Paul Richard Thomann (* 31. Januar1827 bei Sprottau, Niederschlesien; † 1873 in Bonn) war ein deutscher Architekt und Baubeamter. Er war der erste fest angestellte kommunale Beamte der Stadt Bonn im 19. Jahrhundert.[1] Seine Planungen zur südlichen Stadterweiterung Bonns beeinflussten anfänglich die Entwicklung des heute größten zusammenhängenden Gründerzeit-Stadtviertels in Deutschland.[2]
Thomann besuchte ein Gymnasium in Görlitz und die Berliner Gewerbeschule und absolvierte anschließend eine Ausbildung als Feldmesser bei der Berlin-Hamburger-Eisenbahn-Gesellschaft. 1846 wurde er vor der königlichen Ministerial-Bau-Kommission in Berlin vereidigt und arbeitete dann kurzzeitig als Vermesser in Schlesien[3], bevor er drei Jahre lang an der Berliner Bauakademie studierte und sie – nach einem zwischenzeitlichen Praktikum an der Dresdener Kunstakademie[4] – 1854 mit der Baumeisterprüfung (dem zweiten Staatsexamen im Baufach) abschloss. Im gleichen Jahr bewarb er sich in Bonn um die erstmals zu vergebene Stelle eines hauptamtlichen Stadtbaumeisters und wurde im April 1854 auf Anregung von Bürgermeister Leopold Kaufmann[5] bzw. auf Druck des Kölner Regierungspräsidenten[6] vom Magistrat der Stadt ab Frühjahr 1855 als Kommunal- und Stadtbaumeister, zunächst auf sechs Jahre befristet,[7][8] eingestellt. Von 1856 bis 1863 wohnte Thomann in der Villa Poppelsdorfer Allee 31.[9]
Zur bedeutendsten Aufgabe im neuen Amt wurde für Thomann die Erstellung des Bebauungsplans für eine südliche Stadterweiterung. Zwar hatte die Stadt Bonn auch innerhalb der Stadtmauern genügend Bebauungsraum, doch die landschaftlich reizvollen Grundstücke entlang des Rheinufers und vor den südlichen Toren der Stadt wurden für das wohlhabende Bürgertum Bonns zunehmend interessanter. Daher sah sich die Stadt Mitte des 19. Jahrhunderts gezwungen, einen Bebauungsplan aufzustellen, um die ausufernde Siedlungstätigkeit zu ordnen. 1856 stellte Thomann die erste Fassung eines „Entwurfs zu einem südlich von Bonn neu anzulegenden Stadttheile“ vor, der als „Thomann-Plan“ bekannt wurde.[10] Thomann ließ sich dabei von städtebaulichen Leitbildern der Zeit um 1840 leiten: „Ziel der Planung war ein weitgehend orthogonales Straßenraster unter Einbeziehung der vorhandenen Hauptwegeverbindungen.“[1] Der Plan wurde nach einer Überarbeitung am 5. Mai 1859 von der königlichen Regierung in Berlin genehmigt. Da er von der Stadt nie ausgelegt wurde, erlangte der Plan zwar keine offizielle Gültigkeit, galt jedoch bis in die 1860er Jahre hinein als städtebauliche Leitlinie. Erst 1873 – wenige Monate nach dem Ausscheiden Thomanns im November 1872 – wurden die Planungsziele offiziell aufgegeben, da juristische und finanzielle Schwierigkeiten eine vollständige Umsetzung verhinderten, sich aber auch die städtebaulichen Vorstellungen verändert hatten.
In seiner Tätigkeit als Stadtbaumeister fertigte Thomann zahlreiche Entwürfe für kleinere Baumaßnahmen. So war er 1860 mit dem Bau eines Leichenhauses und eines kleineren Anbaus an das Ägidiushospital am Münsterplatz betraut und ab 1867 für die Umbaumaßnahmen am Jakobushospital verantwortlich. Außerdem war er an der Vorbereitung der Münsterrestaurierung und an dem Bau des Landgerichts beteiligt. Auch seine Planung für ein neues Pfarrhaus der Stiftskirche an der Kasernenstraße, das mit seiner detailreichen neogotischen Architektur noch heute den Kreuzungsbereich von Stifts- und Kasernenstraße prägt, wurde ausgeführt.
In seiner Tätigkeit als Kommunalbaumeister der Gemeinden des Kreises Bonn entwarf Thomann zwischen 1856 und 1872 18 Schulgebäude, die vor allem kleine Dorfschulen waren. Dabei orientierte sich der Architekt vor allem an den „Bauausführungen für niedere Bauaufgaben“ genannten Mustervorlagen der Berliner Bauakademie. Weitgehend übernommen wurden von ihm auch die dort veröffentlichten Entwürfe für Pfarrhäuser der evangelischen Gemeinden Bonn und Godesberg. Eigenständige Entwürfe konzipierte er für die katholischen Pfarrkirchen in den Gemeinden Plittersdorf (1871), Mehlem (1861–1862) und Duisdorf (1860–1862). Zu den weiteren Bauprojekten Thomanns in den Landgemeinden des Kreises Bonn zählen ein Gefängnis in Bad Godesberg und ein Lehrerinnenheim in Vilich.[11]
Thomann war auch für private Auftraggeber als Architekt tätig: So begann er Anfang der 1860er Jahre mit der Planung und Ausführung von Wohnhäusern an der heutigen Ecke Thomas-Mann-Straße / Noeggerathstraße, an der Meckenheimer Allee[11] und an der Poppelsdorfer Allee, wo er das Doppelwohnhaus Nr. 26/28 für sich und den damaligen Bonner Bürgermeister Leopold Kaufmann errichtete. Mitte der 1860er Jahre folgten Villenbauten an der Weberstraße und am Rheinufer, darunter die Villa Prieger. Die innerstädtischen Wohnhäuser mit oftmals blockhaftem Baukörper sind geprägt von klassizistischer Ausführung und Verwendung von gotischen Bauformen zur Auflockerung.[1]
Am 14. November 1872 schied Thomann aus gesundheitlichen Gründen aus dem Amt aus. Er starb nur wenige Monate später 1873 und wurde auf dem Alten Friedhof Bonn beigesetzt. Die Grabstätte besitzt eine Holz-Pergola und wurde 2011 restauriert.[12][13] Aus Thomanns Nachlass sind 170 Bauzeichnungen enthalten, die lange Zeit unentdeckt blieben und sich seit 2004 im Bestand des Bonner Stadtarchivs befinden.[11]
Bekannte Schüler
Zu Thomanns Schülern in Bonn gehörte 1859 der später selbstständige Architekt und Architekturhistoriker Paul Laspeyres.
Über Anfertigung von Entwürfen zum Neubau evangelischer Kirchen. Aurel Frühbuss (P. Bollig’s Buchhandlung), Köln 1866.
Literatur
Dietrich Höroldt: Stadt und Universität. Rückblick aus Anlass der 150 Jahr-Feier der Universität Bonn. In: Bonner Geschichtsblätter (ISSN0068-0052), Band 22 (1968).
Busso von der Dollen: Der Thomann-Plan. In: Bonner Geschichtsblätter, Band 34 (1982), S. 141–172.
Wiltrud Petsch-Bahr: Der Stadterweiterungsplan für Bonn von 1855/56. Beispiel für eine nicht zu realisierende Stadtbauplanung. In: Gerhard Fehl, Juan Rodriguez-Lores (Hrsg.): Stadterweiterungen 1800–1875. Von der Anfängen des modernen Städtebaues in Deutschland. (= Stadt, Planung, Geschichte, Band 2.) Christians, Hamburg 1983, ISBN 3-7672-0807-5, S. 253–283.
Brigitta Gruber-Corr: Stadterweiterung im Rheinland. Kommune, Bürger und Staat als Akteure im Entstehungsprozess der Bonner Südstadt 1855–1890. (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn, Band 64.) Bonn 2004, ISBN 3-922832-36-9 (zugleich Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 2000/2001).
↑Amtsblatt der Königlichen Regierung in Potsdam und der Stadt Berlin, Jahrgang 1847, S. 42. (eingeschränkte Vorschau bei Google Bücher)
↑Olga Sonntag: Villen am Bonner Rheinufer 1819–1914. Bouvier Verlag, Bonn 1998, ISBN 3-416-02618-7, Band 1, S. 202. (zugleich Dissertation Universität Bonn, 1994).
↑Dietrich Höroldt: Die baugeschichtliche Entwicklung der Stadt Bonn 1815–1945. In: Bauen im Bonner Raum 49–69. Versuch einer Bestandsaufnahme (= Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Kunst und Altertum am Rhein. Führer des Rheinischen Landesmuseums Bonn, Nr. 21). Rheinland-Verlag, Düsseldorf 1969, S. 17.
↑Claus-Peter Echter: Das Geschichtliche Bild der Städte. Großstadt und Denkmalpflege. Deutsches Institut für Urbanistik, 1991, S. 59.
↑Karl Gutzmer, Max Braubach: Chronik der Stadt Bonn. Chronik Verlag, 1988, S. 130.
↑Edith Ennen, Dietrich Höroldt (Hrsg.): Aus Geschichte und Volkskunde von Stadt und Raum Bonn. Festschrift Josef Dietz zum 80. Geburtstag am 8. April 1973. (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn, Band 10.) Bonn 1973, S. 399.
↑Wiltrud Petsch, Joachim Petsch: Bundesrepublik, eine neue Heimat? Städtebau und Architektur nach ’45. Verlag für Ausbildung und Studium in der Elefanten Press, 1983, S. 145.
↑Franz-Werner Kersting: Stadt und Militär 1815–1914. Wirtschaftliche Impulse, infrastrukturelle Beziehungen, sicherheitspolitische Aspekte. (= Forschungen zur Regionalgeschichte, Band 25.) Verlag F. Schöningh, Paderborn 1998, S. 190.
↑Olga Sonntag: Villen am Bonner Rheinufer: 1819–1914. Bouvier Verlag, Bonn 1998, ISBN 3-416-02618-7, Band 2, Katalog (1), S. 31. (zugleich Dissertation Universität Bonn, 1994).
↑ abKriegsschicksale Deutscher Architektur. Verluste – Schäden – Wiederaufbau. Eine Dokumentation für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Band 1: Nord. Karl Wachholtz Verlag, Neumünster 1988, ISBN 3-529-02685-9, S. 387 f.
↑Robert Haas: Zur Geschichte und Kunst im Erzbistum Köln. Festschrift für Wilhelm Neuss. Band 5 der Studien Kölner Kirchengeschichte, Verlag L. Schwann, 1960, S. 413.
↑Olga Sonntag: Villen am Bonner Rheinufer: 1819–1914. Bouvier Verlag, Bonn 1998, ISBN 3-416-02618-7, Band 2, Katalog (1), S. 18. (zugleich Dissertation Universität Bonn, 1994).