Sajeret Matkal
Die Sajeret Matkal (hebräisch סיירת מטכ״ל, „Späher des Generalstabes“; bisweilen in Anlehnung an die Transkription ins Englische auch Sayeret Matkal; auch General Staff Reconnaissance Unit 269[1]) ist eine Spezialeinheit der israelischen Streitkräfte mit dem Einsatzschwerpunkt Terrorismusbekämpfung und nachrichtendienstliche Aufklärung. Innerhalb der israelischen Streitkräfte wird die Sajeret Matkal allgemein nur als haJechida („Die Einheit“) bezeichnet. Die Einheit untersteht dem Militärgeheimdienst Aman und bildet den militärischen Arm aller Nachrichtendienste des Landes. AuftragEinsatzschwerpunkte sind Terrorismusbekämpfung, Geiselbefreiung, gezielte Tötungen, Tiefenaufklärung, Kommandooperationen und nachrichtendienstliche Einsätze sowie bewaffnete Flugbegleitung. OrganisationDie Sajeret Matkal untersteht administrativ und technisch dem Militärgeheimdienst Aman, operativ jedoch dem israelischen Generalstab und bildet den militärischen Arm aller Nachrichtendienste des Landes, hauptsächlich aber des Mossad. Wie viele andere Kommandoeinheiten des israelischen Militärs steht sie an der Spitze des soldatischen Ausbildungsstandes der Kampfeinheiten. Die Einheit ist zusammen mit der Jechidat Duvdevan in mehrerlei Hinsicht einzigartig innerhalb der Gemeinschaft der militärischen Spezialeinheiten Israels. Erstens hat sie keine vordefinierte Mission für Kriegszeiten wie sonst jede militärische Einheit, ist also operativ frei für sämtliche Befehle vorgesetzter Kommandoebenen. Zweitens verfügt sie über eigene Unterstützungseinheiten wie beispielsweise nachrichtendienstliche Aufklärung, medizinische Betreuung, Ex- und Infiltrationsexperten, Scharfschützenteams und Pioniereinheiten (Spreng- und Entschärfungsspezialisten), kann also völlig autark operieren. Ferner ist sie nicht, wie sonst üblich, einem Brigadekommando, sondern direkt dem israelischen Generalstab unterstellt. Das bedeutet, dass ihr kein spezielles Einsatzgebiet zugewiesen ist wie beispielsweise der Sajeret Egoz der Golani-Brigade oder der Fallschirmjäger-Brigade 5173. Taipan (Sajeret Maglan). Wie bei der Jechidat Duvdevan sind ihre Soldaten autorisiert, Uniformen ohne Abzeichen und Rangabzeichen zu tragen. Sie arbeiten jedoch hauptsächlich in Zivilkleidung. Vom Einsatzspektrum her ähnelt sie der JAMAM, der Antiterroreinheit der israelischen Grenzpolizei. Rekrutierung und AusbildungRekrutierungDa die Einheit bis 1976 geheim war, konnte man sich nicht für sie bewerben. Das Personal wurde rekrutiert aus Mitgliedern der Aufklärungskomponenten der Nord-, Zentral- und Südkommandos, also aus der Sajeret Egoz der Golani-Brigade, der 5173. Taipan (Sajeret Maglan) der Fallschirmjäger und der Sajeret Schaked der Givʿati-Brigade. Die Besten dieser Einheiten wurden auf persönliche Empfehlung ihrer Kommandeure oder nach Sichtung der Personalakten durch Werber des Aman zu der Einheit versetzt. Seit 1976 ist die Einheit Freiwilligen zugänglich, weil ihre Tätigkeit zwar geheim ist, ihre Existenz aber nicht mehr. Zweimal pro Jahr werden Bewerber in einem eigenen Auswahlzentrum (Gibbusch) mehrere Tage lang unter der Aufsicht von Ärzten und Psychologen körperlich und geistig unter Stress gesetzt, um ihre Eignung für die Ausbildung zu prüfen. Während der 1990er Jahre wurde dieses Auswahlverfahren schrittweise in anderen israelischen Spezialeinheiten übernommen. Der ehemalige Generalstabschef Dan Chalutz befürwortet die Zusammenlegung dieser Auswahlzentren, um die konkurrierenden Rekrutierungen zu vereinheitlichen. Auch soll die Häufigkeit geistiger Erkrankungen, z. B. des Burn-out-Syndroms bei zu ehrgeizigen Rekruten, durch einheitliche Überwachungsstandards verkleinert werden. AusbildungDie äußerst harte Ausbildung dauert 20 Monate, in denen der Rekrut in Nahkampf, infanteristischer Orientierung im Gelände, Tarnung, Aufklärung, Sprengmitteln, Telekommunikation und nachrichtendienstlicher und verdeckter Informationsgewinnung und -weitergabe sowie Terrorismusbekämpfung und Geiselbefreiung unterrichtet wird. Ferner durchläuft der Rekrut ein intensives Schießtraining, bei dem er mit verschiedenen Lang- und Kurzwaffen vertraut gemacht wird. Die Ausbildung ist in die folgenden fünf Phasen gegliedert.
Wenn ein Rekrut alle Phasen dieser Ausbildung bestanden hat, wird er zu seiner Vereidigungsfeier eingeladen. Diese Feiern finden traditionell nachts in der Ruine der Festung Masada statt. Nach seiner Vereidigung ist der Soldat ein vollwertiges Mitglied der Sajeret Matkal und erhält deren Abzeichen, das er jedoch wegen der Geheimhaltung nicht öffentlich zeigen darf. GeschichteAufstellung und EntwicklungDie Einheit wurde 1958 unter dem Kommando von Awraham Arnange nach dem Vorbild des britischen Special Air Service aus operativen Teilen des Heeresnachrichtendienstes Aman und der 35. Fallschirmjäger-Brigade (Einheit 269) aufgestellt, nachdem er den Generalstab davon überzeugen konnte, dass eine Einheit mit diesem speziellen Einsatzkonzept von großem Nutzen für Israel sein würde und eine Truppe, die in der Lage ist, in feindlich kontrolliertem Gebiet klassische Kommandoeinsätze durchzuführen, aber auch nachrichtendienstlich geschult ist, verdeckt zu operieren, die Operationsmöglichkeiten des israelischen Militärs erheblich erweitern würde. Die ersten Mitglieder der Sajeret Matkal wurden von Beduinen im Wüstenkampf und in der Spurensuche ausgebildet. Auch wurden sie darin trainiert, sich als Beduinen zu tarnen. Das nur ein Jahr vor der Geburtsstunde der Einheit aufgestellte Heeresfliegerbataillon der IDF versetzte sie in die Lage, tief in arabisch kontrolliertes Gebiet einzudringen. Diese Einheiten arbeiteten eng zusammen, bis der Sajeret Matkal eine eigene Heeresfliegerkomponente unterstellt worden ist, die von der Ausbildung und Ausrüstung her speziell auf die besondere Einsatzkonzeption der Sajeret Matkal ausgerichtet war und ist. Militärischer und technischer EinflussTrotz ihres Geheimhaltungsstatus hatte die Einheit von Anfang an einen großen Einfluss auf die Entwicklung des israelischen Militärs, weil sie, obwohl Einsatzverband, auch sozusagen als Experimentalplattform für neue Infiltrationstechniken und Kommandooperationstaktiken sowie Tarn- und Antiterror-Kampftechniken diente. Die in ihren Einsätzen gewonnenen Erkenntnisse führten in vielen Fällen zur waffentechnischen Weiterentwicklung der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte und der Produktpalette israelischer Waffenhersteller. Beispielsweise wurde die Firma Israel Military Industries, Hersteller der Uzi-Maschinenpistole, 1973 durch Einsatzerfahrungen der Einheit zur Entwicklung und Herstellung der Micro-Uzi veranlasst, einer verkleinerten Maschinenpistole dieses Typs, die im verdeckten Einsatz besser zu verstecken war. Entebbe und öffentliches BekanntwerdenIhren wichtigsten und bekanntesten Einsatz hatte die Einheit, als es ihr 1976 in dem ursprünglich Operation Donnerschlag genannten und später in Operation Yonatan umbenannten Geiselbefreiungseinsatz gelang, 106 nach Ugandas Flughafen Entebbe entführte Passagiere der Air France aus der Gewalt von PLO-Terroristen zu befreien. Ihr Kommandeur, Oberstleutnant Yonatan Netanyahu, wurde dabei getötet. Die israelischen Behörden haben diesen Einsatz der Fallschirmjäger-Sajeret zugeordnet. Trotzdem ist die Existenz der Sajeret Matkal nach diesem Einsatz öffentlich bekannt geworden. EinsätzeDie Einheit hat sich an allen relevanten Antiterror-Operationen Israels beteiligt, einschließlich der 1972 erfolgten Befreiung der von der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September entführten Boeing 707 Sabena Flug 571. Obwohl die israelischen Behörden die Existenz der Einheit nicht bestätigen und ihre Einsätze regelmäßig der Fallschirmjäger-Sajeret zuordnen, können die folgenden Einsätze der Sajeret Matkal zugeordnet werden.
Kontroversen (Sajeret-Matkal-Brief)Am 21. Dezember 2003 gaben 13 Reservisten (darunter als ranghöchster ein Major) der Einheit im Büro des Premierministers in Jerusalem eine Erklärung ab, in der sie ihre Ablehnung, künftig in den besetzten Gebieten Dienst zu leisten, zum Ausdruck brachten.[3]
Diese als Sajeret-Matkal-Brief bekanntgewordene Erklärung löste eine heftige Debatte in der israelischen Öffentlichkeit aus, weil erstmals Mitglieder der Spezialeinheiten, noch dazu der renommiertesten und leistungsfähigsten, öffentlich die israelische Siedlungspolitik kritisierten. Die Kontroverse zog auch deshalb so große Kreise, weil etliche Mitglieder des politischen Establishments und des Generalstabes ehemalige Mitglieder der Einheit waren und sogar zwei ehemalige Premierminister, Ehud Barak und Benjamin Netanjahu, aus ihren Reihen kamen. Das Knesset-Mitglied Scha'ul Jachalom der rechten Nationalreligiösen Partei forderte eine Inhaftierung und gerichtliche Verurteilung der Unterzeichner, während Parlamentsmitglieder der linksliberalen Meretz-Partei die Erklärung als einen „mutigen Schritt auf dem Weg zur Abkehr Israels von Besetzung“ bezeichneten. Letztendlich wurden die Unterzeichner zwar nicht strafrechtlich verfolgt, aber unehrenhaft entlassen. Diese Maßnahme wurde offiziell als Fortschritt im Kampf gegen den öffentlichen Druck, die Siedlungspolitik neu zu überdenken, gewertet. Intern machte der Kommandeur unmissverständlich klar, dass er eine öffentliche und politische Instrumentalisierung der Einheitszugehörigkeit der Unterzeichner verurteilt und er eine solche künftig nicht dulden werde. Ein Jahr später gestand der politische Berater des Premierministers Ariel Scharon, Dov Weissglass, öffentlich ein, dass der Sajeret-Matkal-Brief ebenso wie eine inhaltlich vergleichbare Deklaration von Piloten der Luftstreitkräfte (September 2003) einer der maßgeblichen Beweggründe Scharons gewesen sei, Israels einseitigen Abkoppelungsplan zu beschließen, der den Weg für den Teilabzug der israelischen Streitkräfte aus den besetzten Gebieten und für palästinensische Selbstverwaltung öffnete.[5][6] Bekannte ehemalige MitgliederViele ehemalige Angehörige der Sajeret Matkal haben höchste Funktionen in Politik und Militär erreicht.
Mehrere andere ehemalige Mitglieder wurden Generäle. WeblinksCommons: Sajeret Matkal – Sammlung von Bildern und Videos
Literatur
Siehe auchEinzelnachweise
|
Portal di Ensiklopedia Dunia