Die Simplonlinie (französischLigne du Simplon, auch Simplonstrecke genannt – wobei letzteres im engeren Sinne nur den Streckenabschnitt zwischen Brig und Domodossola meint) ist eine aus mehreren Abschnitten bestehende Hauptbahnstrecke in der Schweiz und in Italien und dient als Zubringer der Genferseeregion und Paris über den Simplontunnel nach Norditalien. Sie ist (bis Iselle) im Eigentum der SBB und wird auch von dieser bis in den Bahnhof Domodossola betrieben. Die gesamte Strecke führt von Vallorbe an der französischen Grenze nach Domodossola in Italien.
1855 wurde der Abschnitt Cossonay–Bussigny-près-Lausanne im Zuge des Streckenbaus der Jurasüdfusslinie von der OS eröffnet.[6] 1856 folgte die Verbindungskurve Bussigny–Lausanne. 1870 wurde der Betrieb auf der Strecke Cossonay–Vallorbe aufgenommen.[7] 1875 wurde die grenzüberschreitende Verbindung mit dem Tunnel des Col de Jougne eröffnet und somit den Anschluss ans französische Schienennetz hergestellt. Die Züge von Frankreich in die Schweiz mussten jedoch bis 1915 eine Spitzkehre machen, ehe mit dem Tunnel du Mont d’Or und der Neubaustrecke nach Frasne eine direkte Linienführung möglich war. Die SNCF behielt die Strecke nach Pontarlier zunächst bei, diese erlitt jedoch im Zweiten Weltkrieg starke Beschädigungen, unter anderem Sprengung des Jougne-Tunnel, und wurde nicht wieder aufgebaut.
Lausanne–Brig
Das erste Teilstück der Linie ging am 10. Juni 1857 in Betrieb, als die Compagnie de l’Ouest Suisse das Teilstück Villeneuve–Bex eröffnete.[8] Vollendet wurde die Linie durch die OS, die Ligne d’Italie und die Simplonbahn in weiteren Etappen bis zum Lückenschluss Leuk – Brig 1878. Der durchgehende Ausbau auf Doppelspur zwischen Lausanne und Brig war 2004 vollzogen.
1913 war der Bau der Lötschberg-Bergstrecke vollendet und somit Brig zum neuen Knotenbahnhof ausgebaut. Nachdem 1919 der Abschnitt Sion–Brig mit 3000 Volt 16 Hertz Drehstrom elektrifiziert worden war, wurde die Strecke zwischen 1923 und 1927 durchgehend mit dem heute bei den SBB üblichen Einphasenwechselstrom 15 kV 16 2/3 Hz elektrifiziert. Die Drehstromstrecke wurde als letztes auf Wechselstrom umgestellt.[8]
Mit der Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels 2007 wurde der Bahnhof Visp zum neuen Umsteigeknoten aus der Region Bern nach Zermatt sowie in Richtung Sion.
Brig–Domodossola
1906 wurde nach achtjähriger Bauzeit die erste Röhre des Simplontunnels und die Fortsetzung der Linie nach Domodossola eröffnet. Mit dem wahrscheinlich längsten Kehrtunnel der Welt Varzo elicoidale wurde der südliche Anschluss nach Domodossola hergestellt. Der Simplontunnel war von der Betriebseröffnung bis 1930 mit 3000 Volt 16 Hertz Drehstrom elektrifiziert. → Hauptartikel: Drehstrombetrieb Brig–Iselle
Von 1912 bis 1921 wurde die zweite Röhre des Simplontunnels erbaut und 1922 dem Verkehr übergeben.
1930 wurde die Strecke von Brig bis Domodossola durchgehend mit dem Schweizer Stromsystem 15 000 Volt 16 ⅔ Hertz elektrifiziert, das mit seiner hohen Spannung für die steile Südrampe besser geeignet ist als das italienische 3000-Volt-Gleichspannungssystem. Der Fahrdienst auf der in Italien gelegenen Südrampe Iselle–Domodossola wurde seit der Eröffnung von den SBB nach Schweizer Vorschriften ausgeführt. Bis zur Elektrifizierung 1930 wurde der 25 Promille steile Streckenabschnitt mit Dampf betrieben, wozu im Depot Brig eine grössere Anzahl von C 5/6-Dampflokomotiven stationiert wurde, die nach der Elektrifizierung der Gotthardbahn auf der Simplonsüdrampe ein geeignetes Einsatzfeld fanden.[9]
Seit 1992 besteht eine einspurige elektrifizierte Verbindungsstrecke vom Bahnhof Domodossola I zum Rangierbahnhof Domodossola II, um den Schweizer Lokomotiven die Zufahrt zu ermöglichen. Der Rangierbahnhof dient hauptsächlich dem Traktionswechsel der Transitgüterzüge.[10]
Unfälle
Am 11. August 1939 konnte ein Güterzug mit Personenbeförderung nur ungenügend bremsen und prallte bei der Einfahrt in den Bahnhof Domodossola in abgestellte Wagen. Es waren sechs Tote, ein Schwerverletzter und elf leichter Verletzte zu beklagen.[11][12]
Am 25. September 1941 explodierte bei der Haltestelle Veytaux-Chillon kurz vor der Durchfahrt eines Güterzugs eine Ladung Minen. Sieben Personen starben.[13]
Am 1. Mai 1952 prallte ein Roter Pfeil bei Villeneuve mit 70 km/h in einen leer stehenden Personenzug. Drei Fahrgäste getötet, 48 verletzt.[14] → Abschnitt Unfälle im Artikel SBB CLe 2/4
Am 24. Juni 1968 kollidierte ein Extrazug bei Saint-Léonard mit einem entgegenkommenden Güterzug. In den zum Teil fast vollständig zerstörten Fahrzeugen starben 13 Menschen, 103 wurden verletzt.
Am 26. Juni 1969 führte bei Saint-Maurice ein Achsbruch zur Entgleisung eines Güterzugs. Der Unfall forderte ein Todesopfer.[15]
Am 28. August 1971 forderte die Entgleisung eines Zuges in der Tunnelstation im Simplontunnel wegen überhöhter Geschwindigkeit fünf Tote und 29 Verletzte.[16]
Am 31. Oktober 1972 kollidierte ein Schnellzug in Saint-Triphon mit abgestellten Kesselwagen. Dabei floss Treibstoff aus, der sich entzündete und sich zu einem Grossbrand entwickelte. Der Triebfahrzeugführer und drei Reisende kamen in den Flammen um.[17]
Am 23. Juli 1976 entgleiste ein Schnellzug beim nördlichen Ausgang des Simplontunnels wegen überhöhter Geschwindigkeit. Der Unfall kostete sechs Menschenleben.[18]
Am 14. September 1985 kollidierte in Bussigny ein Regionalzug mit zwei Lokomotiven, wobei fünf Menschen das Leben verloren und 56 verletzt wurden.[19]
Am 16. Februar 1990 fuhr ein Eurocity im Bahnhof von Saxon in ein vergessenes Baudienstfahrzeug. Beim Unfall kamen drei Menschen ums Leben, 12 wurden verletzt.[18]
Am 3. August 1993 fuhr ein Schnellzug im Rio-Rido-Tunnel bei Preglia auf den stehenden Italia-Express. Es waren ein Toter und etwa 60 Verletzte zu beklagen.[20]
Seit der Einstellung der Trans-Europ-Express-Verbindungen von Paris nach Mailand verkehren nur noch nächtliche Personenzüge auf der vollen Strecke. Diese Züge werden von der Trenitalia unter dem Namen Thello geführt und befahren die Strecke Paris-Dijon-Mailand-Venedig.[22]
Im Rhonetal verkehren Regionalzüge von Brig nach Monthey oder Saint-Gingolph. Zudem verkehren die meisten der Linien des Réseau Express Régional vaudois (RER Vaud) abschnittsweise auf der Simplonstrecke, der Abschnitt zwischen den Bahnhöfen Lausanne und Renens wird gleich von sechs der neun RER-Linien befahren, da auch Züge von und nach Genf die Simplonstrecke mitbenutzen. Zwischen Grandson und Cully fahren die R1 und R2, zwischen Vallorbe und St-Maurice die R3 und R4 sowie zwischen Renens und Lausanne die R5 und R6.
Nach dem Bahnhof von Lausanne zweigt inmitten der SBB-Abstellanlagen linkerhand die Strecke nach Fribourg–Bern ab, während die Simplonlinie am Ufer des Genfersees verbleibt. Einige Lavaux-Gemeinden haben an beiden Strecken Haltestellen, so wie Pully (Pully und Pully Nord) oder Lutry (Lutry und La Conversion). Über Pully, Lutry und Cully wird der Bahnhof von Vevey erreicht. Hier mündet mit der Chemin de fer Vevey–Chexbres eine einspurige Verbindung zur Bahnstrecke nach Bern – welche ebenfalls eine (jedoch selten als solche genutzte) Umfahrung von Lausanne darstellt – in die Simplonlinie. Zudem verkehrt ab hier die schmalspurige MVR-Strecke nach Les Pléiades. Über La Tour-de-Peilz, Burier und dem bereits zu Montreux gehörenden Clarens wird der Bahnhof Montreux – der einzige Schweizer Bahnhof mit drei unterschiedlichen Spurweiten – erreicht. Hier zweigt die MVR-Linie auf die Rochers de Naye sowie die Montreux-Berner-Oberland-Bahn nach Lenk ab. Nach Montreux führt die Strecke am Schloss Chillon und dem ehemaligen Hôtel Byron vorbei nach Villeneuve. In Aigle zweigen drei Schmalspurlinien nach Leysin, Les Diablerets und Champéry ab. In Bex verkehrt die schmalspurige Bahnlinie auf den Col-de-Bretaye. In Saint-Maurice wiederum mündet die Strecke aus Saint-Gingolph in die Simplonlinie. Anschliessend wird Martigny erreicht, wo wiederum zwei Bahnlinien abzweigen. Beide werden von der TMR betrieben, eine schmalspurige nach Chamonix und eine normalspurige nach Orsières samt Zweiglinie nach Le Châble. Wenige Kilometer später folgt Sion, kurz darauf Sierre, ehe die Sprachgrenze zwischen Französisch und Deutsch erreicht wird. Der erste Halt im Oberwallis ist Leuk. Im Bahnhof Visp besteht Anschluss zur Matterhorn-Gotthard-Bahn (MGB) aus Zermatt, und der Lötschberg-Basistunnel stösst zur Strecke. Die MGB führt ab Brig, wo auch die Lötschberg-Bergstrecke in die Simplonlinie mündet, Richtung Oberwallis.
Brig–Domodossola
Nach Brig verschwindet die Linie im Simplontunnel, in dessen Mitte sich die Staatsgrenze Schweiz/Italien befindet. Der Tunnel wird in Iselle di Trasquera im Tal der Diveria verlassen, wo sich wie in Brig Terminals zum Autoverlad befinden. Es schliessen sich der 1,7 km lange Tunnel „Trasquera“ und der 3,0 km lange Kehrtunnel „Varzo“ nordwestlich des gleichnamigen Weilers an. Über die Haltepunkte Varzo und Preglia wird Domodossola, nunmehr bereits im breiten Tal des Toce, erreicht. Die 19 km lange doppelspurige Strecke zwischen dem Südportal des Simplontunnels und Domodossola wird mit Schweizer Strom- und Sicherungssystem unter Anwendung der schweizerischen Fahrdienst- und Betriebsvorschriften betrieben. Der Streckenabschnitt wird von der Schweiz mit 16,7-Hz-Bahnstrom versorgt, gehört aber den Italienischen Staatsbahnen (FS), die auch das stationäre Personal stellen. Auch im 21. Jahrhundert mit dem offenen Netzzugang wird der italienische Streckenabschnitt mehrheitlich von Schweizer Triebfahrzeugen befahren.
Der Übergang auf die italienischen Systeme, verbunden mit einem allfälligen Lok- und Personalwechsel, erfolgt in Domodossola Fascio Viaggatori für Reise- und RoLaZüge bzw. Domodossola II für Güterzüge.[23] Ab Domodossola fahren die Züge über die Bahnstrecke Domodossola–Milano nach Mailand, die sich im Besitz der italienischen Infrastrukturgesellschaft RFI befindet.
Literatur
Hans G. Wägli: Schienennetz Schweiz und Bahnprofil Schweiz CH+. AS Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-909111-74-9.
↑Une mine explose au passage d'un train. (Le Temps – archives historiques) Journal de Genève, 27. September 1941, S. 2, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. Dezember 2013; abgerufen am 18. November 2013 (französisch).Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.letempsarchives.ch
↑Un train déraille à St-Maurice. (Le Temps – archives historiques) Gazette de Lausanne, 27. Juni 1959, S. 3, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. Dezember 2013; abgerufen am 16. November 2013 (französisch).Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.letempsarchives.ch
↑ abBruno Lämmli: SBB CFF FFS Re 6/6. Betriebseinsatz. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. März 2016; abgerufen am 18. Oktober 2013.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lokifahrer.ch