Die Semasiologie (von griechisch σημασία [semasía] „Bedeutung“) im engeren Sinne ist innerhalb der Semiotik und als Teilgebiet der Semantik die Lehre von den Wortbedeutungen. Die Semasiologie ist eine Verfahrensweise der Lexikologie, bei der man zuerst von einem Wort ausgeht und dann dessen Bedeutungen aufzeigt.
Semasiologische Fragestellungen sind beispielsweise „Was bedeutet das Wort Arbeit?“ oder „Was ist der Unterschied zwischen (oder die Gemeinsamkeit von) Konzern und Unternehmen?“ Da ein Wort als Homonym oder Polysem je nach Kontext verschiedene Bedeutungen haben kann, untersucht die Semasiologie auch immer den Zusammenhang zwischen Text und Wort, ohne den sich solche Mehrdeutigkeiten nicht auflösen lassen.
Geschichte der Semasiologie
Die Semasiologie wurde 1825 von Karl Christian Reisig mit seinen Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft begründet. Die Untersuchungen über diese Thematik wurden vor allem von Friedrich August Eckstein, Gerhard Franz, Friedrich Haase, Ferdinand Heerdegen, H. Lehmann, Hermann Peter, Richard Chenevix Trench (1807–1886) u. a. fortgesetzt. Dabei wurde die Semasiologie zunächst vorwiegend historisch betrieben. Sie war somit im Wesentlichen an Bedeutungswandel interessiert.
Heinz Kronasser bemühte sich in seinem Handbuch der Semasiologie um eine psychologische Erklärung der Veränderung der Wörter. Weitere bedeutende Arbeiten zur Semasiologie lieferten u. a. Stephen Ullmann, Kurt Baldinger und Otto Duchácek. Aus den Untersuchungen ging hervor, dass sich die Semasiologie im Wesentlichen auf eine Erforschung wechselseitiger Beeinflussungen von Wörtern und die daraus folgenden Resultate beschränkte. Ein Resultat der Untersuchungen im Zusammenhang mit der Onomasiologie hat den sprachwissenschaftlichen Beweis erbringen können, dass Wort und Begriff nicht identisch sind.
Onomasiologie – Etymologie – Onomastik
Das Gegenteil der Semasiologie ist die Onomasiologie, die von Begriffen oder Gegenständen ausgeht und danach fragt, wie diese zu bestimmten Zeiten, an bestimmten Orten bezeichnet werden.
Mit der Herkunft und Geschichte von Wörtern beschäftigt sich die Etymologie, die auch Fragen zur Bedeutung von Wörtern umfasst.
Die Onomastik (Namenforschung) geht speziell auf die Herkunft, Bedeutung und Verbreitung von Namen ein.
Literatur
Kurt Baldinger: Die Semasiologie. Versuch eines Überblicks. Akademie-Verlag, Berlin 1957 (Vorträge und Schriften 61, ISSN0366-9785).
Otto Duchácek: Quelques remarques sur la sémantique linguistique et sur son évolution. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe. 13, 4, 1964, ISSN0138-1016, S. 301–307.
Friedrich August Eckstein: Lateinischer Unterricht. Fues, Leipzig 1882 (Sonderabdruck aus: Karl A. Schmid u. a.: Encyklopädie des gesammten Erziehungs- und Unterrichtswesens).
Gerhard Franz: Über den Bedeutungswandel lateinischer Worte im Französischen. Ramming, Dresden 1890 (Programm des Wettiner Gymnasiums zu Dresden 528, ZDB-ID 1035247-8).
W. Terrence Gordon: A History of Semantics. Benjamins, Amsterdam u. a. 1982, ISBN 90-272-4512-6 (Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science. Ser. 3, 30).
Friedrich Haase: Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft. Simmel, Leipzig
Bd. 1: Einleitung. Bedeutungslehre. Herausgegeben von Friedrich August Eckstein. 1874;
Bd. 2: Bedeutungslehre. (Zweiter Theil). Herausgegeben von Hermann Peter. 1880.
Helmut Hatzfeld: Leitfaden der vergleichenden Bedeutungslehre. Versuch einer Zusammenstellung charakteristischen semasiologischen Beispielmaterials aus den bekanntesten Sprachen. Hueber, München 1924.
Ferdinand Heerdegen: Untersuchungen zur lateinischen Semasiologie. Heft 2: Allgemeine Principien. Ueber Ziele und Methode der lateinischen Semasiologie. Versuch einer Bestimmung und Gliederung ihrer allgemeinen Principien. Deidert, Erlangen 1878.
Heinz Kronasser: Handbuch der Semasiologie. Kurze Einführung in die Geschichte, Problematik und Terminologie der Bedeutungslehre. 2. unveränderte Auflage. Winter, Heidelberg 1968 (Bibliothek der allgemeinen Sprachwissenschaft. Reihe 1: Handbücher).
Brigitte Nerlich: Semantic Theories in Europe 1830–1930. From Etymology to Contextuality. Benjamins, Amsterdam u. a. 1992, ISBN 90-272-4546-0 (Amsterdam Studies in the Theory and History of Linguistic Science. Ser. 3, 59).
Christian Carl Reisig: Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft. 3 Bände. Verlag von S. Calvary & Co., Berlin 1888–1890 (Nachdruck: Sändig, Vaduz 1985).
Peter Schmitter: Das sprachliche Zeichen. Studien zur Zeichen- und Bedeutungstheorie in der griechischen Antike sowie im 19. und 20. Jahrhundert. Institut für Allgemeine Sprachwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität u. a., Münster 1987, ISBN 3-89083-107-9 (Studium Sprachwissenschaft. Beiheft 7).
Richard Chenevix Trench: English past and present. Redfield, New York NY 1855.
Stephen Ullmann: Grundzüge der Semantik. Die Bedeutung in sprachwissenschaftlicher Sicht. 2. unveränderte Auflage. de Gruyter, Berlin u. a. 1972, ISBN 3-11-004143-X (de-Gruyter-Lehrbuch).
Wolfgang Beutin: Das Weiterleben alter Wortbedeutungen in der neueren deutschen Literatur bis gegen 1800. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Peter Lang GmbH, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-631-62996-3 (Print)