Publius Petronius (Augur)Publius Petronius (* wohl vor 24 v. Chr.; † vermutlich 46 n. Chr.) war ein römischer Senator der frühen Kaiserzeit und Suffektkonsul des Jahres 19 n. Chr. FamiliePublius Petronius gehörte zur bedeutenden Familie der Petronii ohne Cognomen. Er war Sohn des Münzmeisters (IIIvir) Publius Petronius Turpilianus[1] und wohl Enkel des Praefectus Aegypti Publius Petronius. Für das Jahr 29 n. Chr. sind Besitzungen von Publius und Gaius Petronius im arsinoitischen Gau bezeugt.[2] Dies lässt vermuten, dass Gaius Petronius, der Suffektkonsul des Jahres 25, sein (jüngerer) Bruder war. Publius Petronius war verheiratet mit Plautia, Tochter des Aulus Plautius (Suffektkonsul des Jahres 1 v. Chr.).[3] Kinder dieses Paares waren vermutlich:
AufstiegIm Jahr 7 n. Chr., also im Alter von etwa 31 Jahren, wurde Petronius durch Kooptation in das Kollegium der Auguren aufgenommen,[7] als Nachfolger des durch Suizid dahingeschiedenen Lucius Sempronius Atratinus. Das auf Lebenszeit verliehene Amt war nicht nur mit hohem Sozialprestige verbunden, sondern seine Inhaber waren gemäß der römischen Tradition auch in viele staatswichtige Vorgänge wie Wahlen, Kriege etc. eingebunden. Das Kollegium der Auguren war nach dem Pontifikalkollegium (mit Oberpriester, Flamines und Vestalinnen) das zweitwichtigste Priesterkollegium Roms und stand in der Rangordnung noch über dem Fünfzehnmännergremium, das mit der Befragung der sibyllinischen Bücher betraut war. Ab 1. Juli 19 war Publius Petronius gemeinsam mit Marcus Iunius Silanus Torquatus Suffektkonsul.[8] Nach den beiden Konsuln ist ein während ihrer Amtszeit erlassenes Gesetz benannt, die lex Iunia Petronia, die festlegte, dass bei Entscheidungen über die Frage, ob eine Person Sklave sei oder nicht, Stimmengleichheit für die Freiheit genügte. Wichtige Ereignisse in der Amtszeit des Petronius als Konsul waren der Tod des Germanicus in Antiochia am Orontes und die Ausweisung der Juden und der Isis-Anhänger aus Rom durch Tiberius.[9] Wegen eines im Hause des Petronius von Clutorius Priscus vorgetragenen Gedichts auf den Tod eines noch lebenden Kaisersohnes wurde im Jahr 21 die gesamte Familie des Petronius verhört, die Sklaven unter Folter zur Aussage gebracht. Allein Vitellia, die Schwiegermutter des Publius, bestritt, überhaupt etwas gehört zu haben. Priscus wurde hingerichtet. Von 29 bis 35 war Publius Petronius Prokonsul der Provinz Asia, was diverse Münzen aus Pergamon und Smyrna sowie mehrere in Ephesos gefundene Inschriften[10] belegen. Publius Petronius „gehörte also zu den Senatoren, die Tiberius weit über das übliche Maß in einem Amt beließ“.[11] Vermutlich unter seinem Prokonsulat diente der später so bedeutende Feldherr Gnaeus Domitius Corbulo als Quästor.[12] 36 war Petronius Mitglied des hochgestellten Kollegiums zur Schätzung der Brandschäden nach einem Stadtbrand in Rom.[13] Auch das Haus des Claudius war abgebrannt und musste taxiert werden.[14] Statthalter von SyrienVon 39 bis 42 war Petronius Nachfolger des Lucius Vitellius als Statthalter der Provinz Syrien. Der Befehl zur Entweihung des TempelsCaligula befahl dem neuen Statthalter, den Jahwe-Tempel in Jerusalem in einen Tempel des „neuen Zeus Epiphanes Gaius“ umzuwandeln. Hierzu sollte eine Statue Caligulas im Tempel von Jerusalem aufgestellt werden. Die ungeheure Brisanz dieses Auftrags war dem Kaiser bewusst, denn er befahl Petronius, hierfür die Hälfte des Euphratheeres (zwei Legionen und möglichst viele Hilfstruppen von Bundesgenossen) mitzuführen. Petronius, der durch die Umsetzung dieses Befehls die Ostflanke des Reichs gefährdet sah, suchte Zeit zu gewinnen. Insbesondere ließ er die in Sidon zur Herstellung der Statue bestellten Künstler möglichst lang an dem Bildwerk arbeiten.[15] Zugleich nahm er Kontakt zu den Juden auf. Als diese Gespräche ergebnislos blieben, brach Petronius im Frühjahr 40 von Antiochia auf und zog durch Phönikien südwärts in Richtung Jerusalem. Auf diesem Zug trat ihm eine jüdische Delegation aus hohen Würdenträgern entgegen und bat um Verschonung. Petronius sandte hierauf einen Brief an Caligula, in dem er sich für die lange Dauer der Herstellung der Bildsäule entschuldigte und auf die bevorstehende Ernte hinwies. Der Kaiser stimmte Petronius zu und forderte die Aufstellung seines Bildes nach der Ernte. Petronius zog weiter nach Ptolemais, wo ihm viele Tausend Juden entgegentraten und um Schonung baten, aber auch deutlich machten, dass sie notfalls zum Einsatz ihres Lebens bereit seien, um die Aufstellung im Tempel zu verhindern. Verhandlungen in TiberiasAus Rücksicht ließ Petronius Heer und Statue in Ptolemais und begab sich im Spätherbst 40 nach Tiberias, wo er lange mit den Führern der Juden verhandelte. Selbst Aristobulus, der Bruder des Königs Agrippa, und Helkias der Große beknieten den neuen Legaten von Syrien um ein Einsehen. Während seiner Tätigkeit in Syrien kam Petronius also mit vielen hochgestellten jüdischen Persönlichkeiten in Kontakt. Mit König Agrippa (im Neuen Testament lediglich als Mörder des Jakobus und Christenverfolger erwähnt)[16] war er sogar eng befreundet. Gerühmt wird seine Weisheit und Milde. Philon von Alexandria nennt Petronius „genauso gütig wie kultiviert“.[17] Die religiöse Toleranz des Petronius zeigte sich insbesondere darin, dass er die Gedanken und Gefühle seiner Kontrahenten durchaus zu würdigen verstand. Er bezeichnete die mosaischen Gebote sogar als „vortrefflich“.[18] Seine humane, fast schon „christlich“ anmutende Grundhaltung ließ ihn sogar ganz bewusst das Risiko eingehen, wegen Verzögerung der kaiserlichen Befehle hingerichtet zu werden, wie der jüdische Historiker Josephus uns berichtet:
Hunger im SabbatjahrDer Konflikt wurde insbesondere noch dadurch verschärft, dass es sich bei dem Jahr 40/41 um ein Sabbatjahr handelte, in dem eine messianisch aufgeheizte Stimmung herrschte, und in dem nach der Torah nicht gesät werden durfte,[20] was regelmäßig zu Hungersnöten führte. Obwohl hohe Zeit zur Aussaat war, bestellten die Juden das Land nicht.[21] In dieser Zeit
Von offenbar derselben Hungersnot spricht auch Josephus:
Das RegenwunderPetrons Einsehen in die Not der Juden wurde durch ein Regenwunder belohnt:
Ein Regenwunder bestätigt das Verhalten des Petronius. In den Augen des Juden Josephus rückt der römische Landpfleger damit in die Nähe des Propheten Elija. Caligulas Befehl zum SelbstmordSchließlich gab Petronius im Bewusstsein der Gefahr für sein eigenes Leben nach und schickte Caligula einen zweiten Brief, in dem er von dem entschlossenen Widerstand der Juden und den göttlichen Zeichen berichtete. Der jüdische König Agrippa I., der zu dieser Zeit noch in Rom weilte, hatte sich inzwischen ebenfalls für die Rücknahme der wahnsinnigen Provokation verwendet und den Kaiser schließlich umstimmen können. Der Befehl des Caligula, die Aktion einzustellen, überschnitt sich mit dem Brief des Petronius. Dessen Renitenz erzürnte nun Caligula derartig, dass er seinem Statthalter brieflich Bestechlichkeit unterstellte und ihm den Suizid befahl:
Dieser Befehl zum Selbstmord erreichte Petronius aber durch wetterbedingte Verzögerung erst, als die Nachricht vom Tode des Kaisers (am 24. Januar 41) bereits eingetroffen war.[25] Das Edikt von DoraClaudius beließ seinen Augurenkollegen Petronius noch für zwei weitere Jahre als Legat in Syrien, was u. a. durch Münzfunde aus Antiochia bestätigt wird. Auf der Vorderseite sieht man ein Bild des Claudius mit Lorbeerkranz und Umschrift (IMP TI CLAVD CAE AV GER), auf der Rückseite, ebenfalls im Lorbeerkranz, die folgende Inschrift:
Neben diesen Münzen aus dem 1. oder 2. Jahr des Claudius gab es auch gleichzeitig oder kurz darauf ausgeschüttete Normalprägungen, was deutlich macht, dass es sich bei den Petronius-Münzen um eine besondere Ehrung durch den Kaiser handelte, zumal es sich um eine recht umfangreiche Emission handelte, „was die besondere Stellung des Legaten nochmals unterstreicht.“[27] Auch Josephus bestätigt die längere Anwesenheit des Petronius, indem er ein Edikt aus dem Jahr 42[28] überliefert. Auch in diesem spiegelt sich wiederum die religiöse Toleranz des Statthalters. In der Synagoge von Dora hatten „einige übermütige junge Leute, denen nichts heilig war“, eine Bildsäule des Kaisers aufgestellt, vermutlich um dadurch einen Aufruhr zu erregen. Auf die Intervention des Königs Agrippa hin zog Petronius die Schuldigen zur Verantwortung und schrieb den Doritern:
Es ist daher vielleicht kein Zufall, dass sich während der religiös toleranten Amtszeit des Petronius im syrischen Antiochia die erste heidenchristliche Gemeinde entwickeln konnte.[30] TodNach seiner Ablösung als Legat von Syria im Mai 42 durch den ebenfalls hochgebildeten Gaius Vibius Marsus[31] ist nichts Verbürgtes mehr über Publius Petronius überliefert. Möglicherweise wollte Claudius seinem Freund Petronius noch einmal die besondere Ehre des Konsulats zuteilwerden lassen, als Rom im Jahr 47 seine 800-Jahr-Feier vollzog.[32] Aber Publius Petronius war vermutlich schon Ende 46 im Alter von ungefähr 70 Jahren eines natürlichen Todes gestorben.[33] Dass Publius Petronius zu den engsten Freunden des Claudius gehörte, wird durch Seneca bestätigt, der im Jahre 54 den toten Petronius als alten Zechkumpan des Claudius verspottete.[34] Die Verbindung mit dem Kaiser dürfte tatsächlich eng und herzlich gewesen sein, zumal Claudius nicht nur selbst seit dem Jahre 9 zum Kollegium der Auguren gehörte, sondern auch ein Spielkamerad von Petronius’ Freund Agrippa gewesen war, als dieser in Rom erzogen wurde. Auch gemeinsame literarische Interessen von Petronius und Claudius werden durch Senecas Satire bezeugt. Literatur
Anmerkungen
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