am 5. März 2018.
↑Manfred Wehdorn und Ute Georgeacopol-Winischhofer: Baudenkmäler der Technik und Industrie in Österreich. Teil 1: Wien, Niederösterreich, Burgenland. Böhlau, Wien 1984, S. 264.
↑Hans Peter Pawlik, Josef Otto Slezak: Wagners Werk für Wien. Gesamtkunstwerk Stadtbahn (= Internationales Archiv für Lokomotivgeschichte. Band 44). Slezak, Wien 1999, ISBN 3-85416-185-9, S. 4
↑Hanna Möller (uni:view): Wien ohne Otto Wagner. Interview mit dem Stadtgeographen Walter Matznetter. In: Medienportal der Universität Wien, 9. April 2018, abgerufen am 2. November 2019.
↑Erich Schlöss: Die Wiener Stadtbahn. Wiental- und Donaukanallinie (= Beiträge zur Stadtforschung, Stadtentwicklung und Stadtgestaltung. Band 19). Magistrat, Wien 1987, S. 13. (online (Memento des Originals vom 19. Januar 2022 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wien.gv.at)