Sofia Gubaidulina wurde in der Stadt Tschistopol in der Tatarischen Autonomen Republik in einer tatarisch-russischen Familie geboren. Ihr Vater, Asgat Masgudowitsch Gubaidulin, war Ingenieurgeodät. Die Mutter, Fedossija Fedorowna Gubaidulina, geb. Jelchowa, war Lehrerin. Der Großvater, Masgud Gubaidulin, war Mullah. Gubaidulina selbst bekennt sich zum Russisch-Orthodoxen Glauben; sie ließ sich im März 1970 russisch-orthodox taufen.[1][2] Sie war insgesamt dreimal verheiratet.
Im Jahre 1932 übersiedelte die Familie nach Kasan. Gubaidulina studierte Komposition und Klavier am Konservatorium von Kasan unter anderem bei Grigori Kogan und führte nach dem Abschluss 1954 ihre Studien in Moskau bis 1963 fort. Als Studentin wurde sie mit einem Stalin-Stipendium ausgezeichnet.[3] Während dieser Studien wurde ihre Musik als „pflichtvergessen“ bezeichnet, aber Dmitri Schostakowitsch ermutigte sie, ihren „Irrweg“ fortzusetzen.
In der Mitte der 1970er Jahre gründete Gubaidulina gemeinsam mit den Komponisten Viktor Suslin und Wjatscheslaw Artjomow das Ensemble Astreja, das auf Instrumenten der russischen Volksmusik improvisierte. In den sechziger und siebziger Jahren waren ihre Werke in der Sowjetunion verboten, weil ihre Musik nicht den Vorstellungen des Sozialistischen Realismus entsprach.
Ihr Erfolg im Westen wurde vor allem vom Geiger Gidon Kremer (später auch von Reinbert de Leeuw) unterstützt, der ihr erstes ViolinkonzertOffertorium 1981 uraufführte. Seitdem gehört Sofia Gubaidulina zusammen mit Alfred Schnittke und Edisson Denissow zu den führenden, weltweit anerkannten Komponisten Russlands der Ära nach Schostakowitsch.
David Geringas schreibt, dass ihre Musik für den „Zusammenhang des Rationalen und des Irrationalen“ stehe, diese stehen nicht nur nebeneinander, sondern seien oft im gleichen Moment ein und dasselbe. Darin gleiche ihre Musik der von Johann Sebastian Bach.[5]
Werke (Auswahl)
Chaconne für Klavier (1963)
Streichquartett Nr. 1 (1971)
Fairytale Poem [Märchenpoem] für Orchester (1971)
Detto II für Cello und dreizehn Instrumente (1972)
Und das Fest ist in vollem Gang (Cellokonzert), David Geringas gewidmet (1994)
Konzert für Viola und Orchester (1997)
Der Sonnengesang für Violoncello, Chor, Schlagzeug und Celesta (1997, 1998 Uraufführung mit Mstislaw Rostropowitsch)
Two Paths (Zwei Wege) – A Dedication to Mary and Martha (1999), für 2 Bratschen und Orchester. Fassung für 2 Violoncelli und Orchester von Johannes X. Schachtner (2014)
Rainer Nonnenmann: musica contemplativa. Eine Porträtskizze von Sofia Gubaidulina, in: MusikTexte 93, Köln 2002, S. 19–23.
Sofia Gubaidulina, in Sowjetische Musik im Licht der Perestroika: Interpretationen, Quellentexte, Komponistenmonographien. Hg. Hermann Danuser u. a. Laaber-Verlag 1990, S. 345–347.
Boris Belge: Klingende Sowjetmoderne. Eine Musik- und Gesellschaftsgeschichte des Spätsozialismus, Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2018, ISBN 978-3-412-51066-4.
Dorothea Redepenning, Passion und Auferstehung. Sofia Gubaidulinas Zyklus „Johannes-Passion“ und „Johannes-Ostern“, in: MusikTexte. Zeitschrift für neue Musik, 93 (Mai 2002), 27–35.
Dorothea Redepenning, „ ... und das Wort – war Gott.“ Zu Sofia Gubaidulinas Johannes-Passion, in: Passion 2000, Schriftenreihe der Internationalen Bachakademie Stuttgart, Bd. 11, Kassel usw. 2000, hrsg. v. Christian Eisert, 154–162.
David Geringas: Und das Fest ist in vollem Gang, FAZ 22. Oktober 2021 (Artikel zum 90. Geburtstag).
Ein Schritt zu meiner Sehnsucht. Die Komponistin Sofia Gubaidulina. Dokumentarfilm, Deutschland, 1996, 60 Min., Buch und Regie: Klaus Voswinckel, Produktion: Klaus Voswinckel Filmproduktion, Bayerischer Rundfunk, SDR, Film-Informationen von ARD.
Sophia. Biography of a Violin Concerto. Dokumentarfilm mit Sofia Gubaidulina und Anne-Sophie Mutter, Deutschland, 2011, 56 Min., Buch und Regie Jan Schmidt-Garre, Produktion: Naxos Deutschland GmbH, Verleih: ArtHaus Musik
Gabriele Jonté: Artikel „Sofia Gubaidulina“. In: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 29. Februar 2008.