Sophie Prag war die Tochter des Ankumer Stoffhändlers Viktor Prag und seiner aus Hage stammenden Ehefrau Emilie Miriam, geborene Weinberg.[2] Zur Familie gehörten zwei weitere Kinder: Paul, der später ebenfalls nach Peru emigrierte und in Lima starb,[3] sowie Jenny Ita, die am 1. Dezember 1918[4] den Neuschanzer Adolf Abraham Baruch ehelichte und ihren Wohnsitz in Delmenhorst nahm.[5] Die Familie Prag zog 1903 von Ankum nach Jever, wo sie das in der Neuen Straße gelegene Warenhaus J. M. Valk & Söhne Nachfolger[6] übernahm.[7]
Prag arbeitete unter Arnold Orgler an dem 1923 gegründeten Städtischen Säuglings- und Mütterheim in Berlin-Neukölln.[13] Dort veröffentlichte sie 1924 den Zeitschriftenartikel Über Linksverschiebung des Blutbildes bei Brustkindern. Nach Assistenzjahren in Stettin ließ sie sich 1927 in Osnabrück als Kinderärztin nieder. Dort war sie neben der Kinder- und Frauenärztin Frieda Löwenstein eine von zwei ansässigen jüdischen Ärztinnen. Trotz der überdurchschnittlich guten Schulausbildung der jüdischen Mädchen waren die beiden damit Ausnahmeerscheinungen.[14]
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Berufsausübung der jüdischen Ärztin stark eingeschränkt und ihre Kassenzulassung entzogen. In der Konsequenz dieser einem Berufsverbot gleichkommenden Entwicklung emigrierte Sophie Prag nach Peru. Laut den Bremer Passagierlisten bestieg sie am 16. November 1933 das Frachtschiff Roland, das sie nach Callao brachte.[15] Ihren Wohnsitz nahm sie in der peruanischen Hauptstadt. An „ihre mit Engagement begonnene berufliche Karriere“ konnte sie allerdings in der Fremde nicht anknüpfen.[16] Sie verdiente ihren Lebensunterhalt mit Hausbesuchen bei deutsch-jüdischen Emigranten und Schweizer Familien.[17]
Sophie Prag starb 1954 im Alter von 59 Jahren in Miraflores, einem Stadtbezirk von Lima. Ihr Grab befindet sich auf dem dortigen jüdischen Friedhof.[18]
Ehrungen
Das Unterstufengebäude des Mariengymnasiums wurde am 5. April 2011 nach Sophie Prag benannt.[19]
Die Stadt Jever hat am 1. November 2018 eine Straße nach Sophie Prag benannt.[20]
Schriften (Auswahl)
Über einen Fall von Granatsplitterverletzung des Auges. [1920] (unveröffentlichte Dissertation, Universität Heidelberg, 1920).[10]
Über Linksverschiebung des Blutbildes bei Brustkindern. In: Monatsschrift für Kinderheilkunde. Bd. 29, 1924, S. 31–34.
Literatur
Maria von Borries: Euer Name lebt. Zur Geschichte der Juden in der Region Bersenbrück. Rasch Verlag, Bramsche 1997, ISBN 3-932147-30-8, S. 87–94.
Hartmut Peters: Aus den Fotoalben der Schüler und Lehrer. In: Mariengymnasium Jever (Hrsg.): 425 Jahre Mariengymnasium Jever 1573 – 1998; Beiträge zur Vergangenheit und Gegenwart der Schule. Verlag Mettcker & Söhne, Jever 1998, S. 41.
Panikos Panayi: Life and Death in a German Town: Osnabrück from the Weimar Republic to World War II and Beyond. Verlag I. B. Tauris, London/ New York 2007, ISBN 978-1-84511-348-3, S. 183.
Volker Landig: Die Ärztin Sophie Prag entkam dem Holocaust durch Emigration nach Peru. In: Friesische Heimat. Beilage 441 des Jeverschen Wochenblattes. 5. November 2011, S. 1 ff.
Elisabeth Irani: Dr. Sophie Prag, Jüdin und Ärztin aus Ankum. In: Heimat-Hefte für Dorf und Kirchspiel Ankum. Nr. 14, 2011, S. 59 f.
↑Maria von Borries: Euer Name lebt. Zur Geschichte der Juden in der Region Bersenbrück. Bramsche 1997, S. 88; die Ehe war durch einen jüdischen Ehevermittler (Schadchen) zustande gekommen.
↑Detlef Garz, Gesine Janssen: Über den Mangel an Charakter des deutschen Volkes. Zu den autobiographischen Aufzeichnungen des jüdischen Arztes und Emigranten Dr. Julian Kretschmer aus Emden. Oldenburg 2006. S. 74; siehe Abbildung 9 (Aufschrift linker Bildrand)
↑Maria von Borries: Euer Name lebt. Zur Geschichte der Juden in der Region Bersenbrück. Bramsche 1997, S. 87
↑ abcSo Sophie Prag in ihrem der Dissertation 1920 beigelegten Lebenslauf.
↑Angaben zum Städtischen Säuglings- und Mütterheim unter: Harry Joe Aronowicz: Vom Städtischen Säuglings- und Mütterheim zur Kinderklinik in Neukölln. 1982 (med. Dissertation, Freie Universität Berlin, 1982).
↑Astrid Kilimann, Birgit Panke-Kochinke, Museum Industriekultur Osnabrück (Hrsg.): Das Frauenzimmer als Arbeiter: zur Geschichte der Frauenarbeit in Osnabrück, 1842–1958. Freiburg im Breisgau 1994, ISBN 3-89085-974-7, S. 90.
↑Bremer Passagierlisten, Archiv-Ident-Nummer: AIII15-16.11.1933_N; Eintrag online (Memento vom 1. April 2016 im Internet Archive), abgerufen am 14. Mai 2019.
↑Maria von Borries: Euer Name lebt. Zur Geschichte der Juden in der Region Bersenbrück. Bramsche 1997. S. 91
↑Maria von Borries: Euer Name lebt. Zur Geschichte der Juden in der Region Bersenbrück. Bramsche 1997. S. 94