Pre-Birth of the Cool
Pre-Birth of the Cool ist ein Jazzalbum von Miles Davis & His Tuba Band (hinter diesem Ausdruck verbirgt sich sein Nonett, das in der Literatur auch Capitol-Band genannt wird). Die live im Royal Roost, New York im September 1948 entstandenen Rundfunk-Mitschnitte erschienen erstmals 1974 auf dem Label Durium. Die Aufnahmen wurden auch – in erweiterter Titelliste – auch mit dem Titel The Real Birth of the Cool veröffentlicht. HintergrundGil Evans schrieb Mitte der 1940er Jahre Arrangements für die Claude Thornhill Bigband. Ihm wird die Einführung von Bebop-Kompositionen in das Repertoire der Bigband zugeschrieben, mit Arrangements von Charlie Parkers „Donna Lee“ und „Yardbird Suite“ sowie Gillespies und Parkers „Anthropology“. Miles Davis lernte Evans 1947 kennen, nachdem Davis „Donna Lee“ für Savoy Records aufgenommen hatte; Evans interessierte sich für Miles Davis' Partitur des Liedes von Charlie Parker und Miles Davis wiederum interessierte sich für die Instrumentalkombinationen der Thornhill-Band. ![]() Während in den späten 1940er-Jahren die Jazzclubs der 52nd Street, zwischen der 5th und 6th Avenue in New York City, das Jazzzentrum der Welt waren, versammelten sich drei Blocks weiter oben in der 55. Straße, in der Einzimmer-Kellerwohnung von Gil Evans, viele der besten Jazzmusiker der damaligen Zeit, notierte C. Michael Bailey. Evans interessierte sich für das Ganze der einzelnen Stimmen, das gesamte Arrangement der einzelnen Solisten. Das Ergebnis dieser Vorbereitungen war das Nonett von Miles Davis. Der Kern der Musiker, die Evans’ Wohnung besucht hatten, war sich einig, dass das Vehikel zur Umsetzung der Vision von Evans und Davis eine neunköpfige Band war, bestehend aus dem typischen Bebop-Quintett aus Trompete, Saxophon, Bass, Schlagzeug und Klavier, ergänzt durch ein zweites Saxophon (Bariton) und drei tiefe Blechblasinstrumente, in diesem Fall Tuba, Waldhorn und Posaune. Gleichberechtigt waren die Arrangeure Gerry Mulligan (der auch Baritonsaxophon spielte), John Lewis (später Mitglied des Modern Jazz Quartet), Gil Evans und der Komponist John Carisi. Im Frühling 1948 gründete sich das Nonett, nahm das Material auf, das schließlich auf Birth of the Cool erschien, trat auf und löste sich im Frühjahr 1949 wieder auf. Dieses kurze Leben trug zur Entstehung des Cool-Jazz-Idioms bei, das schließlich von der Westküste dominiert wurde und schließlich einer anderen Innovation, dem Hard Bop, bei dem Davis eine bedeutende Rolle spielen sollte.[1] Das Nonett gab zwei Konzerte am 4. September 1948 und am 18. September 1948 in der dem Modern Jazz verpflichteten Jazzclub Royal Roost am Broadway, die im Radio WMCA-AM live übertragen wurden. Bei diesen Auftritten des Nonetts im September 1948 wurden dieselben Arrangements verwendet wie bei den späteren Studioaufnahmen, die auf Birth of the Cool veröffentlicht wurden – vielleicht lockerer ausgeführt; ein wenig flach hinter Hagoods Gesang bei „Darn That Dream“, notierte Chris Sheridan. Es gibt aber auch zwei [bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung] unbekannte Stücke im Repertoire der Band: „S'il Vous Plait“ ist ein Miles-Davis-Arrangement wie „Hallucinations“, aber im Gegensatz zu letzterem besteht die bekanntere Partitur aus zwei Teilen – das geschäftigere Hauptthema, dunkel gemalt von Bariton, Posaune, Waldhorn und Tuba, wird von einer Statik unterlegt, ätherisches Motiv, vorgetragen von Trompete und Altsaxophon. Das andere Stück ist „Why Do I Love You?“, eine eher konventionelle Ballade im Arrangement von Gil Evans, der auch „Moon Dreams“ arrangierte – die anderen Titel wurden von John Lewis („Move“) oder Gerry Mulligan („Darn That Dream“, „Godchild“) arrangiert.[2] Titelliste
Alle Stücke wurden im Royal Roost, New York City für die Rundfunkstation WMCA aufgenommen, die Tracks 1–5 am 4. September 1948, Tracks 6–9 am 18. September 1948, Track 10 am 25. September 1948. Die Titel der beiden ersten Konzerte erschienen neben den Studioaufnahmen sowie dem live vorgetragenen Birth of the Cool Theme und der Ansage der Band durch Symphony Sid auch auf Capitol als Compact Disc unter dem Titel The Complete Birth of the Cool. Besetzung![]()
RezeptionAls diese enorm wichtige und einflussreiche Band ihre letzten Aufnahmen für Capitol Records machte, waren seit ihrem kurzen, aber epochalen Engagement im Royal Roost 18 Monate vergangen, schrieb Chris Sheridan 1975 im Jazz Journal. Das Auffälligste, was sie damit zeigen würden, sei der experimentelle Charakter der Musik, die sie in diesem „Metropolitan Bopera House“ präsentierten. Denn als eine vergleichbare Gruppe für die Studioaufnahmen von 1949 und 1950 zusammengestellt worden war, hatte die Musik einen viel größeren Schliff erreicht. Aber hier, mitten im [Live-]Geschehen, wie es tatsächlich passiert ist – und bevor es idealisiert wurde – wirke alles hektischer, an den Rändern etwas rauer und überraschend real. So beeindruckend die Capitol-Aufnahmen auch seien, diese früheren Aufführungen hätten etwas noch Faszinierenderes. Dies seien die Partituren gewesen, die, gepaart mit Shorty Rogers „Kentonia“-Ideen, die „Schule“ der Westküste (West Coast Jazz) hervorbrachten, vor allem als sie nach ihrer Trennung ein Jahrzehnt später wieder auftauchten, um die berühmte Zusammenarbeit zwischen Miles Davis und Gil Evans von 1957 bis 1960 zu prägen, mit Alben wie Miles Ahead bis Sketches of Spain. Sie hätten eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Vornehmheit dargestellt, die sich in der Arbeit der Solisten widerspiegelte – in Miles Davis’ flachem, spöttischem Ton, in Konitz’ süßem Spiel auf dem Altsaxophon und in Mulligans zurückhaltender Kühnheit auf dem Baritonsaxophon.[2][2] Als Gil Evans seine Arrangements auf Bebop-Matierial schuf, sei Miles Davis der richtige gewesen, um sich perfekt in diese Vision einzufügen. Diese „Birth of the Cool“-Sessions waren bedeutsam, weil sie Miles Davis’ erste Abkehr von der damaligen „Mainstream“-Jazznorm (Bebop) markierten, schrieb C. Michael Bailey in All About Jazz. Genau wie er es ein Jahrzehnt später mit seinen modalen Erkundungen tat, habe Davis mit seinem Nonett von 1948 die Grenzen des Jazz erweitert. Dies sei ihm gelungen, indem er sich von der 32-taktigen Form löste, die Definition des kleinen Jazzorchesters erweiterte und den Arrangeuren gleichermaßen den Schwerpunkt wie den Solisten legte.[1] Einzelnachweise
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