Der Hauptangeklagte Oswald Pohl, Leiter des SS-WVHA, wurde hingerichtet. Bei drei weiteren Angeklagten wurde ebenfalls die Todesstrafe verhängt, aber in eine Haftstrafe umgewandelt. Elf Angeklagte erhielten Haftstrafen, davon drei lebenslänglich, die anderen mit Haftzeiten von 10 oder 20 Jahren. Drei wurden freigesprochen. Acht der Verurteilten profitierten von einer späteren Reduzierung des Strafmaßes. In den Jahren 1951 bis 1954 wurden elf Verurteilte vorzeitig aus der Haft entlassen.
Das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (SS-WVHA) verwaltete bis Mai 1945 die SS-eigenen Industrien, Gewerbe und Betriebe, auch in den Konzentrationslagern, und führten diese zu eigenen Konzernen zusammen. Die SS war somit nicht nur Teil des staatlichen Polizeiapparates, sondern mit dem Wirtschafts-Verwaltungshauptamt auch für wirtschaftliche Ausbeutung zuständig. Dabei arbeitete das WVHA eng mit dem allgemeinen SS-Hauptamt und dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) zusammen.
Das SS-WVHA bestand aus folgenden Amtsgruppen:
Amt A: Truppenverwaltung
Amt B: Truppenwirtschaft
Amt C: Bauwesen, Leitung: SS-Obergruppenführer Hans Kammler
Amt W: Wirtschaftsunternehmungen, Leitung: SS-Obergruppenführer Oswald Pohl
Die Amtsgruppen wirkten unter anderem bei der Kontrolle des Lagersystems eng zusammen. Spätestens ab 1942/43 war dem SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt fast das gesamte Lagersystem unterstellt.
Der Prozess
Anklage
Die Anklageschrift vom 13. Januar 1947 behandelte gemäß Kontrollratsgesetz Nr. 10 vier Anklagepunkte:
I Das gemeinsame Vorhaben oder die Verschwörung zur Begehung von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
II Kriegsverbrechen. Unter Kriegsverbrechen wurden Delikte verstanden, die bereits in den Haager Abkommen vor dem Ersten Weltkrieg definiert worden waren: Tötung oder Misshandlung von Kriegsgefangenen, Hinrichtung von Geiseln, Verschleppung zur Zwangsarbeit etc.
III Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Darunter fielen vor allem die Verfolgung und Vernichtung der Juden in ganz Europa und die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, also Tötungsdelikte, die in allen zivilisierten Staaten verfolgt werden.
Vertreter der Anklage waren Telford Taylor (Chief of Counsel for War Crimes), James M. McHaney (Chef der SS Abteilung der Ankläger) und Jack W. Robbins (Chefankläger für dieses Verfahren).
Die Hauptverhandlung wurde am 8. April 1947 eröffnet. Sie begann mit den Vorträgen der Ankläger, die mehr als einen Monat in Anspruch nahmen (bis 14. Mai). Anschließend gaben die Verteidiger erste Stellungnahmen ab. Die Verteidigung der einzelnen Angeklagten dauerte mehr als zwei Monate (5. Juni bis 18. August).
Nach zusätzlichen Vorträgen beider Seiten am 16. September folgte am 17. September das Schlussplädoyer der Ankläger. Am selben Tag begannen die Schlussplädoyers der Verteidiger. Am 22. September hatten die Angeklagten Gelegenheit zu einem Schlusswort. Das Urteil wurde am 3. November 1947 verkündet.
Verfahrensschritte nach der Hauptverhandlung betrafen die Revision der Urteile durch die Militärgouverneure, Verfahrenshinweise an die Verteidigung und die Ausfertigung der Urteile am 11. August 1948.
Angeklagte, Verteidiger, Urteile
Die 18 Angeklagten, ihre Verteidiger und die Urteile vom 3. November 1947. Bei den Urteilen werden auch spätere Reduzierungen des Straßmaßes und vorzeitige Entlassungen angegeben.
Hans Gawlik (bis 30. Juni 1948), Gerhard Klinnert (ab 30. Juni 1948)
Gerhard Klinnert (bis 30. Juni 1948)
II und III
10 Jahre Haft Reduziert auf 8 Jahre Haft 1951 vorzeitig aus der Haft entlassen
Historische Bedeutung
Der Prozess sollte der Öffentlichkeit zeigen, dass auch die Schreibtischtäter zur Verantwortung gezogen werden.
Sie hatten mindestens die gleiche Schuld auf sich geladen wie die Mörder vor Ort. Damit wurde die Mitwirkung von Verwaltungsspitzen, ohne deren Dienste ein Terrorregime nicht handlungsfähig wäre, international erstmals strafrechtlich geahndet.
Der Prozess gegen Pohl und das WVHA verfehlte innerhalb Deutschland seine beabsichtigte Wirkung teilweise. Das Urteil wurde damals vielfach als Siegerjustiz bewertet und öffentlich zum Teil sogar als Schandurteil bezeichnet. Am 9. Januar 1951 überreichte eine Abordnung des Deutschen Bundestages dem amerikanischen HochkommissarJohn Jay McCloy eine erfolglose Bitte um Pohls Amnestie.
Fritz Sauckel, der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz
Franz Seldte, Reichsarbeitsminister (verstarb vor einer Anklageerhebung)
Organisation Todt, setzte KZ-Häftlinge und andere Zwangsarbeiter beim Bau militärischer Anlagen ein
Literatur
Johannes Tuchel: Fall 4: Der Prozeß gegen Oswald Pohl und andere Angehörige des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Der Nationalsozialismus vor Gericht. Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943–1952 (= Fischer-Taschenbücher. Die Zeit des Nationalsozialismus 13589). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-13589-3, S. 110–120.
Jan Erik Schulte: Im Zentrum der Verbrechen. Das Verfahren gegen Oswald Pohl und weitere Angehörige des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, in: Kim C. Priemel, Alexa Stiller (Hrsg.): NMT. Die Nürnberger Militärtribunale zwischen Geschichte, Gerechtigkeit und Rechtschöpfung. Hamburg : Hamburger Edition, 2013, S. 67–99
Jan Erik Schulte: Zwangsarbeit und Vernichtung: Das Wirtschaftsimperium der SS. Oswald Pohl und das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt 1933–1945. Schöningh, Paderborn 2001, ISBN 3-506-78245-2