Rache des PapstesAls Rache des Papstes (auch Rache der Marienkirche[1] oder Dibelius’ Rache[2]) wird im Berliner Volksmund das Phänomen am Berliner Fernsehturm bezeichnet, bei dem durch direkte Sonneneinstrahlung auf der Turmkugel ein sphärisches Lichtkreuz als Reflexion entsteht. HintergrundDer bereits 1973 in einem West-Berliner Stadtführer zu Berliner Spitznamen nachweisbare[3] Begriff wurde nach 1990 von Fremdenführern[4][5] sowie in der Presse[6] aufgegriffen, um das Phänomen sowie die atheistische Grundeinstellung der sozialistischen Regierung und die Diskriminierung kirchlicher Einrichtungen des damaligen DDR-Regimes zu beschreiben. Namensgeber für Dibelius’ Rache war der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Otto Dibelius.[7] Auf einer reinen Kugelform wäre die Spiegelung der Sonne punkt- bzw. kreisförmig. Um jedoch Luftverwirbelungen und damit ein Schwanken der Kugel des Fernsehturms zu vermindern, ist sie überformt durch rund 1000 pyramidenförmig nach außen vorstehende Edelstahl-Verkleidungen. Die vertikal über und unter sowie horizontal beidseits neben der Hauptspiegelung liegenden Pyramidenflächen reflektieren das Sonnenlicht ebenfalls in Richtung des Betrachters, sodass die Spiegelung die Form eines Kreuzes erhält. Legenden und TatsachenDas Lichtkreuz als christliches Symbol drohte die über Jahre aufgebaute Stilisierung des Berliner Fernsehturms zum sozialistischen Stadt- und Staatssymbol zu unterlaufen. Besonders im Westteil Deutschlands entstanden daher spöttische Bemerkungen und Legenden, dass die SED-Führung über dieses Phänomen erbost sei und gar den Abriss des Bauwerks erwäge. Für derart radikale Vorschläge existieren keinerlei nachvollziehbare Hinweise oder Belege. Nachgewiesen ist allerdings, dass im VEB Ipro, der für den Bau des Turms verantwortlich zeichnete, ein Inoffizieller Mitarbeiter (IM) mit dem Decknamen „John“ angesetzt wurde, um das Phänomen und seine eventuelle Beseitigung zu ergründen.[8] Am 25. Juni 1969 berichtete „IM John“ an seinen Verbindungsoffizier:[9]
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unternahm anscheinend nach diesem Bericht keine weiteren Bemühungen mehr, das Lichtkreuz zu beseitigen, was vermutlich auch daran lag, dass das Ministerium sich relativ spät mit dem Fernsehturm beschäftigte. Unter Erich Mielke wurde ab 1969 das Bauwerk unter die Obhut der Hauptverwaltung XX gestellt, die für die Überwachung von Staatsapparat, Kultur, Kirche und Untergrund zuständig war. Diese operative Arbeitsgruppe war in erster Linie darauf angesetzt, technische Sabotageakte aufzudecken und abzuwenden, um eine Unterbrechung des Funkverkehrs zu verhindern.[10] Dem Spitznamen „Sankt Walter“ – als Anspielung auf den damaligen Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht – versuchte das Parteiorgan Neues Deutschland den konstruierten Kosenamen „Telespargel“ entgegenzusetzen, der sich allerdings nicht durchsetzte.[11] Unabhängig von den Fakten griff der damalige US-Präsident Ronald Reagan eine Variante des auch im englischsprachigen Raum als The Pope’s Revenge bekannten Gerüchts um die Beseitigung des Lichtkreuzes in seiner berühmten Rede vor dem Brandenburger Tor am 12. Juni 1987 auf:[12]
Nachdem die Forschung der Stasi nach einer etwaigen Sabotage keinen Erfolg brachte und die Überlegung, die Kuppel zu schleifen, als zu teuer verworfen wurde, kam die Debatte um das Kreuz am Fernsehturm letztlich zum Stillstand. Der Architekt Hermann Henselmann, der die Vorlage zum Berliner Fernsehturm entwarf, soll entgegnet haben, es handele sich um kein Kreuz, sondern ein „Plus für den Sozialismus“.[13] Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
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